Ich holte tief Atem und schlug zurück: „So, und warum rennt er dann miauend von Tür zu Tür?“
„Er heult nur vor den Fenstern, wo es andere Katzen gibt. Er glaubt, dass sie herauskommen, wenn er ruft, und mit ihm spielen. Er ist einsam.“
Die Antwort war so einleuchtend, dass ich mir ziemlich dumm vorkam. Hätte ich es mir nicht denken können, dass er nicht wegen der Nachbarn miaute, sondern wegen der Katzen der Nachbarn.
„Aber... wie kann ich ihn davon abbringen, bevor wir aus unserer Wohnung geworfen werden? Ich bringe es nicht über mich, ihn drinnen einzusperren, und wenn ich ihn herauslasse, schreit er“, jammerte ich.
„Hol dir noch eine Katze. Er ist einsam. Er will nicht die einzige Katze sein“, schnauzte sie zurück. Sie konnte eigentlich gar nicht wissen, dass Rodney die einzige Katze zu Hause war; trotzdem war ich nicht besonders begeistert über ihre Empfehlung. Schon eine einzige Katze machte mehr Ärger, als ich mir je hätte träumen lassen. Das kleine kuschelige Etwas mit der durchdringenden Stimme hatte uns bereits unser letztes Zuhause gekostet, und jetzt drohte der Hauseigentümer-Verband mir und meinem knirpsigen Pavarotti schon wieder mit Kündigung... An eine zweite Katze war gar nicht zu denken. „Wusstest du, dass deine Nachbarn ihn füttern?“ fuhr sie fort. „Was? Welche Nachbarn?“ „Die Nachbarn mit den zwei kleinen Mädchen. Er geht in ihre Wohnung. Mehrere Nachbarn lassen ihn in ihre Wohnung und füttern ihn.“ Ich kannte die Familie mit den zwei kleinen Mädchen, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie meinen Kater zum Abendessen einluden.
„Deshalb ist er neuerdings nicht besonders hungrig.“
Ich warf einen vorsichtigen Blick in Rodneys Richtung. Er hatte es sich auf dem kalten Tisch bequem gemacht. Er war ruhig, er war selbstgefällig, und der Ausdruck seines kleinen pelzigen Gesichts war unmissverständlich: Er lächelte. Er bekam endlich mein Bestes, das ihm seiner Meinung nach immer zustand.
Das Seltsame an der Kommunikation hatte sich jetzt verloren, und ich hatte keine Scheu mehr, Fragen zu stellen. Ich fühlte mich wie ein ausländischer Botschafter mit einem sehr effizienten Dolmetscher:
„Frag ihn, warum er auf meine Kleidungsstücke pinkelt“, sagte ich.
„Er will nicht, dass du fortgehst und ihn allein lässt. Auf deine Kleider zu pinkeln ist die einzige Möglichkeit für ihn, seinen Zorn auszudrücken.“ Das durfte einfach nicht wahr sein. Ich hatte einen Werbejob als Model, für den ich manchmal an Wochenenden abwesend war und bei dem ich eine bestimmte Uniform tragen musste. Wenn ich Sonntag nachts nach Hause kam, leerte ich meinen Koffer und warf meine Uniform mit der restlichen Schmutzwäsche auf einen Haufen auf dem Fußboden. Dann wurde ich oft von anderen Hausarbeiten abgelenkt. Später fand ich meine Kleidung über den ganzen Fußboden verstreut. Rodney hatte sich meine Uniform aus dem Haufen herausgesucht und gezielt auf sie gepinkelt. Als ich schließlich dazu überging, meine Wäsche nicht mehr auf dem Fußboden liegen zu lassen, pinkelte er direkt in meinen frisch gepackten Koffer. Erst als ich meine Tasche in Palm-Springs auspackte, entdeckte ich, dass alles völlig durchnässt war und die Uniform zum Himmel stank.
„Er scheint die Uniform zu kennen, die ich trage, wenn ich fortgehe. Wie kann er denn wissen, welche Kleidungsstücke ich bei der Arbeit trage?“ fragte ich.
„Er weiß es eben“, antwortete sie. „Warum flippt er jedes Mal aus, wenn ich fortgehe? Er scheint sogar Angst vor der Dunkelheit zu haben. Bitte frag ihn, warum er um drei Uhr morgens Schreikrämpfe bekommt. Frage ihn, woher er stammt“, drängte ich.
„Er sagt, dass er in einem Industriegebiet von Van Nuys lebte, wo es viele streunende Katzen gab. Die Männer fütterten die Katzen auf dem Fabrikgelände. Es gab dort Kartonstapel und Maschinenteile und viel Fett auf dem Boden. Er wurde nachts im eiskalten Lagerhaus eingeschlossen und war sehr hungrig. Nur weil er so laut heulte, konnte er gefüttert werden. „Hat er wirklich Angst vor der Dunkelheit? Und hat er Klaustrophobie?“ fragte ich.
„Nur nachts“, sagt er.
„Armer, kleiner Kerl", girrte ich und tätschelte seinen Kopf. Ich sah jetzt unser altes Dilemma in einem ganz neuen Licht. Alles wurde plötzlich klar. Ich hatte Rodney im Tierheim in Nord Hollywood im Pennerviertel gefunden. Als ich den Raum betrat, brachte mir das Kätzchen mit der Pose eines Opernsängers ein Ständchen, und als ich in seinen Käfig spähte, streckte es mir die Nase so aufdringlich entgegen, dass ich meinte, in den Lauf einer Schrotflinte zu blicken. Rodney war nicht mein Typ. Ich suchte einen vierbeinigen Marlon Brando, keinen Woody Allen. Aber als ich ihn hochhob, geschah etwas Unerhörtes. Er schlang seine winzigen Pfoten um meinen Hals, als wären es zwei besessene Pfeifenreiniger. Dann streckte er mir sein kleines Gesicht entgegen und hatte mich auch schon auf die Lippen geküsst. Es war der berechnendste Kuss, den ich jemals in meinem Leben empfangen habe. Damit hatte mich der kleine orangefarbene Geschäftsmann gewonnen. Er war im Grunde nur ein vorlauter, spitznasiger Rotschopf, ein Standardmodell unter den Katzen, aber er hatte ganz sicherlich das gewisse Etwas.
„Was denkt er über mich?“ fragte ich.
„Er liebt dich. Er sagt, dass er sein Frauchen liebt.“
In letzter Zeit benahm er sich meinem Freund gegenüber ziemlich aggressiv. Jedes Mal, wenn Benjamin mich vor ihm berührte, griff Rodney ihn wie ein Rasender an und verschwand danach aus dem Zimmer. So musste ich fragen: „Was denkt er über meinen Freund?“
Die Antwort war: „Er ist sehr eifersüchtig. Er will dich ganz allein für sich haben. Manchmal wünscht er sich, dass dein Freund einfach geht.“ Oh, dachte ich, mir geht es manchmal genauso. Nachdem ich dem Medium die $35 bezahlt hatte – ein läppischer Betrag, wenn man bedenkt, dass meine Welt soeben auf den Kopf gestellt wurde -, ergriff ich den kleinen Kater und setzte ihn in seinen Korb. Ich merkte, dass sich meine Beziehung zu ihm schon verändert hatte. Ich ging sorgfältiger mit ihm um als gewöhnlich. Er war nicht mehr nur ein kleines lärmendes Haustier. Er war ein intelligentes Geschöpf mit eigenen Gedanken und Gefühlen, ein Geschöpf, das beobachten und nach seinen Beobachtungen handeln konnte, ein Geschöpf, das logisch denken konnte.
Während der Fahrt nach Hause war dicke Luft zwischen uns. Ich hatte Rodney niemals so selbstgefällig und zufrieden gesehen. Zum ersten Mal strahlte er wirklich Ruhe aus. Endlich hatte er seinen Teil sagen können, und mir war das Wunderbarste in meinem Leben widerfahren – ich hatte einen Menschen gefunden, der mit einem Kater reden konnte. Es war ein starkes Stück! Was für eine Welt! Alles, was ich bisher geglaubt hatte, war in einem einzigen Augenblick verändert worden.
Gladys hatte mir beim Abschied ein Flugblatt für einen Workshop über die Kommunikation mit Tieren in die Hand gedrückt, den sie jenes Wochenende anbot. Die erste Hälfte des Kurses bestand aus einem Vortrag über die Kommunikation zwischen den Spezies; während der zweiten Hälfte konnten wir üben, mit den Tieren der anderen Teilnehmer zu sprechen, und die Informationen sollten dann überprüft werden.
Der Kurs, der mein Leben veränderte
Wir trafen uns in einem sonnigen Hinterhof, in dem Picknicktische aufgestellt waren. Obwohl es an diesem Frühlingstag in Los Angeles recht windig war, schwitzte ich die ersten zwei Stunden und kämpfte mit dem Chor von Neinsagern in meinem Kopf. Auch als ich Gladys zuhörte, ritten mich die Dämonen des Zweifels. Sie tobten wie eine Schar von Aasgeiern auf dem Hinterteil eines Rhinozeros. An diesem Tag hatte ich ihnen viel Gesprächsstoff gegeben: Was, wenn ich die einzige bin, der es nicht gelingt? Ich werde einen schönen Narren aus mir machen. Das Ganze ist sowieso völlig unmöglich! Warum sitze ich hier und höre mir diesen Unsinn an? Selbst wenn Gladys es tatsächlich kann, werde ich es niemals erlernen.
Ich nahm es mit meinen Dämonen auf: Dann mache ich eben einen Narren aus mir, na und? Es wäre nicht das erste Mal. Ich werde wahrscheinlich niemand von diesen Leuten wiedersehen. Ich könnte