Die Ausübung dieser Macht hat freilich ihre eigenen Tücken, der geschäftsmäßige Umgang damit folglich seine eigene Logik.
a) Das Risiko
Das Funktionieren der Finanzbranche beruht darauf, dass sich ihre Kredite wirklich als Geldkapital bewähren, also durch Reichtum vermehrende Geschäfte bestätigt werden, und dass ihre Zahlungsmittel durch solche Geschäfte ‚gedeckt‘ sind, also bezifferte Geldmacht darstellen, statt diese nur durch Ausübung ihrer Funktionen zu fingieren; dass also die Kapitalverwertung auch stattfindet, die im Rechtsverhältnis zwischen Bank und ‚Realwirtschaft‘ nicht nur beabsichtigt, sondern veranschlagt ist, als wäre sie schon eingetreten: als Forderung, die die Verbindlichkeiten des Kreditinstituts rechtfertigt; als Aktivposten in der Vermögensbilanz, der für die Zahlungsmittel bürgt, mit denen das Gewerbe die Geschäftswelt ausstattet und das Publikum einkaufen lässt.
Dem Finanzgewerbe selbst ist dabei seine Abhängigkeit von der Unternehmenswelt vertraut, die sich unter Einsatz geliehenen Geldes mit den Fährnissen des Marktes herumschlägt. Bankleute wissen, dass sie bei aller Sorgfalt im Abschätzen von Risiken und bei allem Einfluss auf den Verlauf der Konkurrenz nie verbürgen können, wofür sie sich ihren Kunden gegenüber haftbar machen, nämlich dass die finanzierten Geschäfte auch gelingen. Und sie stellen sich – wie alle Artisten im marktwirtschaftlichen Zirkus –, geleitet von ihrem praktischen Interesse, der Herausforderung, die ihrem Unternehmen aus diesem grundsätzlichen Widerspruch ihrer Schuldenwirtschaft erwächst.
Den Beweis, dass die von ihm veranstaltete Geld- und Kreditschöpfung sich in wachstumswirksamer Anwendung von Geldkapital niederschlägt, vermag zwar kein Finanzinstitut anzutreten. Umso eifriger jedoch ist ein jedes darauf aus zu vermeiden, dass es zum Opfer seiner Spekulation wird, und bemüht, aller Welt die Verlässlichkeit seiner Rechnungen zu demonstrieren. Die Geld- und Kreditschöpfung, die erst einmal schlicht das eine Ziel hat, Umsatz und Gewinn zu steigern, hat deshalb für die Schöpfer eine Konsequenz, der sie nicht ausweichen können: Sie kommen nicht umhin, bei der Ausdehnung ihres Geschäftsvolumens Selbstkontrolle zu üben. Im ausgiebigen Gebrauch ihrer Freiheit, eigene und fremde Schulden als Geldkapital zu behandeln, nämlich als ihnen zu Gebote stehende Geldquellen zu verwenden, dürfen sie eine Grenze nicht überschreiten: Der gedeihliche Verkehr mit den Partnern schließt die pünktliche Pflichterfüllung ein, die in der Leistung fälliger Zahlungen besteht. Die Macht der Bank hängt davon ab, dass sie in ihrer Eigenschaft als Schuldner besteht; also jederzeit liquide ist.
Das will organisiert sein.
b) Die notwendige Inszenierung von Sicherheit:
Liquiditätsmanagement und ‚Interbankenmarkt‘
Wenn die Banken die Zahlungsströme, die sie mit ihrer Kreditvergabe auslösen, per Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten untereinander managen, einen verbleibenden Saldo als Plus oder Minus auf Konten verbuchen, die sie beieinander – oder bei einer dritten Zahlungsstelle – unterhalten, auch dafür im Übrigen Zinsen zahlen bzw. kassieren, dann verlassen sie sich darauf, dass jedes Institut für die Zahlungsversprechen, mit denen es seinen Kredit in Umlauf bringt, einstehen kann und zuverlässig einsteht. Ihre Mitwirkung im Kreislauf der Kreditschöpfung und Kreditgeldzirkulation beruht auf einem Vertrauensverhältnis, das in der Branche üblich, zwischen Konkurrenten aber alles andere als selbstverständlich ist. Die Anerkennung als verlässlicher Partner muss sich ein jedes Geldhaus bei seinen Branchenkollegen verdienen und permanent rechtfertigen: durch unbedingte Zuverlässigkeit bei der Bedienung seiner Zahlungspflichten.
Die geschäftliche Routine, mit der die Banken ihren Zahlungsverkehr miteinander abwickeln, ist deswegen stets auch ein Beweisverfahren: Damit keine Liquiditätslücken entstehen und trotzdem entstehende Lücken den Charakter zeitweiliger, überschaubarer, rasch wieder ausgeglichener Verzögerungen aufweisen, müssen Forderungen und Verpflichtungen nach Summen und Fristen sachgerecht gemanagt werden. Zwecks Nachweis ihrer Vertrauenswürdigkeit, auf der ihre Teilhabe am Geschäftsgang der Branche beruht, sortieren die Banken ihre eigenen Geldanlagen und Zahlungsforderungen nach Graden der Leichtigkeit, mit der sich damit bei Bedarf eigene Verbindlichkeiten begleichen lassen; sie sorgen für einen anforderungsgerechten Auf- und Abbau unterschiedlich liquider Vermögenstitel; sie arrangieren mit deren Verkauf oder Beleihung oder vermittels Kreditabkommen untereinander die sichere Refinanzierung eingegangener Zahlungspflichten.
Dieses Liquiditätsmanagement beweist zwar nie, was der Natur der Sache nach gar nicht zu beweisen ist, nämlich dass die in Umlauf gebrachten Kredite samt Kreditzeichen eine ökonomische Erfolgsstory mit Wachstum hinter sich, geschweige denn, dass sie eine vor sich haben. Doch der unerlässliche Sicherheitsnachweis ist von vornherein reduzierter angelegt. Er zielt auf Anerkennung des Bankhauses als Garant der Zahlungsfähigkeit, die es mit seiner Schuldenwirtschaft stiftet; und die ist selber eine Frage der geschäftlichen Praxis: Sie besteht in der tatsächlichen Beteiligung an dem Leihverkehr, mit dem die Banken einander akut benötigte Zahlungsmittel überlassen und der wegen der kurzen Fristen, die da üblich sind – meist ‚über Nacht‘ –, als ‚Geldmarkt‘ von anderen Kreditverhältnissen unterschieden wird. So stellt die Branche, schön zirkulär, wie es sich für das Metier gehört, im Vertrauen auf die Liquidität der Beteiligten die Liquidität her, die, solange die Sache routinemäßig ihren Gang geht, deren Vertrauenswürdigkeit hinreichend belegt. Mit dem sich selbst rechtfertigenden Vertrauen der Institute auf die Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit ihrer Partner stiftet das Gewerbe die Sicherheit, die zur Expansion ihrer Geschäfte unerlässlich ist.
c) Produktivkraft und Schranken des Geschäftsmittels ‚Vertrauen‘
In letzter Instanz beruht das Funktionieren des Kreditgeschäfts auf der erfolgreichen Verwendung von Schulden als Kapital. Den Erfolg haben die Kreditschöpfer nicht in der Hand; sie kalkulieren damit aber mit solcher Sicherheit, dass sie als verantwortliche Garanten ihrer prekären Schuldenwirtschaft auftreten. Den Widerspruch zwischen ihrer Abhängigkeit vom Geschäftserfolg ihrer Kunden und ihrer Autonomie als Anstifter und Nutznießer des Kapitalwachstums und Gewährleister der davon abhängigen gesellschaftlichen Zahlungsfähigkeit bewältigen sie mit vertrauensbildenden Maßnahmen, die ihnen Zugang zum Interbankenmarkt für Liquidität und darüber die Macht verschaffen, für das Funktionieren ihres Geschäfts einzustehen.
Überwunden ist dessen Abhängigkeit vom Konkurrenzerfolg der kreditnehmenden Kundschaft damit natürlich nicht, der Widerspruch zwischen professionell angemaßter Autonomie und eingegangenem Risiko mitnichten aus der Welt geschafft. Er ist überführt in eine Geschäftsroutine zwischen den Bankhäusern, die deren Liquidität und damit nichts Geringeres als den Bestand jedes einzelnen Instituts als autonomes Geschäftssubjekt vom Vertrauen der anderen abhängig macht; was umgekehrt bedeutet: Der Geschäftsgang jeder einzelnen Bank wird zum Risiko für die anderen. Die Großzügigkeit, mit der die Geschäftspartner einander Kredit geben, stiftet Sicherheit für Kreditgeschäfte, deren Erfolg nicht nur überhaupt unsicher ist, sondern permanent durch konkurrierende Kreditgeschäfte mit konkurrierenden Unternehmen gefährdet oder überhaupt zunichte gemacht wird.
Die Konsequenz ist klar: Das praktizierte Vertrauensverhältnis schließt nicht nur ein