– Tatsächlich setzt das bürgerliche Eigentumsrecht die Herstellung einer Sache, rechtlich: die Vergegenständlichung der willentlichen Tätigkeit eines Rechtssubjekts in einem Produkt, als die erste Quelle des Eigentums voraus, wenn es – gemäß dem großen historischen Imperativ ‚Jedem das Seine!‘ – die exklusive Verfügungsmacht über eine Sache zum Grundrechtstatbestand erhebt. Mit diesem Rechtsgrundsatz bezieht sich der bürgerliche Staat aber schon nicht mehr auf den banalen – im Begriff des Eigentums als Voraussetzung enthaltenen – Umstand, dass willensbegabte Subjekte in ihrer produktiven Tätigkeit ein Stück – womöglich schon bearbeitete – Natur ihrem Bedürfnis gemäß zurechtmachen und in diesem materiellen Sinn sich aneignen. Der Staat leistet damit vielmehr seinen elementaren Ordnungsdienst an einer Ökonomie, die als Warenhandel vonstattengeht: Er stiftet Rechtssicherheit für eine Wirtschaftsweise, bei der Arbeitsprodukte nicht für den allgemeinen Nutzen, sondern einerseits als private Verfügungsmasse ihres Produzenten, andererseits als Güter nicht für dessen Bedarf, sondern für den Tausch gegen andere Produkte hergestellt werden. Nur insofern, also auf dem Weg der Veräußerung gegen fremdes Eigentum, ist das, was als Privateigentum produziert wurde, Teil der und Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Die ausschließende Verfügungsmacht, die die bürgerliche Rechtsordnung mit der Herstellung einer Sache verknüpft, bezieht sich auf diese ökonomische Zweckbestimmung des Produkts, nämlich als Mittel zum Tausch gegen andere Produkte zu fungieren. Das Recht schreibt also als den eigentlichen Sinn und Zweck des Eigentums den Erwerb fremden Eigentums fest.
– Diese ökonomische Zweckbestimmung des Eigentums wird im Geld, das die Subjekte dieser Ökonomie als Tauschmittel verwenden, zu einer eigenen, dinglich existierenden Größe getrennt von der Herstellung der Produkte und selbständig neben den Gütern, deren Herstellung das Eigentum an ihnen begründet. Indem der Staat den Warenhandel samt Geldverkehr unter seinen Schutz stellt, fixiert und sanktioniert er dieses Paradox einer privaten Verfügungsmacht verselbständigt gegen den Produktionsprozess, dem diese Macht entspringt: Eigentum als handhabbare Sache unabhängig von seinem Entstehungsprozess und dessen materiellem Ergebnis, nämlich als quantitativ bestimmte, an einer staatlich definierten Geldmaterie haftende Zugriffsmacht auf alle käuflichen Produkte.
– Die im Geld verselbständigte Verfügungsgewalt entfaltet ihre eigentliche Produktivkraft im rechtsstaatlich geschützten, marktwirtschaftlich produzierenden Gemeinwesen auf der Basis der Eigentumslosigkeit der großen Masse der Gesellschaft, ihrer eigentumsrechtlichen Trennung von den Mitteln der Produktion materiellen Reichtums, und komplementär dazu der Monopolisierung dieser Mittel und des Geldes zu ihrer Beschaffung im Eigentum einer Minderheit. In Form eines staatlich als rechtens anerkannten Tausches von Geld gegen Dienstleistungen wird den Massen ohne produktiv einsetzbares Eigentum die Verfügung über ihre Fähigkeit, produktiv tätig zu werden, abgekauft. Mit der Zugriffsmacht seines Geldes übernimmt der Eigentümer der Produktionsmittel als ‚Arbeitgeber‘ das Kommando über seine ‚Arbeitnehmer‘, betätigt sich als das bestimmende zwecksetzende Subjekt der von denen verrichteten Arbeit, macht sich also zu dem Urheber der Produktion, dem alle Produkte rechtlich als sein Werk und folglich als sein rechtmäßiges Eigentum zuzurechnen sind. Die bezahlten Leute reproduzieren in ‚ihrem‘ Betrieb die Zugriffsmacht, die über sie verfügt.
– Auf dieser Grundlage erbringt das Bankgewerbe seine eigentümliche Leistung: Es trennt die Zugriffsmacht auf Arbeitsprodukte und die Kommandomacht über produktive Tätigkeit, die dem Geld als der Verselbständigung des Eigentums gegen dessen Schaffung innewohnt, auch noch vom Eigentum selbst, das im Geld verselbständigt existiert; es überträgt dieses Gewaltverhältnis auf seine Kunden – auf Zeit, und um ein Geld zurückzubekommen, das nunmehr das vom Schuldner tatsächlich geschaffene größere Eigentum repräsentiert. So löst sich das Paradox der Produktivkraft des verliehenen Eigentums am Ende auf: Sie tut für beide Seiten ihren Dienst.
Zusatz
Die Leistung des Bankgewerbes im Dienst am Geldbedarf der kapitalistischen Unternehmenswelt geht weit hinaus über die Erleichterungen, die Industrielle und Kaufleute selber schon erfunden und praktiziert haben, um die Umschlagszeit ihres Kapitals zu verkürzen und die Kontinuität ihres Geschäftsgangs sicherzustellen.
Die haben erstens die Gewohnheit entwickelt, Warenlieferung und Zahlung zeitlich zu trennen und einander Zahlungsfristen zu gewähren. Das macht es allen ein bisschen leichter, über die Durststrecke zwischen dem Einsatz benötigter Produktionsmittel und dem Gelderwerb für deren Bezahlung durch Verkauf des Produzierten hinwegzukommen. In das harte Geschäftsleben ist damit ein erstes Moment von Vertrauen eingeführt: wechselseitiges Vertrauen in die Dauerhaftigkeit der Geschäfte und in die Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft ihrer Betreiber.
Darüber hinaus haben die Profis des Marktes den Handelswechsel erfunden: die Technik, dem Käufer einer Ware statt prompter Zahlung ein terminiertes Zahlungsversprechen abzunehmen, das der Empfänger seinerseits als Zahlungsmittel an seine Lieferanten weiterreicht, für dessen Erfüllung er dann allerdings auch seinerseits haftet. Die Macht des Geldes, auf Ware in fremdem Eigentum zuzugreifen, wird so – befristet, aber wirksam – von seinem Vorhandensein abgelöst; ersetzt durch eine Willensbekundung, mit der das Eigentum an Waren unwiderruflich übertragen wird. Ihre Bindung an die Herstellung von werthaltigem Eigentum und dessen Verselbständigung in verdientem Geld wird diese auf bloßer Zusicherung beruhende Zugriffsmacht natürlich nicht los: Nach Ablauf der Frist, für die das Zahlungsversprechen als Zahlungsmittel gilt und fungieren kann, ist Geldzahlung fällig. Immerhin befreit dieser kommerzielle Kredit zwischen Industriellen und Kaufleuten die Beteiligten, die alle mit der Gleichung ‚Zeit ist Geld‘ zu kämpfen haben, weil davon ihr Gewinn abhängt, noch ein bisschen weiter von der Notwendigkeit, Geld schon endgültig erlöst zu haben, bevor es wieder als Vorschuss für die Gewinnproduktion fungieren kann. So leistet er einen Beitrag zum kontinuierlichen Fortgang und zur Verbilligung, also zum Wachstum der Geschäfte, deren Kontinuität und Wachstum er zugleich als selbstverständlich gegebene Bedingung voraussetzt.
Dieser Erfolg ist einer der Anknüpfungspunkte für das Finanzkapital in seinem unermüdlichen Bemühen, die kapitalistische Macht des Geldes überhaupt von ihrer Quelle, der Produktion von Eigentum an nützlichen Gütern, zu emanzipieren und dadurch ungeahnte kapitalistische Wachstumskräfte zu entfesseln. Ganz in diesem Sinne jedenfalls haben sich die Geldhändler in die Entwicklung des kommerziellen Kredits eingeschaltet: Sie kaufen Wechsel auf, verwandeln also versprochene Zahlung vorfristig in uneingeschränkt verwendbare Liquidität und lassen sich diesen Dienst mit einem Teil der geschuldeten Summe, errechnet aus dem veranschlagten Zinssatz und der Restlaufzeit des Papiers, vergüten. In der Praxis des Kreditgeschäfts sind dann an die Stelle der Diskontierung von Wechseln Bankkredite getreten, die der Sicherung und Beschleunigung des Kapitalumschlags dienen.2)
c) Der Ertrag
Das Finanzgewerbe geht mit seinen Geschäften von einem Bedarf der kapitalistischen Unternehmenswelt aus, der deren Leistung entspringt: Produktion und Konsumtion sind so vollständig unter das Regime des Geldes und den Zweck seiner Vermehrung subsumiert, dass nichts weiter als Geld nötig ist, um diesen Zweck zu erreichen. Freilich braucht es genügend Geld; und für seinen immerwährenden Konkurrenzkampf braucht jedes Unternehmen notorisch mehr, als es übrig hat. Mit seinen Leihgeschäften bedient das Finanzgewerbe diesen Bedarf und trägt damit entscheidend dazu bei, das Regime des Eigentums über die Produktivkräfte der Gesellschaft und deren materiellen Lebensprozess zu vollenden. In seiner Rechnung unterscheiden sich die diversen Geschäftszweige, in denen die materiellen Reichtümer der Gesellschaft, die Gegenstände des Eigentums, reproduziert und vermehrt