Die Zecke auf Abwegen. Bernd Wieland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Wieland
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Юриспруденция, право
Год издания: 0
isbn: 9783482728310
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gemacht. Seitdem buchte er jeden Belegkarton gnadenlos weg, der ihm auf den Schreibtisch gestellt wurde. Natürlich nur gegen Vorkasse.

      „Kann ich mir nicht vorstellen, dass Veräußerungsgewinne so ohne weiteres steuerfrei sind. Da gibt’s immer irgendwelche Haken und Ösen. Das ist genauso wie bei diesen Garantiebestimmungen beim Autokauf. Oder hast du schon erlebt, dass dir ein Autohaus einen Rostfleck auf Garantie wegmacht?”

      „Die Autos, die ich mir leisten kann, haben so viel Rost, dass ich froh bin, wenn mein Hintern nicht auf dem Boden schleift”, entgegnete Mandy.

      Mühsam kramte ich in meinem Gedächtnis: Waren Veräußerungsgewinne wirklich steuerfrei? Irgendwas war da doch … Ich muss gestehen, dass ich seit langem nicht mehr in die Tiefen des Steuerrechts vorgedrungen war. Dafür hatte ich gar keine Zeit. Sicher, mit Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und Arbeitszimmern kannte ich mich ein bisschen aus. Nur mit dem, was man während der Ausbildung so mit auf den Weg bekommen hatte. Aber ansonsten konnte ich mich mit diesem Firlefanz nicht abgeben. Änderte sich ohnehin alle Nase lang. Als Teamfürst wurde ich dafür bezahlt, die Statistik aufzumotzen und die EDV auszutricksen. Hatte ich ja heute am eigenen Leibe zu spüren bekommen, was passierte, wenn man zu blöd dafür war.

      Plötzlich wurde mir ein Dienstausweis unter die Nase gehalten: „Gestatten, Betriebsprüfung!” Die Visage auf dem Passbild kam mir doch irgendwie bekannt vor. Ich blickte hoch: Horst!

      Mit Horst hatte ich jahrelang in einem Büro zusammen gesessen, bevor er in den Betriebsprüferhimmel entrückt worden war.

      Ich schilderte Horst unser steuerliches Problem.

      „Ist Britta 55 Jahre alt?”

      „Du kennst doch Britta. Neulich ist sie beim Schnaps kaufen an der Kasse sogar aufgefordert worden, ihren Personalausweis zu zeigen.”

      „Oder ist sie dauernd berufsunfähig?”

      „Ich habe manchmal schon den Eindruck, sie sei berufsunfähig. Jedenfalls studiert sie bereits im 36. Semester. Zählt das auch?”

      „Keine Chance, Hartmut. Wenn du verkaufst, muss alles voll versteuert werden. Da bleibt nicht mehr viel übrig.”

      Mandy mit ihrem Hang für pragmatische Lösungen hatte eine Idee: „Hartmut, du überschreibst mir den Imbiss und dafür gibt’s von mir eine Flatrate für die nächsten fünf Jahre.”

      „Wie, Flatrate?”

      „Na, wenn es dich hierher treibt, füttere ich dich mit Kind und Kegel die nächsten fünf Jahre auf meine Kosten durch. Und Horst kriegt auch ab und zu mal ‚nen Monsterjäger.” Liebevoll streichelte sie über Horsts Vollglatze.

      Horst war von der Idee sofort begeistert: „Hartmut, schlag ein! Ich würd’ sagen, in krisengeschüttelten Zeiten ein innovativer Vorschlag! Aber immer schön den geldwerten Vorteil versteuern.”

      „Quatsch”, ich klopfte Mandy auf die Schultern, „den Wareneinkauf wird dir dein Heiko schon auf Nimmerwiedersehen unter Schwund wegbuchen.”

      Ich brauchte nicht lange, um mich zu entscheiden.

      „Red noch mal in Ruhe mit Britta, ob sie mit dem Deal einverstanden ist. Sie ist ja schließlich die Betriebsinhaberin und ich will keinen Ärger”, riet mir Mandy.

      Aber für mich war die Sache klar. „Britta liegt mir schon seit langem in den Ohren. Sie ist doch nur froh, wenn das Kapitel ‚Frittenschmiede‘ endgültig abgeschlossen ist”.

      Also schlugen wir ein.

      9. Payman-Brothers

      „Das sind die Entwürfe, die ich für Herrn van Rahden vorbereitet habe.” Britta hielt mir eine grüne Mappe unter die Nase.

      „Wer ist denn Herr van Rahden?”

      „Unser Architekt. Hat sonst fast nur Großbaustellen in Berlin. Soll sogar für Frau Merkel mal was gemacht haben.”

      Ich überflog die Entwürfe. Britta hatte einen Hang zu XXL und Erkerchen hier und dort.

      „Am Mittwoch hat van Rahden einen Termin dazwischengeschoben. Hat aber schon gesagt, er muss Zahlen haben, sonst kann er das Bauvorhaben nicht kalkulieren. Wie viel haben wir denn auf dem Schweizer Depot?”

      „100.000 Euro bis 120.000 Euro, muss ich mal Herrn Huber von der Schweizer Hypo anrufen.”

      „Den Imbiss bekommt Mandy jedenfalls nicht unter 40.000 Euro.”

      Sollte ich mich jetzt in mein grausames Schicksal ergeben und die Hosen runter lassen? Ich versuchte Britta auf die unbekümmerte Art abzulenken: „Habe ich dir schon erzählt, dass Mandy den Imbiss übernehmen will?”

      „Klasse, Hartmut. Und was springt an Kohle heraus?”

      Britta war schwer abzuhängen.

      „Mandy hatte einen Super-Vorschlag: Für die nächsten fünf Jahre Flatrate-Essen für die ganze Familie.”

      Britta bohrte ihren Zeigefinger in meinen Bauch: „Du wirst nach Silvester erstmal ’ne Runde abspecken. Und Luisa auch. Ist dir nicht auch schon aufgefallen, dass sie ein richtiges Bäuchlein bekommen hat? Und ein Doppelkinn – genau wie du.”

      „Eben ein bisschen Babyspeck”, versuchte ich zu beschwichtigen.

      „Babyspeck! Das Kind ist fett geworden. Nach Neujahr gibt’s jedenfalls keine Fanta mehr.”

      Wir schwiegen eine Weile.

      „Und wie will Mandy die 40.000 Euro bezahlen? Nimmt sie ein Darlehen auf?” Die Frau war hartnäckig.

      „Britta, ich habe mich mal mit Horst beraten. Horst sagt, wenn wir das Geld versteuern, bleibt so gut wie nichts übrig.”

      „Wo ist das Problem? Dann wird es halt nicht versteuert.”

      „Unsinn, die Sache ist viel zu heiß. Und außerdem ist es nicht unwahrscheinlich, dass bei Mandy gleich nach Betriebseröffnung der Betriebsprüfer vorbeischaut. Um es kurz zu machen: Ich habe mit Mandy die Sache schon perfekt gemacht: Flatrate-Essen für uns und damit ist das Thema Frittenschmiede ein für allemal gegessen.”

      Britta war sofort auf 180: „Hartmut, wenn es ums Essen geht, schaltet dein Hirn aber auch sofort auf Notstromaggregat um! Flatrate läuft nicht. Wir brauchen Eigenkapital!”

      „Mandy bekäme soviel Geld überhaupt nicht zusammen.”

      „Dann verkaufen wir eben an einen anderen!” Feindselig starrte Britta mich an. Bis zum Abend redeten wir kein Wort mehr miteinander.

      Während ich das Abendbrot vorbereitete, hörte ich wie Britta mit ihrer besten Freundin Gundula telefonierte: „… du hast ja Recht. Einerseits bin ich ja auch froh, dass ich den Schuppen nicht mehr an der Backe habe. Diesen Gestank vom Frittierfett bekommt man nicht mehr aus den Haaren heraus – einfach eklig. Und diese Fernfahrer, die glotzen dich an, als wenn sie dich am liebsten sofort in ihre Fahrerkabine ziehen wollen. Nee, ich bin auch froh, dass das vorbei ist.”

      Zwei Minuten später nahmen wir uns in den Arm. „Aber versprich mir, Hartmut, dass du am Dienstag diesen Nadelstreifenaffen von der Hypo anrufst.”

      Natürlich war Herr Huber am Dienstag nicht erreichbar. Und auch nicht am Mittwoch, sodass Britta für ihren Termin mit Herrn van Rahden keine genauen Zahlen vom Depotwert hatte.

      Ich lieferte Britta beim Architekten ab und ging in der Zwischenzeit mit Lucy und Luisa ins Hallenbad. Anschließend wollte ich zum Flatrate-Essen zu Mandy – mussten wir ja schließlich ausnutzen.

      Im Hallenbad kam Luisa heulend vom Softeisstand zurück. Sie deutete auf einen kleinen Jungen mit langen, blonden Haaren, der auf der Rutsche saß: „Der da hat Fettfleck zu mir gesagt!”

      Luisa stand schluchzend mit ihrem rasch schmelzenden Eis vor mir. Britta hatte Recht, das Kind hatte ein Doppelkinn und ordentliche Kartoffelstampfer bekommen. Dazu ein dickes, pralles Bäuchlein. Luisa