Frühkindlicher Fremdsprachenerwerb in den " Elysée-Kitas ". Matthias Springer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Springer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823302940
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zukünftig gemeinsam und komplementär bearbeitet werden können. Sie werden im Folgenden knapp vorgestellt.

      2.1.1 Lernfortschritt im Spracherwerb

      Zur Messung des Lernfortschritts werden aus den Kompetenzbereichen Sprechen und Hörverstehen didaktische Zielsetzungen definiert. In der Anlage zur französischen Analyse werden die Sprachstanderhebungsbögen aus der Grenzregion Elsass-Lothringen1 exemplarisch präsentiert. Sie sind nicht für ganz Frankreich repräsentativ. Gerade weil sie nur in der Grenzregion angewendet werden, ist es interessant, sie mit denjenigen zu vergleichen, die für die Münchner Untersuchung entwickelt wurden. In der Anlage findet man auch ein Zeugnisheft für die bilinguale Vorschule. Innovativ dabei ist die vollständige Integration des Deutschunterrichts im Schulzeugnis des französischen Bildungsministeriums. Lern- und Arbeitsverhalten sowie die Sprachkenntnisse und kommunikativen Kompetenzen werden beurteilt und benotet. Das französische Schulzeugnis für die Vorschule weist mit dem KOMPIK-Beobachtungsbogen2 Gemeinsamkeiten auf. Bei Ersterem liegt der Schwerpunkt stärker auf Bildung und Kompetenzen, denn auf Entwicklung und Interessen. Grundsätzlich war seitens des Bildungsministeriums eine Evaluation der Kompetenzen anhand des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) erwünscht. In ihrer Bestandsaufnahme der besten Praktiken zur Evaluation von Spracherwerb und Progression registrierten die Autorinnen der Studie punktuelle Initiativen der Schulleitungen oder Schulinspektionen mit dieser Zielsetzung entweder in der dritten Klasse der Vorschule (grande section de maternelle) oder in der ersten bis vierten Klasse der Grundschule. Dies weist eine Kontinuität des Angebots nach.

      2.1.2 Kontinuität des Angebots

      Die Kontinuität des Angebots ist für das französische Bildungsministerium Dreh- und Angelpunkt des Modells. Die Kinder sollen in der Grundschule und den weiterführenden Schulen die Möglichkeit haben, schulischen Deutschunterricht zu besuchen und im Idealfall deutsch-französische Curricula in bilingualen oder europäischen Zweigen zu absolvieren. In den Grenzregionen ist die Möglichkeit bereits gegeben, das Bildungsministerium legt jedoch für ganz Frankreich Wert darauf.

      Wir möchten die von beiden Ländern eingeleiteten Maßnahmen zur Förderung des Erlernens der Partnersprache vertiefen, insbesondere durch die Schaffung bilingualer Klassen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in der Schullaufbahn der Kinder und Jugendlichen, ebenso wie durch den Ausbau von Abibac-Zweigen1im Gymnasium, die gleichzeitig zum französischen Baccalauréat und zur allgemeinen Hochschulreife (Abitur) führen.2

      Deutschland und Frankreich verfügen über ein Netzwerk von 194 Hochschuleinrichtungen, die aktuell 180 integrierte binationale und trinationale Studiengänge unter dem Dach der Deutsch-Französischen Hochschule anbieten. Allein in Bayern werden 64 deutsch-französische Studiengänge angeboten3. Aus französischer Perspektive ist der Anspruch auf deutsch-französische bilinguale Kontinuität von der Vor- bis in die Hochschule hinein eine Priorität der deutsch-französischen Bildungskooperation.

      2.1.3 Fort- und Weiterbildung des Personals

      In den französischen Vorschulen wird der Deutschunterricht von französischen Grundschul- oder Gymnasiallehrkräften, punktuell auch von Sprachassistentinnen und -assistenten oder Austauschlehrkräften aus Deutschland verwirklicht. Wenn Nichtmuttersprachlerinnen und Nichtmuttersprachler diese Aufgabe übernehmen, stellt sich die Frage der Aus- bzw. Fortbildung. Aus didaktischer Perspektive wurde ein Fortbildungsbedarf identifiziert, u. a. zur Pädagogik des frühen Fremdsprachenerwerbs, zu Mehrsprachigkeit sowie zum Umgang von Kindern mit Fremdsprachen. Auch Deutschkurse für die Lehrkräfte würden benötigt.

      An dieser Stelle fördert das Ministerium Personalmobilität und den Austausch von Lehrkräften, vom französischen Bildungsministerium ist auch die Konzeption eines Aufbaustudiengangs für frühen Fremdsprachenerwerb angedacht.1 Als Thinktank für didaktisches Material hat sich das grenzüberschreitende Zentrum Saint Avold2 etabliert. Qualifizierte Personalressourcen zu finden, stellt nicht nur auf der französischen Seite die größte Herausforderung dar. Da jedoch für die deutsch-französischen Abibac-Zweige das Problem der Personalausstattung erfolgreich gelöst wurde, sollte es ebenfalls möglich sein, für die Vor- und Grundschule diese nicht ganz neue Problematik bilateral aus der Welt zu schaffen. 3

      2.1.4 Kontakte mit den Partnereinrichtungen

      Dank dem Kontakt zu den Partnereinrichtungen soll den Kindern konkret und handlungsorientiert vorgeführt werden, wozu sie Deutsch lernen, damit das sprachliche und kulturelle Projekt mit Authentizität gefüllt wird. Angesichts des Alters der Kinder lassen sich außerhalb der Grenzregionen die Kontakte zu den Partnereinrichtungen nicht in situ organisieren. Sowohl klassische als auch moderne Medien werden zu Hilfe genommen: Zeichnungen, Bastelarbeiten, O-Ton- bzw. Videoaufnahmen, Skype, eTwinning-Projekte usw.

      2.2 Europa beginnt im Kleinen: Elysée-Kitas in München

      2.2.1 Implementierung beim Städtischen Träger

      In Absprache mit den jeweiligen Einrichtungen wurden im Oktober 2014 in zunächst fünf Kindertageseinrichtungen (Kitas) unter städtischer Trägerschaft für 3- bis 6-Jährige ohne Vorkenntnisse altersgerechte Aktivitäten auf Französisch angeboten. Hierfür wurde nach qualifizierten muttersprachlichen Lehrkräften mit Erfahrung in der Frühpädagogik gesucht. Auf der Basis einer öffentlichen Ausschreibung wird das Angebot seither durch den externen Dienstleister Institut Français in Form einer wöchentlichen sog. Schnupperstunde Französisch durchgeführt. Grundsätzlich für alle Kinder offen, beruht das Angebot auf Freiwilligkeit und ist dem Konzept der jeweiligen Häuser angepasst.

      Die hier gewählte Terminologie „Schnupperstunde“ bedarf einer Erklärung. In diesem Begriff kristallisiert sich das konzeptuelle Grundverständnis der Umsetzung beim städtischen Träger deutlich heraus. Entgegen der französischen Herangehensweise der école maternelle, die Regelmäßigkeit, Verbindlichkeit und Kontinuität als Leitlinie favorisiert, sollte die Schnupperstunde zunächst freiwillig besucht werden können, die freie Selbstbestimmung der Kinder trat in den Vordergrund. Bis zum Zeitpunkt der Datenerhebung hat sich das Konzept in den städtischen Kindertageseinrichtungen weiterentwickelt1, was die Autoren der vorliegenden Studie dazu führt, in den Handlungsempfehlungen dazu Stellung zu nehmen2.

      Ursprünglich sollten die Leistungen in folgenden fünf Einrichtungen im Stadtgebiet München erbracht werden:

       Sandstr. 22

       Corneliusstr. 17

       Himbselstr. 1

       Müllerstr. 5

       Stielerstr. 63

      Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der vorliegenden Studie blieb die Konstellation der teilnehmenden Einrichtungen weitgehend stabil. Aufgrund der positiven Resonanz des Pilotprojektes sind die wöchentlichen Module inzwischen in acht Kindertageseinrichtungen implementiert: Sandstr. 22, Corneliusstr. 17, Reitmorstr. 41, Müllerstr. 5, Lanzenstielweg 14, Dietzfellbingerplatz 7, Fallmerayerstr. 2 und Hort4 Nimrodstr. 2.

      Mit dem Institut Français wurde vertraglich festgelegt, wie viele 45-minütige Einheiten von Oktober 2018 bis Juli 2019 (d.h. für etwa ein Kindergartenjahr) für Kindergruppen mit max. zehn Kindern anzubieten waren. Die LH München subventionierte die Module, da dieses freiwillige fremdsprachliche Bildungsangebot für die Teilnehmenden frei von zusätzlichen Gebühren bleiben sollte. Je nach Kapazität und Resonanz in den jeweiligen Einrichtungen wurde der Umfang der Einheiten angepasst und auf verschiedene Kindergruppen aufgeteilt.

      Die Besonderheit der Kurse lag darin, auch Eltern zu beteiligen.5 Hiermit wird an die erwünschte Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern unter dem Aspekt angeknüpft, dass „sozial benachteiligte Familien und Migrantenfamilien in die Kindertageseinrichtung durch gezielte Ansprache und besondere Angebote“6 explizit eingebunden werden sollen. Wenn „ungünstigere Startchancen nicht genuin migrationsbedingt sind, sondern auf eine ungünstige sozialstrukturelle Position der Eltern