Nach dem Gespräch mit Bill begann ich, über Charaktereigenschaften von wirklich fähigen Führungspersönlichkeiten nachzudenken. Wo gab es Gemeinsamkeiten zu entdecken? In Gesprächen erfuhr ich von vielen persönlichen Erfahrungen. Menschen mit besonders bemerkenswerten Erfahrungen schaute ich mir genauer an. So entstanden die hier niedergeschriebenen 21 Führungseigenschaften, die allen herausragenden Führungskräften gemeinsam waren. Sie sind nun hier in diesem Buch genau beschrieben und bieten damit ein Pendant zu dem Buch Leadership.
Wenn Sie nun mit dem Lesen dieses Buches starten, können Sie es sicherlich ohne Probleme mit einem Mal durchlesen. Oder Sie legen es gleich wieder beiseite. Bitte tun Sie es nicht. Dieses Buch ist dafür gedacht, dass man damit so arbeitet, wie Bill Freeman es schon beschrieben hat: systematisch sich mit dem Inhalt auseinander setzen.
Ich möchte Sie dazu ermutigen, eine Zeit lang mit diesem Buch zu leben. Lesen Sie immer nur ein Kapitel und nehmen Sie sich die Zeit dafür, sich innerlich damit zu beschäftigen. Denken Sie darüber nach, halten Sie einen Rückblick und verändern Sie Dinge. Sollten dabei persönliche Schwächen aufgedeckt werden, setzen Sie sich damit auseinander, bevor Sie zum nächsten Kapitel übergehen. Vielleicht sind Sie daran interessiert, das Ganze in bestimmten Zeitabständen im Laufe eines Jahres zu wiederholen. Daher ist es wichtig, sich nicht nur seine persönlichen Charaktereigenschaften vor Augen zu halten, sondern daran zu arbeiten.
Alles steht und fällt mit der Führungsverantwortung. Echte Führungsverantwortung kann nur aus dem Inneren heraus entwickelt werden. Wenn Sie sich innerlich beginnen zu verändern, werden Sie es auch nach außen hin tun. Man wird sich Ihnen anvertrauen. Dann sind Sie in der Lage, alles anzupacken.
Ich bedanke mich bei allen Mitarbeitern vom Verlag Thomas Nelson, die sich so intensiv für mich und mein Buch eingesetzt haben.
Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern von INJOY – Linda Eggers, meiner Verwaltungsassistentin; Brent Cole, meinem wissenschaftlichen Assistenten und Stephanie Wetzel, meiner Lektorin –, sie alle haben es geschafft, das Beste herauszuholen.
Vielen Dank auch an Charlie Wetzel, der mit viel Zeitaufwand dieses Buch unterstützt hat.
1
Charakter
ist wie Felsgestein
Führungsverantwortung beinhaltet die Fähigkeit, Männer und Frauen zusammenzuschweißen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen und hat die Eigenschaft, Vertrauen zu schaffen.
BERNARD MONTGOMERY
ENGLISCHER FELDMARSCHALL
Handle niemals um des lieben Friedens willen gegen die persönliche Überzeugung.
DAG HAMMERSKJÖLD
UN-GENERALSEKRETÄR UND FRIEDENSNOBELPREISTRÄGER
Alles auf eine Karte setzen
Wer schon mal von kleineren Flughäfen startet oder Kurzstrecken fliegt, der kennt sie: die Lear Jets. Vor einiger Zeit war ich auf einer solchen Maschine gebucht und das war durchaus eine interessante Erfahrung. Diese Maschinen sind klein, können nur fünf bis sechs Passagiere aufnehmen, sind aber sehr schnell. Man fühlt sich wie in einer Röhre, die mit Triebwerken ausgestattet ist.
Es hat mir viel Spaß gemacht, mit dem Lear Jet zu fliegen. Aber richtig begeistert war ich von der Zeitersparnis. Buchstäblich Millionen von Kilometern bin ich mit Flugzeugen unterwegs gewesen, und an lange Wege zum Flughafen, Rückgabe von Mietwagen, Flughafenzubringer, übliche Staus und scheinbar endlose Verspätungen gewöhnt. So etwas kann ein richtiger Albtraum sein. Mit dem Lear Jet reduziert man die Reisezeit auf die Hälfte.
Der Vater dieses wunderbaren Flugzeuges war ein Mann namens Bill Lear. Lear hielt als Erfinder, Flieger und Geschäftsmann mehr als 150 Patente, darunter das für den Autopiloten, für das Autoradio und das 8-Spurtonband (da muss man schon etwas für tun). Lear war ein Pionier. In den Fünfzigerjahren entwickelte er die Idee, kleine, leistungsstarke Flugzeuge zu bauen. Es dauerte mehrere Jahre, bis er seinen Traum Wirklichkeit werden lassen konnte. 1963 startete der Lear Jet zum Jungfernflug. 1964 verkaufte Lear seinen ersten Flieger.
Lears Erfolg kam plötzlich, und schnell verkaufte er einige Flugzeuge. Doch schon nach kurzer Zeit stürzten zwei seiner Jets unter seltsamen Umständen ab. Lear war schockiert. 55 Flugzeuge hatte er bereits verkauft. Deshalb informierte Lear sehr rasch die Besitzer darüber und bat sie, ihre Maschinen nicht mehr zu benutzen, bis seine Leute und er die Ursache für die Abstürze herausgefunden hatten. Der Gedanke, dass noch mehr Menschenleben in Gefahr sein könnten, war ausschlaggebend für diese Entscheidung, weniger die negative Presse, die das Geschehen in die Öffentlichkeit trug.
Bei der Prüfung der verunglückten Maschinen entdeckte Lear ein grundlegendes Problem. Aber er konnte nicht den ursächlichen, technischen Fehler entdecken. Um ihn herauszufinden, sah er nur einen Weg: selbst in die Maschine zu steigen.
Das war eine lebensgefährliche Angelegenheit, aber er tat es. Während des Fluges verlor er fast die Kontrolle über das Flugzeug. Beinahe hätte ihn das Los der anderen beiden Piloten getroffen. Aber es gelang ihm, die Tests durchzuführen und den Fehler zu finden. Lear führte eine technischen Neuerung ein, um das Problem in den Griff zu bekommen. Er baute alle 55 Flugzeuge entsprechend um, um weitere Gefahren auszuschließen.
Lear verlor dadurch eine Menge Geld. Viele potenzielle Kunden waren verunsichert. Erst nach zwei Jahren kam das Geschäft wieder in Schwung. Aber niemals bedauerte Lear seine Entscheidung. Er war bereit, seinen Erfolg, seine Zukunft und auch sein Leben zu riskieren, um herauszufinden, was die Ursache dieser seltsamen Abstürze war – nicht aber seine Integrität. Das ist wahre Charaktergröße.
Zum Verdeutlichen
Wie eine Führungskraft auf diverse Lebensumstände reagiert, sagt einiges über deren Charakter aus. Das bedeutet aber nicht, dass Krisen notwendig den Charakter formen, vielmehr zeigt sich oft erst in Krisensituationen der wahre Charakter. Schwierige Lebenssituationen sind manchmal wie eine unbekannte Kreuzung. Man muss sich entscheiden, welchen Weg man einschlagen soll. Entweder man bleibt sich treu oder man schließt Kompromisse. Seinen Grundsätzen treu bleiben stärkt die Persönlichkeit, auch wenn es häufig negative Folgen mit sich bringt. Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn ist sich sicher: „Der Sinn der irdischen Existenz liegt nicht in einer Gewinnmaximierung, sondern im seelischen Wachstum.“ Die Persönlichkeitsentwicklung ist der Kern unseres seelischen Wachstums, nicht nur eine Stützmauer, sondern die Grundlage.
Was sollte jeder über die Persönlichkeit wissen?
1. Persönlichkeit ist mehr als rhetorische Begabung
Von Rechtschaffenheit kann jeder reden, entscheidend aber ist das Handeln. Man selbst bestimmt die Sicht der Dinge und die Art des Handelns. Denken und Handeln einer Führungspersönlichkeit kann man nicht voneinander trennen. Widersprechen sich Reden und Handeln beständig, sollte man dringend nach den Ursachen forschen.
2. Fähigkeiten sind ein Geschenk, aber für die Persönlichkeit ist man selbst verantwortlich
Vieles im Leben können wir nicht selbst bestimmen. Unsere Eltern haben wir uns nicht ausgesucht. Den Geburtsort und die Methode, mit der wir erzogen wurden, haben wir nicht ausgewählt. Unsere Fähigkeiten und unsere Intelligenz haben nicht wir festgelegt. Aber die Persönlichkeitsentwicklung liegt in unseren Händen. Unsere Persönlichkeitsstruktur bestimmt unsere Entscheidungen. Sich einer schwierigen Situation entziehen oder sich ihr stellen, die Wahrheit fälschen oder sich ihr beugen, schnelles Geld zu verdienen oder den angemessenen Preis zu zahlen, liegt in unserem Ermessen. Beständige Persönlichkeitsentwicklung bedeutet bewusst leben und Entscheidungen zu treffen.
3. Persönlichkeit sorgt für Vertrauen
Wahre Führungsfähigkeit