Im Text sind alle Materialien, die online zur Verfügung gestellt werden, mit einem Hinweis »Online-Material« gekennzeichnet.
Übersicht der Online-Materialien
3.a Interpersonales Kreismodell mit Kommunikationsstilen
3.b Checkliste Erstgespräch
4.a Vierfelderschema zur Problemveränderung
5.a Biopsychosoziale Problemübersicht
5.b Netzwerkkarte
5.c Ressourcenkarte
5.d Kognitive Umstrukturierung der Erwartungen
6.a Kontrakt über Ziele
7.a Modus-Memo
7.b Imagination
9.a Wochenprotokoll der Aktivitäten
9.b Notfallplan
10.a Zielerreichungsskala
13.a Vorlage Falldokumentation 1
13.b Vorlage Falldokumentation 2
13.c Vorlage Falldokumentation 3
13.d Vorlage Falldokumentation 4
13.e Vorlage Falldokumentation 5
13.f Vorlage Falldokumentation 6
13.g Vorlage Supervisionsbogen
1 Grundlagen psychosozialer Beratung
Was Sie in diesem Kapitel lernen können
Psychosoziale Beratung hat ihr Profil historisch entwickelt. Ein historischer Rückblick in die Geschichte der Beratung ermöglicht es, die eigene Beratungstätigkeit im Kontext der aktuellen sozialpolitischen Bedingungen besser zu verstehen. Psychosoziale Beratung hat zwar einen stärkeren Bezug zum Alltag und zum sozialen Netzwerk der Klientel, als es bei der Psychotherapie der Fall ist, jedoch weisen beide Tätigkeitsfelder erhebliche Überschneidungen auf. Deshalb kann die Praxis der psychosozialen Beratung von den schulenspezifischen Konzepten der Psychotherapie profitieren. Allerdings erfordern die vielfältigen Problemlagen der Klientinnen und Klienten die Überwindung einer einseitig ausgerichteten Orientierung an einer spezifischen Beratungsschule mit dem Ziel der Hinwendung zu einer integrativen Beratungskonzeption. Damit wird der Blick für die Faktoren geöffnet, die in der Beratung effektiv wirken. Dieses Kapitel beschäftigt sich
• mit der historischen Entwicklung der Beratung, um die eigene Beratungstätigkeit kritisch im Wandel der sozialpolitischen Bedingungen reflektieren zu können. Die historische Betrachtung der Beratung trägt dazu bei, die eigene Beratungstätigkeit im historischen Wandel zu verstehen;
• mit den grundlegenden Begriffen im Kontext der Beratung, insbesondere mit der Unterscheidung zwischen Beratung und Psychotherapie. Psychosoziale Beratung hat einen ausgeprägten Bezug zum sozialen Netzwerk der Klientel und versteht sich als Hilfe zur Bewältigung des Alltags. Dafür sind eine handlungsfeldspezifische Wissensbasis und feldübergreifende kommunikative Basiskompetenzen notwendig, die je nach den Erfordernissen des Beratungsfeldes klientenzentriert in eine Balance zu bringen sind;
• mit den schulenspezifischen Konzepten der Psychotherapie, von denen psychosoziale Beratung in der Praxis stark profitieren kann. Dabei haben sich insbesondere Konzepte aus der gesprächspsychotherapeutischen, der kognitiv-verhaltenstherapeutischen, der psychodynamischen und der systemischen Beratung bewährt. Wegen der häufig multidimensionalen Problemlage der Klientel psychosozialer Beratung reichen einseitig ausgerichtete schulenspezifische Ansätze allerdings nicht aus, sondern erfordern eine Integration unterschiedlicher Methoden und Techniken aus verschiedenen ›Beratungsschulen‹;
• mit den generellen Wirkfaktoren der Beratung, die hauptsächlich in der schulenübergreifenden Forschung zur Psychotherapie gewonnen wurden: professionelle Arbeitsbeziehung, gründliche Analyse zur Klärung der Probleme, Erarbeitung von Beratungszielen, Motivation des Klienten/der Klientin, Problemaktualisierung, Ressourcenaktivierung, Hilfe zur Problemlösung, Evaluation mit kritischer Reflexion der Ergebnisse.
1.1 Die Geschichte der Beratung
Anne de la Motte
1.1.1 Warum es Sinn machen kann, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit psychosozialer Beratung und beschreibt diese aus heutiger Perspektive mit ihren aktuellen Möglichkeiten und Herausforderungen. Dabei fällt auf, dass es eine unüberschaubare Anzahl wissenschaftlicher Ansätze und Beratungspraxen gibt. Die folglich entstandene Diversität und Flexibilität in der Ausgestaltung der Beratung ist allseits bekannt und wird an verschiedener Stelle artikuliert (u. a. von Engel 2003; Engel, Nestmann & Sickendiek 2007; McLeod 2004; Nestmann 2007; Nestmann, Sickendiek & Engel 2007; Sickendiek, Engel & Nestmann 2008; Schrödter 2013). Dank ihrer Vielseitigkeit kann Beratung relativ unkompliziert den jeweiligen Bedürfnissen angepasst werden, ist jedoch für Ratsuchende oder noch unerfahrene Theoretiker/Theoretikerinnen schwer durchschaubar. Daher erscheint es sinnvoll, sich mit der Gründung der ersten Beratungseinrichtungen und mit ihrer weiteren Entwicklung bis hin zur heutigen Vielfalt zu beschäftigen. Erst hierdurch können historisch gewachsene Überzeugungen und Handlungsweisen für die gegenwärtige Beratungsarbeit und mögliche Zukunftsperspektiven nachvollzogen werden. Dabei lässt sich erahnen, dass auch die Wurzeln der Beratungsansätze und -institutionen vielfältig sind und unterschiedlich tief reichen. Diese Wurzeln lassen sich hier jedoch nicht in aller Vollständigkeit darstellen. Stattdessen soll im Folgenden anhand einzelner, beispielhaft gewählter Beratungsinstitutionen und eigenständiger Beratungsfelder ein kurzer Überblick über die allgemeine Entwicklung der Beratungslandschaft in der Bundesrepublik Deutschland vermittelt werden. Zur Begrenzung des Umfangs der Darstellung werden die Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik sowie die internationale Geschichte der Beratung nicht behandelt. Beispielhaft für die internationale Entwicklung von Beratung sei auf die Entwicklung und das heutige Beratungsverständnis in den Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien verwiesen, u. a. nachzuvollziehen bei McLeod (2004) oder Nestmann (1997).
Professionelle Beratung lässt sich unterschiedlich einordnen, als Querschnittsaufgabe verschiedener Berufsgruppen, als Arbeitsgebiet eines eigenen Berufsstandes, als vollständige oder partielle Aufgabe einer Einrichtung oder als Synonym für ein spezifisches Beratungsgespräch (Großmaß 2000; Thiersch 2007; Sickendiek, Engel & Nestmann 2008). Des Weiteren lässt sich Beratung innerhalb des sozialen Sektors als sozial, pädagogisch, psychologisch oder psychosozial kategorisieren (Sickendiek, Engel & Nestmann 2008). Die Einordnung hängt zum einen davon ab, zu welchem Zeitpunkt eine Beratungsstelle und ihre umgesetzte Beratungsarbeit betrachtet werden, beispielsweise in den 1920er Jahren oder den 1970er Jahren. Zum anderen liegt die Einordnung jedoch auch im Auge des/der Betrachters/Betrachterin und dessen/deren Kriterien. Dies soll beispielhaft an der Institution der Erziehungsberatungsstelle veranschaulicht werden. Nach Gröning (2009, 2010) handelt es sich um pädagogische Beratung, da junge Menschen im Fokus stehen. Schröder wiederum bezeichnet Erziehungsberatung als eines von mehreren »›klassischen‹ psychologischen Beratungsfeldern« (Schröder 2007, 50), da sie hauptsächlich von Psychologen umgesetzt wird. Und nach Großmaß (2000) ist Erziehungsberatung mit der Übernahme psychologischer Konzepte