Der Krieg. Ilja Steffelbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ilja Steffelbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783710601385
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sind nicht abgeneigt, rasch richten einige ihr Mäntelchen nach dem neuen Wind: „Wir sind weder zusammengekommen, um gegen den Großkönig Krieg zu führen, noch sind wir gegen ihn ins Feld gezogen,“ rechtfertigt sich ausgerechnet Klearchos. Kyros habe sie getäuscht, doch verbot es die Ehre, ihn in der Schlacht in Stich zu lassen. Nun, noch knapper als an „im Stich lassen“, wie durch Klearchos Wandertag, während sein Auftraggeber von der Leibgarde des Großkönigs zerstückelt wurde, kann man eigentlich nicht vorbeischrammen.

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      Söldner haben immer Konjunktur: Die französische Fremdenlegion erscheint da beinahe bieder, verglichen mit neuen „Sicherheitsunternehmen“ wie Blackwater.

       Die beste Schlacht, das weiß jeder erfolgreiche Condottiere, ist die, bei der man tapfer zu kämpfen scheint, dabei aber nie wirklich in Gefahr ist.

      Die Indizien verdichten sich, dass hier ein doppeltes Spiel aufgeführt wurde. Tissaphernes und die Söldnerführer einigen sich darauf, dass den Griechen freier Abzug gewährt wird und ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich zu versorgen. Im Gegenzug sollen sie nicht plündern und auch sonst keine Schäden verursachen. Doch nach seiner Abreise, um den Großkönig diese Einigung zu überbringen, lässt der Perser sie warten. Zwanzig Tage sitzen sie in der Ebene Mesopotamiens fest, in ihrer Bewegung durch Bewässerungskanäle eingeschränkt, die – unüblich für die Jahreszeit – voller Wasser sind. Doch dann kehrt Tissaphernes zurück und der Marsch beginnt, begleitet von den üblichen Reibereien eines Heerzuges. Es gibt Schlägereien beim Holzsammeln, Streit um den Zugang zu Wasser und, wie immer, die Marktpreise. Das nächste seltsame Ereignis: Als sie an einigen Dörfern vorbeikommen, die zu den Ländereien der Mutter des Kyros gehören, überlässt Tissaphernes sie den Griechen zu Plünderung. Sie zögern keinen Moment. Tissaphernes kann das leicht als einen bedauerlichen Zwischenfall mit ausländischen Raufbolden hinstellen, Parysatis, die noch den Tod ihres Lieblingssohnes betrauert, wird die Spitze schon verstanden haben. Klearchos versucht sich inzwischen bei Tissaphernes beliebt zu machen. Ein guter Söldnerführer ist immer auf der Suche nach dem nächsten, finanziell potenten Auftraggeber, und Tissaphernes ist der kommende Mann in Kleinasien. Immerhin hat ihm der Großkönig eine seiner Töchter zur Frau gegeben. Klearchos ist klar, dass er, wenn er die außergewöhnlich große Söldnerarmee zusammenhalten kann, ein Machtfaktor in der Region werden könnte, was vor allem bedeutet: unendlich reich. Klearchos, so schreibt Xenophon eindeutig, wünschte, dass das ganze Heer sich ihm zuwende. Doch dazu muss er sicherstellen, dass die Unterführer und ihre Männer Aussicht auf einen weiteren lukrativen Auftrag unter seiner Führung haben, sonst suchen sie vielleicht auf eigene Faust ihr Glück anderswo. Klearchos braucht Tissaphernes. Doch braucht dieser ihn? Er lässt es zumindest durchblicken und mit diesem dünnen Versprechen versucht Klearchos den Coup in der Armee. Er lockt die griechischen Anführer, die sich ihm noch widersetzen, zu einer Unterredung in das Lager der Perser und lässt sie dort ermorden. Doch auch Klearchos ist am Ende dieser Nacht der langen Messer tot. Eine Gehaltsverhandlung, die aus dem Ruder gelaufen ist? Tissaphernes hat sich als der erfolgreichere Intrigant erwiesen. Als persische Unterhändler im Lager der Griechen erscheinen, um ihre Kapitulation zu verlangen, macht dann ausgerechnet ein kulturelles Missverständnis die Pläne des Tissaphernes zunichte: In der orientalischen Tradition sieht er die Söldner als „Sklaven“, als Untertanen, Hörige, Gefolgsleute des Klearchos und ihrer Anführer. Durch seinen Enthauptungsschlag meint er, ihnen jede weitere Motivation genommen zu haben, hofft vielleicht, dass sie ihre Loyalität einfach auf ihn übertragen. Die Griechen indes sehen sich als Gleiche, ihre Anführer nur als die Besten, oder die Besten halt, die man gerade hatte, und wählen flugs neue Kommandanten. Einer von ihnen wird der Athener Xenophon sein, Chronist der Geschichte und nicht unwesentlich mitverantwortlich, dass die Zehntausend den Weg nach Hause finden werden. Er selbst schafft den Absprung, läuft zu den Spartanern über und widmet sich der Schriftstellerei. Sein abschließendes Urteil über Klearchos: Ein harter, aber fähiger Kommandant, nur zu sehr verliebt in seine Rolle als Krieger; einer, der nach dem langen Krieg nicht mehr in die zivile Welt zurückgefunden hat. Material, aus dem zu allen Zeiten Söldner gemacht werden. Die wenigsten kaufen irgendwann den Bauernhof, von dem sie zeitlebens vielleicht fantasiert haben.

       Nachlese

      Die „Anabasis“ des Xenophon liegt in zahlreichen Ausgaben und Übersetzungen vor. Manche Leserin und mancher Leser hat vielleicht noch seine alte griechische Schulausgabe im Bücherschrank. Wer seine Kenntnisse der alten Sprachen auffrischen will, ist mit einer zweisprachigen Edition, wie der bei Artemis & Winkler 1994, gut beraten. Natürlich ist der Klassiker auch online heute leicht zu finden. Das gegenwärtig maßgebliche Werk zu den griechischen Söldnern ist Matthew Trundles: „Greek Mercenaries from the Late Archaic Period to Alexander“ bei Routledge 2004 erschienen. Interessante Überlegungen zu den Motivlagen und zum möglichen Verlauf der Schlacht von Kunaxa finden sich bei Jeffrey Rop: „All the Kings Greeks: Mercenaries, Poleis, and Empires in the Fourth Century BCE“ Dissertation Penn. State 2013 und bei Harvey F. Miller: „The Practical and Economic Background to the Greek Mercenary Explosion“ in Greece & Rome 31.2 (1984) S. 153–160.

      Carneiros Theorie zum Ursprung der altorientalischen Staaten findet sich in: Carneiro, R. L.: „A Theory of the Origin of the State”. Science. 169 (3947) 1970; S. 733–738 und ist seitdem viel diskutiert worden. Auf die griechischen Verhältnisse angewandt, wird die Theorie in dem Beitrag von Berent Moshe: „Greece: The Stateless Polis (11th–4th Centuries B.C.)“ in: Grinin L. E. u.a. (Hg.): „The Early State, Its Alternatives and Analogues“ (Volgograd 2004 ), S. 364–387 bzw bei: E. van der Vliet: „Polis. The Problem of Statehood“ in Social Evolution & History 4(2), September 2005, S. 120–150. Wer sich für die inneren Verhältnisse der Poleis und Stadtstaaten allgemein interessiert, dem seien die Veröffentlichungen des Kopenhagen Polis Center – mehrheitlich unter der Federführung von Mogens Herman Hansen – ans Herz gelegt. Die enge Beziehung zwischen Kriegsführung, bäuerlichem Leben und politischer Beteiligung schildert Victor Davis Hanson: „Warfare and Agriculture in Classical Greece“ University of California Press, 1983, der auch weitere Werke zu diesem Themenkomplex verfasst oder herausgegeben hat.

      Von rezenten Komikverfilmungen der Konfrontation zwischen Persern und Griechen ist eher abzuraten. Das Mittelmeer ist gewiss nicht Mittelerde und Gut und Böse sind selten so einfach an ihrem Äußeren zu erkennen, geschweige denn einer Seite in einem Krieg zuzuordnen. Wer den zweifellos vorhandenen Schauwert der „300“ trotzdem genießen möchte, kann als Antidot Aischylos „Perser“ lesen, in dem der Zeitgenosse dem Feind mehr Menschlichkeit und Anstand zugesteht, als es Hollywood anscheinend bewerkstelligen kann. Oliver Stones „Alexander“ zeigt die Schlacht von Gaugamela, für die Kunaxa sozusagen die Generalprobe war, in recht beeindruckenden Bildern, wurde aber wegen der Besetzung und deren schauspielerischen Leistung von der Kritik eher verrissen.

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