Gregorsbriefe. Gregor Schorberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gregor Schorberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783957712844
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und erzählte mir glücklich, dass sein Sohn in Deutschland Ingenieurwissenschaft studierte. Während der drei Monate harter Anstreicherarbeit beglückte mich die Hin- und Rückfahrt von St. Rémy nach Montbard mit dem Fahrrad am Kanal entlang. Wie oft sind wir, Papa, gemeinsam bis zu unserem Schrebergarten am Rhein-Herne-Kanalweg entlanggegangen. Ohne über meinen Weggang zu klagen, berührte es mich tief, in Deinem zweiten Brief nach Frankreich die Zeile zu lesen: »Seit Du fort bist von hier, trage ich Deinen dunkelblau gestreiften Pullover. Du glaubst nicht, wie gut er mir passt, brauch’ jetzt nicht mehr die Jacke im Schrebergarten.«

      Gespannt sah ich Ende Februar 1971 dem bald beginnenden Noviziat in Nordspanien am Rande der Pyrenäen entgegen – dank dem Vorbild der Kleinen Theresia von Lisieux, der ich anvertraute, dass ich in dieser Gemeinschaft der Kleinen Brüder Jesu am richtigen Ort in meiner Nachfolge Jesu war. Sagt sie doch, dass wir Gott in seiner Herrlichkeit schauen und erfahren werden, vor allem seine Frohe Botschaft, die er denen verheißen hat, die ihn in Christus lieben. Vor der Abreise ins Noviziat nach Farlete hatte ich in der ersten Märzwoche 1971 noch fünf Tage Heimaturlaub, bei dem ich überglücklich war, die geliebte Familie wieder zu sehen.

      Vom Novizenmeister Bruder Daniel de la Fressange, einer großen Gestalt mit durchdringendem Blick und adliger Herkunft, erfuhren wir Postulanten, dass das Noviziat der Meditation, Kontemplation und geistlichen Betrachtung der Schriften von Charles de Foucauld und Père René Voillaume diente. In Farlete arbeiteten wir deshalb nur halbtags. Seit 1968 kirchlich anerkannt, breitete sich die Gemeinschaft über die ganze Welt aus. Sie ist eng mit den Kleinen Schwestern Jesu verbunden, die sich wenige Jahre später 1946 gründeten und heute ebenfalls international vertreten sind. Im Noviziat war der Kontakt zur Außenwelt auf ein Minimum beschränkt.

      Ich war jedoch erst einmal nach der Ankunft im kleinen Dorf Farlete nahe der Großstadt Zaragossa vor allem von der Blütenpracht in karger wüstenähnlicher Landschaft überwältigt. Freute ich mich mit Dir, Papa, in jedem Frühling über jede neu entstandene Blüte in unserem Garten, so half mir hier die malerische Landschaft, mich von der Last des Alltags zu befreien. Im Gegensatz zu meinen Brüdern, die Steine von den Feldern der Bauern wegräumten, hatte ich die kleine Herde der Schweine des Bauern zu hüten. Der Beginn meines vegetarischen Lebens in einer sympathischen Verbundenheit zu meinen Schwestern und Brüdern, den Schweinen, wie Franz von Assisi sagen würde, rief in der Fraternität Befremden und Verwunderung hervor. Dennoch wurde ich mit fünf Postulanten Ende März 1971 feierlich während eines Gottesdienstes in das Noviziat aufgenommen. Zuvor verweilten wir zehn Tage zu Exerzitien in den Pyrenäen. Trotz aller Härte dachte ich wieder an Marlenes Gedichtzeile von Herrmann Hesse: »Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und hilft zu leben.«

      Nein, nicht die mir ans Herz gewachsenen Schweine, noch die faszinierend tiefschwarzen Kaulquappen, die ich bei zunehmender Sonne im Mai von einer ausgetrockneten Pfütze in die nächst größere trug, waren der Grund für Daniels Zweifel an meinem Verbleib in Farlete, sondern die vielen Briefe aus Karnap. Er verbot mir, selbst Briefe von Mitbrüdern aus Annemasse zu beantworten, auch nicht vom Bruder Noi aus Ho-Chi-Minh-Stadt, den ich in St. Rémy kennengelernt hatte und seitdem mit ihm in Brieffreundschaft verbunden war. Nach zwei Monaten stellte Bruder Daniel fest, dass ich mich nicht verändert, sondern wegen Eurer vielen Briefe, wie er sagte, »meine Heimatstadt Essen nach Farlete ins Noviziat geholt hätte«, was eben seiner Meinung nach nicht ging. Er sah meinen Verbleib im Noviziat als gefährdet an.

      Damals war ich zu sehr von meinem Leben in der Gemeinschaft der Kleinen Brüder Jesu überzeugt, als dass mich Daniels Aussagen beunruhigt hätten. Daher sagte ich ihm, der an einen Krankenorden für mich dachte, dass keine andere Ordensgemeinschaft für mich infrage käme. Dennoch blieb ich nach Daniels Mitteilung nur noch zwei Monate, bis zum Juli 1971, im Noviziat. Ich nahm unverändert gerne am religiösen Leben teil, ging meiner Arbeit als Schweinhirt nach und genoss die Exerzitien-Tage in den Grotten der Pyrenäen.

      Um die spirituellen Anforderungen der Kleinen Brüder wissend, der Menschenkenntnis und Fürsorge kundig, verabschiedete mich Bruder Daniel Anfang Juli 1971 vorzeitig aus dem Noviziat, nicht ohne für meine Zukunft gesorgt zu haben.

      Er fand, ich sollte erst mal Theologie studieren, nicht, wie die Eltern es wollten, in ihrer Nähe in Bochum, sondern in der von Essen weit entfernten Stadt Freiburg. Daniels unausgesprochene Empfehlung, die in der Ordenszeit begonnene Abnabelung von zu Hause über ein Universitätsstudium selbstbewusst und selbsttätig fortzusetzen, war für mich, Papa, zukunftsweisend. Noch in Spanien begann ich, Abschied von meinem Wunsch eines ideellen kontemplativen Lebens zu Gunsten eines caritativen Lebens »mitten in der Welt« zu nehmen, und letztlich ebneten diese tränenreichen Schritte mir den Weg zu meinem bevorstehenden Coming-out als schwuler Mann.

      In Gedanken an Deine vielseitigen Ausbildungswege verabschiede ich mich für heute aus dem Kloster in der Adventszeit 2016, diesmal aus der Abtei St. Matthias in Trier

      mit einem herzlichen Gruß.

      Dein Sohn Gregor

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