2. Ich habe einiges wenige daraus angeführt, um eine richtige Vorstellung von der erfindungsreichen und das Leben fördernden Begabung der Barbaren zu geben, von denen die Griechen für ihre Hantierungen Nützliches gelernt haben.
3. Wenn aber jemand Ungünstiges von der Sprache der Barbaren sagt, so erinnere ich an das Wort des Anacharsis: „Für mein Gefühl sprechen alle Griechen skythisch.“423
4.Das ist der Mann, der bei den Griechen viel bewundert wurde, der sagte: „Meine Kleidung ist ein Wollmantel, meine Nahrung Milch und Käse.“424 Daran kannst du sehen, daß die Philosophie der Barbaren Werke zu lehren verheißt, nicht Worte.
78.
1. Der Apostel aber sagt: „So steht es auch mit euch: Wenn ihr mit eurer Sprache kein verständliches Wort von euch gebt, wie soll dann das Gesprochene verstanden werden? Ihr werdet einfach in den Wind reden. Es gibt wer weiß wie viele verschiedene Sprachen auf der Welt, und keine von ihren Arten ist ohne Worte mit einem bestimmten Sinn; wenn ich nun die Bedeutung eines solchen Wortes nicht kenne, so werde ich für den Sprechenden ein Fremdling sein und ebenso der Sprechende ein Fremdling für mich.“ Und: „Wer in Zungen redet, der bete darum, daß er es (auch) auslege.“425
2. Wirklich erst spät kam zu den Griechen die Unterweisung in der richtigen Verwendung der Worte und die Veröffentlichung des Gesprochenen durch die Schrift.
3. So verfaßte Alkmaion, der Sohn des Peirithoos, aus Kroton zuerst ein Buch über die Natur.
4. Nach den Angaben anderer gab zuerst Anaxagoras,426 der Sohn des Hegesibulos, aus Klazomenai ein Buch durch die Schrift an die Öffentlichkeit.427
5.Andererseits schuf Terpandros von Antissa zuerst Melodien zu den Gedichten428 und setzte die Nomen der Lakedämonier in Musik; Lasos von Hermione erfand den Dithyrambos, Stesichoros von Himera den Hymnos, Alkman von Lakedämon das Chorlied, Anakreon von Teos die Liebeslieder, Pindaros von Theben das Tanzlied, und Timotheos von Milet ließ zuerst Nomen im Chor und mit Kitharabegleitung singen.
79.
1. Ferner erfand den Iambos Archilochos von Paros, den Hinkiambos Hipponax von Ephesos, und die Tragödie Thespis von Athen, die Komödie Susarion von Ikaria.
2. Die Zeiten dieser Männer verzeichnen die Grammatiker; es wäre aber zu umständlich, diese Zeiten im einzelnen genau anzugeben, wenn doch alsbald gezeigt werden wird, daß Dionysos selbst, dem zu Ehren doch die Dionysischen Schauspiele stattfinden, jünger als Moses ist.429
3. Ferner soll die schulmäßige Beredsamkeit und die Stilunterschiede der Rhetorik erfunden und zuerst gegen Bezahlung die Verteidigung übernommen haben, indem er eine Gerichtsrede auf Bestellung verfaßte, Antiphon, der Sohn des Sophilos, aus Rhamnus, wie Diodoros sagt.430 Apollodoros von Kyme führte zuerst den Namen Grammatiker an Stelle von der (früheren) Bezeichnung Kritiker ein und ließ sich selbst Grammatiker nennen; einige sagen dies aber von Eratosthenes von Kyrene, weil dieser zwei Bücher mit dem Titel „Grammatisches“ herausgab. Grammatiker in dem Sinn, wie wir jetzt das Wort gebrauchen, wurde zuerst Praxiphanes, der Sohn des Dionysophanes, von Mitylene genannt.431
4. Zaleukos von Lokroi soll der Überlieferung nach zuerst Gesetze gegeben haben nach anderen Minos, der Sohn des Zeus, zur Zeit des Lynkeus.
5. Dieser lebte, wie wir nur wenig später zeigen werden,432 nach Danaos im elften Menschenalter nach Inachos und Moses.
6. Lykurgos, der viele Jahre nach der Einnahme von Ilion lebte, gibt hundert Jahre vor dem Beginn der Olympiadenzählung den Lakedämoniern Gesetze. Solons Zeit haben wir ja schon früher genannt.433
80.
1. Drakon aber, der gleichfalls Gesetzgeber war, lebte, wie feststeht, um die 39. Olympiade.434
2. Antilochos wiederum, der Verfasser einer Geschichte der Gelehrten, rechnet von der Zeit des Pythagoras bis zum Tode des Epikuros, der während des Archontats des Pytharatos, und zwar am 10.Gamelion, eintrat, im ganzen 312 Jahre.435
3. Ferner soll das epische Versmaß, den Hexameter, Phanothea, die Gattin des Ikarios, oder nach anderen Themis, eine der Titaniden, erfunden haben.
4. Didymos aber berichtet in seinem Werk über die Pythagoreische Philosophie, daß Theano von Kroton zuerst von allen Frauen Philosophie getrieben und Gedichte verfaßt habe.436
5. Nun erfaßt die griechische Philosophie, wie die einen sagen, durch Zufall die Wahrheit bis zu einem gewissen Grade, freilich nur undeutlich und nicht in vollem Umfange; wie aber andere behaupten, verdankt sie ihre Entstehung dem Teufel. Einige haben auch angenommen, daß gewisse untergeordnete Mächte die gesamte Philosophie eingegeben haben.437
6. Aber wenn auch die griechische Philosophie die Wahrheit nicht in ihrer ganzen Größe erfaßt und außerdem nicht die Kraft hat, die Gebote des Herrn zu erfüllen, so bereitet sie doch wenigstens den Weg für die im höchsten Sinn königliche Lehre, indem sie irgendwie zum Nachdenken veranlaßt, die Gesinnung beeinflußt und zur Aufnahme der Wahrheit geeignet macht.438
XVII. Kapitel
81.
1. Allerdings sagt man, es stehe geschrieben: „Alle, die vor der Ankunft des Herrn gekommen sind, sind Diebe und Räuber.“439 Nun faßt man zunächst den Ausdruck „alle“ für die, von denen hier die Rede ist, nämlich die Menschen vor der Fleischwerdung des Logos, zu sehr als ganz allgemein gesagt auf.
2. Aber die Propheten, die ja von dem Herrn gesandt und mit seinem Geist erfüllt wurden, waren doch keine Diebe, sondern Diener.
3. Die Schrift sagt ja: „Die Weisheit sandte ihre Diener aus und lud mit lautem Heroldsruf ein zu einem Mischkrug Weins.“440
4. Die Philosophie wurde aber nicht vom Herrn gesandt, sondern kam, so ist jenes Schriftwort zu verstehen, entweder als ein gestohlenes oder von einem Dieb geschenktes Gut, mag es nun eine Macht oder mag es ein Engel gewesen sein, der von der Wahrheit etwas kennengelernt hatte, aber nicht in ihr geblieben war, und nun die Lehren der Philosophie den Menschen vermittelte und das, was er selbst entwendet hatte, lehrte. Dabei darf man nicht annehmen, daß der Herr dies nicht gewußt hätte, er, der doch das Ende alles Zukünftigen bereits vor Erschaffung der Welt, und bevor jedes einzelne wurde, erkannt hatte; vielmehr verhinderte er es nur nicht.
5. Denn damals gewährte das gestohlene Gut, das zu den Menschen kam, einen gewissen Nutzen, nicht daß der Dieb den Nutzen beabsichtigt hätte, sondern weil die Vorsehung seine kecke Art zu einem nützlichen Ergebnis führte.
82.
1. Ich weiß, daß viele uns unaufhörlich mit der Behauptung entgegentreten, daß das, was etwas nicht hindere, daran schuld sei; sie behaupten nämlich, daß schuld an einem Diebstahl sei, wer nicht achtgegeben oder wer ihn nicht verhindert habe, so wie an einem Brand der, der die Gefahr nicht bei Entstehen durch Löschen beseitigte, oder an einem Schiffbruch der Steuermann, der das Segel nicht einziehen ließ.
2. So werden ja auch (sagen sie) von dem Gesetze die in dieser Weise Schuldigen mit Strafen bedroht; denn wer die Möglichkeit hatte, etwas zu verhindern, dem wird auch die Schuld an dem Vorfall zugeschrieben.
3. Ihnen entgegne ich jedoch, daß zu dem Begriff „schuld sein oder verursachen“ notwendig das Tun, Bewirken und Handeln gehöre, während es für das, das etwas nicht hindere, bezeichnend sei, daß es gerade dabei nichts tue.
4. Ferner ist das, was schuld oder Ursache ist, mit der betreffenden Tätigkeit