„Verzeiht meine Unbeherrschtheit“, sagte er leise, als er sich von ihr löste.
„Es ist nichts zu verzeihen“, erwiderte sie. „Es heißt doch, der Herr hat uns zu seinem Ebenbild als Mann und Frau geschaffen...“
––––––––
Sie gingen in den Nachbarraum, wo die Bottiche mit den Stampfern standen. Von dort führte eine schmale Holztreppe ins Obergeschoss. Zwei Räume waren dort zu finden. Der eine war unschwer als Ort zur Lagerung und Trocknung fertiger Papierbögen zu erkennen. Leinen spannten sich von Wand zu Wand, von denen Bögen verschiedener Größen herabhingen. Der zweite, viel kleinere Raum aber diente Li als Schlafgemach. Weiches Licht fiel durch ein mit Alabaster verhängtes Fenster. Sie küssten sich abermals, diesmal drängender und fordernder als beim ersten Mal. Sie löste ihr Haar und Arnulf strich ihr zärtlich über den Kopf, über die Wangen und Schultern. „Ihr seid atemberaubend schön“, sagte Arnulf.
„So helft mir bei den Verschlüssen meines Kleides, damit Ihr Euch von dieser Schönheit in aller Vollständigkeit überzeugen könnt“, hauchte sie und so fiel ihr Kleid wenige Augenblicke später mit der gleichen Anmut herab, wie zuvor ihr Haar.
Sie sanken auf Lis Lager herab und entledigten sich ihrer letzten Kleidungsstücke. Eng umschlungen ließen sie ihrer aufflammenden Leidenschaft freien Lauf. Li schmiegte sich an seinen kräftigen Körper, während seine Hände über ihren Körper, ihre Schulter und die Brüste entlangfuhren und schließlich ihren straffen Bauch und die Taille erreichten. Gleichzeitig kraftvoll und zärtlich drang er in sie ein.
Gleichgültig, was daraus nun auch folgen würde – Li hatte keine Zweifel daran, dass es diesen Moment wert war. Sie umschlang mit ihren Armen seinen Rücken und zog ihn noch mehr zu sich heran.
Als sie schließlich vollkommen ermattet voneinander ließen, richtete Li sich auf. Sie sah in seine grünen Augen und fühlte eine warme, wohlige Empfindung ihren gesamten Körper durchfluten. Sie strich ihr zerzaustes Haar zurück und legte sich dann an seine Schulter. Als sich an ihn schmiegte, konnte sie den gleichmäßigen Schlag seines Herzens spüren.
Nichts brauchte gesagt zu werden, denn es herrschte ein vollkommenes Einvernehmen zwischen ihnen – eine Harmonie der Gedanken und Gefühle zweier Menschen, wie Li sie nie für möglich gehalten hätte.
––––––––
Stunden später weckte sie ein Klopfen an der Tür. Li schrak hoch. Dann begann sie sich mit fieberhafter Eile anzukleiden, während er ihr mit einem wohlgefälligen Blick dabei zusah.
„So beeil dich doch auch!“, forderte sie ihn auf, nachdem sie bemerkt hatte, dass er noch gar keine Anstalten gemacht hatte, irgendeines seiner Kleidungsstücke anzulegen. „Das wird Christos sein! Die Spiele im Hippodrom müssen längst vorbei sein!“
„Dann schick ihn nach Hause – oder ist jetzt, in den letzten Stunden des frühen Abends noch irgendetwas in der Werkstatt zu tun, was nicht auch bis morgen warten könnte?“
„Und ob!“
Arnulf lachte. „Ach, Li, dann wird irgendeinem Logotheten am Hof des Kaisers das Schreibmaterial etwas früher als erwartet ausgehen und er wird sich vielleicht in Zukunft fragen, ob wirklich jedes Schriftstück, das da hinter den dicken Palastmauern angefertigt wird, auch seine hinreichende Notwendigkeit hat!“
„Sprich nicht so laut, dass uns die ganze Straße hört!“
„Warum? Ist ein Ritter und Edelmann im Lehensdienst des Kaisers Otto von Magdeburg kein standesgemäßer Umgang für eine fleißige Papierkrämerin, zu der du geworden bist?“
Sie sah ihn an und sagte dann: „Wenn die Regeln, nachdem sich der Adel gegenüber den Bürgern verhält im Regnum von Kaiser Otto nicht völlig verschieden von den Gepflogenheiten hier sind, dann wäre das höchstens umgekehrt der Fall!“
Bevor sie aus dem Raum gehen konnte, war er aufgestanden und hatte sie am Arm festgehalten – und sie ließ sich gerne halten. Allein diese Berührung reichte schon auf, um das unstillbare Begehren wieder in ihr aufflammen zu lassen.
„Ich möchte das du eins weißt, Li...“
„Was?“
„Dass mir die Dinge, von denen du gerade gesprochen hast, vollkommen gleichgültig sind.“
Ihre Blicke verschmolzen erneut einen Augenblick miteinander, während es an der Tür abermals klopfte.
„Daran habe ich nie gezweifelt, Arnulf“, sagte sie.
Die Stimme von Christos rief auf die ihr nur allzu gut bekannte Weise ihren Griechen-Namen. „Evangelia! Seid Ihr da?“
Arnulf zog sie noch einmal an sich und küsste sie. Dann löste sie sich endgültig von ihm und lief wenig später die Treppe hinunter.
Als Li die Tür öffnete, stand wie erwartet der Blinde Christos davor.
„Die Spiele sind vorbei – aber ich rechne nicht damit, dass irgendeiner der anderen heute noch bei Euch auftauchen wird, um seine Arbeit zu verrichten“, erklärte der Blinde.
„Das ist nicht so schlimm“, sagte Li – und auf Christos Stirn erschien eine Falte, die wohl seine Verwunderung darüber zum Ausdruck brachte, welcher Sinneswandel in dieser Sache bei seiner Herrin festzustellen war.
„Ansonsten habt Ihr immer darauf wert gelegt, dass sofort nach dem Ende der Spiele mit der Arbeit fortgefahren wird“, sagte er. „Und es ist ja auch tatsächlich noch viel zu tun. Wenn die Blätter mit dem Goldfadenrand noch morgen Abend...“
Li machte ein paar schnelle Schritte. Sie öffnete die Geldbörse, die sie auf dem Tisch abgelegt hatte, nahm eine Münze heraus und drückte sie Christos in die Hand. „Ich brauche deine Dienste heute nicht mehr“, sagte sie, „aber das soll dein Schaden nicht sein.“
„Wie Ihr meint, Herrin.“
„Morgen Früh geht es hier weiter!“
„Es ist nur so...“
„Ja?“
„Ach, nichts“, meinte Christos. „Es steht mir nicht zu, Euch danach zu fragen, warum Ihr keine Schuhe tragt!“
––––––––
Li ging wieder hinauf in ihre Kammer. Dort hatte sich Arnulf inzwischen seine Beinkleider übergestreift. Er stand mit freiem Oberkörper am Fenster und schob vorsichtig das Alabaster etwas zur Seite, mit dem die Fensteröffnung verhängt war. Er konnte vermutlich von seinem Standpunkt aus beobachten, wie Christos die Straße entlang ging.
Sie sahen sich an und allein schon die Erinnerung an das Geschehene ließ ihre Sehnsucht erneut aufkeimen. Vielleicht war diese Begegnung die einzige, die ihnen blieb. Wer konnte schon sagen, wann die Umstände sie wieder auseinanderreißen würde und sie sich vielleicht nie wieder sahen.
Er ging auf sie zu, strich ihr über das Haar und die Schultern. Dann schmiegte sie sich an ihn. „Mit so zerzausten Haaren sollte sich eine Herrin