Der Kapitän des STURMTROTZERS gab den Ankerwerfern den Befehl zum Auswurf, indem er eine sehr schrille Pfeife in den Mund nahm. Der Laut, der aus dem etwas daumengroßen Instrument hervorkam, war so schrill, dass er problemlos alle anderen Umgebungsgeräusche übertönte.
Gefertigt war diese Pfeife aus einer Muschelart, deren Heimatgefilde sich in lebendigem Zustand einige hundert Meter unter der Eisdecke befanden.
Ein Ruck ging durch den Eissegler.
Die Männer mussten sich so gut es ging festhalten. Die glühenden Ankerhaken pflügten zischend durch das Eis und der Koloss kam schließlich zum stehen.
Sofort machten sich die Segelmannschaften daran, die einzelnen Segel zu bergen, die jetzt schlaff von den Gaffeln der drei Masten hingen.
Je schneller diese Segel eingeholt wurden, desto weniger bestand die Gefahr, dass der Wind vielleicht plötzlich etwas drehte und doch noch eine unberechenbare Böe den Segler mit sich nahm.
Der STURMTROTZER kam nun endlich zum Stehen.
„Bei der SEELE ALLER! Der Sturm hat noch nicht einmal richtig begonnen, und wir können die Segler schon kaum noch bändigen!“, stieß einer der anderen Männer hervor. Er hieß Bendas und war Magoons Stellvertreter im Kapitänsamt des STURMTROTZERS.
„Ja, wir werden den STURMTROTZER gut befestigen müssen! Und vor allem werden die kleineren Segler sich an die größeren sicher anbinden oder davon geweht werden!“
Außer dem STURMTROTZER hatten auch die etwa zwei Dutzend weiteren Eissegler unterschiedlichster Größe, die zum Verbund gehörten, gestoppt. Die Aktion hatte synchron durchgeführt werden müssen, damit die einzelnen Segler des Verbundes sich nicht zu weit voneinander entfernten. Wenn der Sturm noch heftiger wurde und sie vielleicht Tage oder Wochen hier fest saßen, dann waren die Besatzungen gegenseitig aufeinander angewiesen.
Mit fieberhafter Eile wurden die Befestigungsarbeiten durchgeführt. Am Horizont türmte sich derweil eine dunkle Säule gen Himmel empor.
Das Schlimmste haben wir noch vor uns!, dachte Magoon. Wir können nur hoffen, dass die SEELE ALLER uns beschützt. Das einzige, was ihm im Moment ein Trost war, war der Umstand, dass auch die vogelartigen Außenweltler von dem Sturm betroffen sein würden.
Aber wahrscheinlich wird ihnen der Sturm nicht so viel ausmachen!, dachte er. Sie haben schließlich einen Segler, der nicht nur die Kälte des Eises, sondern selbst die Kälte des Weltraums zu überwinden vermochte!
Die J’arakor – wie sich alle diejenigen, die sich zum Volk von Arakor zählten selbst zu nennen pflegten – waren der Überlieferung nach ebenfalls vor unvorstellbar langer Zeit mit derartigen Sternenschiffen zu ihrer jetzigen Heimat gelangt. Ihre Vorfahren waren Raumfahrer, die einem gewaltigen Sternenreich gedient hatten, das plötzlich unerwartet zerfallen war.
Ein furchtbarer Feind war über die Welten jenes geheimnisvollen Sternenreiches hergefallen.
Aber Arakor hatte sich die Freiheit bewahrt – und das über mehr als zweieinhalb Sonnenumläufen!
Kein Außenweltler hatte es trotz unzweifelhafter technischer Überlegenheit geschafft, hier Fuß zu fassen, geschweige denn die freiheitsliebende J’arakor zu unterwerfen.
Die SEELE ALLER möge uns weiterhin die innere Kraft und Stärke geben, den Feinden zu widerstehen!, dachte Magoon voller Inbrunst.
Aber zunächst einmal galt es den Mächten der Natur zu trotzen, an die sich die J’arakor nahezu perfekt angepasst hatten. Ihre Heimat war eine Welt, auf der nichts wuchs und die unter ihrem massiven Eispanzer vor sich hin schlummerte. Und doch hatten die J’arakor es geschafft, hier zu überleben. Die Epen der Alten berichteten darüber, wie plötzlich jedwede Technik nicht mehr funktioniert hatte, wie Maschinen auf die die Bewohner dieser extrem klimatisierten Welt dringend angewiesen gewesen waren, plötzlich ihren Dienst verweigerten und viele Archive zerstört wurden, sodass man heute über diese Zeit nur noch wenig wusste.
Aber trotz dieser Unbilden hatten sich die J’arakor behauptet. Die SEELE ALLER war auf ihrer Seite gewesen und so hatte es keiner der Feinde überlebt, die es gewagt hatten, auf der eisigen Oberfläche Arakors zu landen. Tod und Gericht denen, die von der Gier und dem Machtdurst nach Arakor verschlagen werden!, erinnerte sich Magoon an eine sehr tröstliche Verszeile aus der Überlieferung der Verfahren. Ein Teil der Außenweltler hat bereits die Aussichtslosigkeit ihres Unternehmens erkennen müssen. Wahrscheinlich werden wir gar nichts weiter tun müssen, um auch die Schnabeltiere von hier zu verjagen!
Die Ankerhakenwerfer warfen nun inzwischen Strickleiter aus, um seitlich am STURMTROTZER hinab zu steigen. Ihre Aufgabe war es nun, am Boden weitere Befestigungsarbeiten durchzuführen. So gut es in der Kürze der Zeit ging, wurden zusätzliche Verankerungen gegen den Boden gerammt. Die dumpfen Hammerschläge waren wie ein fernes, verhaltenes Klopfen zu hören. Der Wind verschluckte die meisten Geräusche.
Immer heftiger wurde er.
Alle zur Verfügung stehenden Hände mussten jetzt mit anfassen.
Nur einer stand vollkommen untätig an Deck des Eisseglers und sah sich die gesamte Szenerie zwar interessiert, aber letztlich passiv an. Er gab noch nicht einmal irgendwelche Befehle.
Er war ungefähr ein Meter achtzig groß, trug einen dünnen, sorgfältig ausrasierten Oberlippenbart und wirkte in sich gekehrt. Die Kapuze seines aus Tierhäuten gefertigten Anoraks war auf Grund der Kälte tief ins Gesicht gezogen, sodass von der oberen Kopfhälfte ohnehin nichts zu sehen war.
„Wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, wäre es in diesem Fall mit Sicherheit eine Alternative gewesen, wir hätten uns mit der Besatzung des gesamten Verbundes eingegraben.“
„Die Situation ist jetzt nun einmal so, wie sie ist, Gabaloon!“, erwiderte Magoon ziemlich direkt.
Arroganter J’ssour-Treiber!, ging es ihm ärgerlich durch den Kopf. Andererseits bedeutete die Fähigkeit, die auf Arakor sehr verbreiteten ellipsoiden Vielbeiner unter Kontrolle halten zu können etwas, das für den gesamten Verbund nämlich sehr wichtig war. Das war auch der tiefere Grund dafür, weswegen einem talentierten J’ssour-Treiber nach traditioneller Ansicht so etwas wie Narrenfreiheit zustand.
1
Nirat-Son fühlte sich wie ein welkes Blatt im Wind, auch wenn es so etwas nur in seiner Heimat auf Qriidia gab und ganz gewiss nicht hier in dieser eisigen Einöde. Die Koordinaten, an denen Re-Lim und seine Gruppe zuletzt geortet worden waren, hatte er längst erreicht. Während die mörderischen Winde dieses Eisplaneten ihn hin und her schaukelten, versuchte der Tanjaj-Rekrut die Umgebung mit Hilfe eines Ortungsgeräts zu erfassen.
Schneefall hatte eingesetzt. Der Himmel war vollkommen grau geworden. Das Antigrav-Pak auf Nirat-Sons Rücken war kaum noch dazu in der Lage, ihn zu stabilisieren. Der Qriid schwebte zu Boden.
Sein Tanjaj-Nom hatte ihm den Befehl gegeben, die letzte Position von Re-Lims Gruppe aufzusuchen, während er selbst mit dem Rest seiner Tanjaj den Rückweg zu Beiboot angetreten hatte. Nirat-Son war sehr wohl bewusst, dass die Aufgabe, die sein Vorgesetzter ihm übertragen hatte, alles andere als ungefährlich war. Aber es entsprach der Tradition der Qriid, notfalls den Jüngsten zu opfern, um die anderen zu retten. In so fern wäre ihm auch niemals eingefallen, sich etwa mit einem Hinweis auf seine geringe Erfahrung gegen diesen Befehl zu wenden oder deswegen auch nur einen ärgerlichen Gedanken zuzulassen.
Er war ein Tanjaj-Rekrut und das bedeutete letztlich, dass er viel leichter zu ersetzen war als ein Tanjaj-Nom oder ein noch höherer Offizier. Schließlich ging es niemals in erster Linie um die Interessen des Individuums, sondern um die Errichtung der Göttlichen Ordnung im Universum. Der Wille Gottes, verkündet durch dessen Stellvertreter auf dem Thron in Qatlanor auf Qriidia, zählte und sonst gar nichts. Milliarden qriidischer Eierlegerinnen waren schließlich unablässig mit der Reproduktion neuer Tanjaj beschäftigt, die den Blutzoll, den der Heilige Krieg und