Seewölfe Paket 15. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397730
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der Kerl ist heute abend da, und angenommen, ich bin rein zufällig auch da, dann wird er sehr erstaunt sein, anstelle von Ramsgate den freundlichen Profos vorzufinden. Ich würde ihn natürlich ganz freundlich angrinsen, ein paar nette Worte mit ihm wechseln und ihn dann sehr höflich fragen, wo dieser Burton seine Hütte stehen hat. Selbstverständlich in ausgesucht freundlichem Ton.“

      „Selbstverständlich“, sagte Hasard ernst. „Kein Mensch denkt auch nur entfernt daran, du würdest ihn anbrüllen.“

      „Nun, er würde mir das selbstverständlich in aller Freundschaft verraten.“

      „Weil du so überzeugend sprichst“, sagte Hasard.

      „Genau, Sir. Haben wir dann die Adresse von Burton oder dem anderen Halunken, dann, so dachte ich wenigstens, können wir mit ihnen zusammen ja mal in aller Ruhe die Pläne für die neue ‚Isabella‘ durchsprechen und ihnen verklickern, wie das Schiffchen aussehen wird. Dann wissen sie es ganz genau.“

      Hasard verbiß sich nur mühsam das Lachen, als er den heuchlerischen Blick Carberrys sah, dessen Augen so lammfromm und bescheiden auf die Planken blickten, als könne er kein Wässerchen trüben.

      Aber sein Vorschlag war gut, und so nickte er, diesmal mit einem kleinen Lächeln, weil Ed jetzt wie ein frommer Chorknabe dahockte und immer noch so bescheiden dreinblickte. Im Geiste sah der Profos aber wohl schon die alte Mühle als Trümmerbrocken durch die Gegend fliegen.

      „Die Idee ist gut“, sagte Hasard. „Wenn ein Nagel zu weit heraussteht, muß man ihn einhämmern.“

      „Ganz meine Meinung, Sir. Ich werde den Nagel schon an die richtige Stelle rücken.“

      „Dann geht jetzt gleich los, sonst ist es zu spät.“

      Ed und Dan blickten sich nur kurz an, dann grinsten beide ein bißchen und zogen sofort los. Den Weg zur Mühle kannte Dan ja.

      Mac Pellew erhielt an diesem Abend seine fünfzig Golddublonen und bezahlte davon gleich seine Schulden. Er konnte es immer noch nicht fassen, daß er von einer Stunde zur anderen ein reicher Mann geworden war.

      „Ist das nicht ein Segen?“ fragte er immer wieder. „Heute morgen saß ich noch im Gefängnis, und jetzt habe ich so viel Geld, daß ich den ganzen Schuldturm kaufen könnte.“

      „Dann kauf ihn doch“, riet Big Old Shane freundlich. „Wenn er dir gehört, hast du wenigstens die Gewähr, daß sie dich nicht mehr einbuchten können.“

      Mac Pellew sah den ehemaligen Schmied von Arwenack sauertöpfisch an und versuchte zu grinsen. Aber sein Gesicht wirkte so, als ginge er diesmal zu seiner eigenen Beerdigung.

      Als er sich umdrehte und dem Kutscher zur Kombüse folgte, grinste Blacky hinter ihm her und sagte zu Shane: „Ein Gesicht wie damals, nur etwas faltiger. Der gute Mac geht jetzt wieder zur Beerdigung fünfter Klasse.“

      „Beerdigung fünfter Klasse?“ fragte Shane verständnislos. „Wie geht das denn vor sich?“

      „Dann muß er selbst vor seinem eigenen Leihsarg ohne Hemd herlaufen und die Kerze tragen.“

      Shane tippte sich mit dem Finger bezeichnend an die Stirn.

      „Du bist ja bescheuert, Blacky.“

      „Klar“, gab Blacky zu, „mich haben sie schon in den Windeln mit dem Holystone gepudert, deshalb bin ich bescheuert.“

      Jetzt grinste auch der graubärtige Exschmied.

      6.

      Carberry und O’Flynn erreichten die Mühle gerade zu dem Zeitpunkt, als die Sonne hinter dem Horizont verschwand und die Dämmerung einsetzte.

      „Anscheinend ist noch keiner nach uns hier gewesen“, sagte Dan. „Alles liegt noch so rum, wie wir es verlassen haben.“

      Der Profos war ganz in den Anblick der Mühle versunken und schnüffelte überall herum. Er stieg auch über eine halbverfallene Treppe auf den Speicherboden und sah sich die riesigen Grite an, die Mühlsteine, die früher hier, verbunden durch eine sinnreiche Transmission aus Lederriemen, das Korn gemahlen hatten.

      „Schnüffel nicht überall herum“, sagte Dan, „man hört dich ja meilenweit, und wenn der Kerl wirklich erscheint, ist er längst vorgewarnt und verschwindet wieder.“

      Der Profos murrte, kehrte dann aber wieder zurück.

      „Reg dich nicht auf“, sagte er, „von da oben hat man einen prächtigen Überblick. Jeden, der sich der Mühle nähert, sieht man schon auf große Entfernung. Bis jetzt ist noch nichts zu sehen. Fragt sich, ob der Kerl überhaupt geruht, hier zu erscheinen.“

      „Laut Ramsgate kam er oder ein anderer jeden Abend.“

      Carberry besah sich die Ketten, die man dem alten Ramsgate um den Leib geschlungen hatte. Es war jetzt schon so dunkel, daß man nur noch mühsam einzelne Gegenstände unterscheiden konnte.

      O’Flynn hockte sich an den Eichenbalken und nahm die Position ein, die Ramsgate innegehabt hatte. Die Kette schlang er sich lose um den Bauch und lehnte sich zurück.

      „Es ist besser, wenn ich hier sitze“, sagte er zu Ed. „Du kannst dich ja hinter der Tür auf dem Absackboden verstecken. Wenn der Kerl wirklich kommt und eine Lampe dabeihat, falle ich nicht so auf wie du. Meine Figur entspricht eher der von Ramsgate.“

      „Ein Hänfling bist du nicht gerade“, meinte Ed, „aber ich würde noch mehr auffallen.“

      „Er würde schon dein Kinn für einen Amboß halten“, lästerte Dan, „und glauben, er sei in einer Schmiede.“

      „Paß auf, O’Flynn“, grollte Ed, „daß ich dir die Kette nicht wirklich um deinen Wanst schlinge und dich verhungern lasse.“

      Ihre sinnigen Gespräche wurden leiser, schließlich flüsterten sie nur, damit man sie von außen nicht hörte.

      Eine gute halbe Stunde verging. Der Wind frischte ein wenig auf und heulte um die alte Mühle. Manchmal fuhr er jammernd und klagend durch die Ritzen und Fugen. Dann fiepten die Mäuse, und die Mühle ähnelte einer verlassenen Geisterstätte.

      Carberry hatte in der Nähe der Tür Stellung bezogen und harrte genüßlich der Dinge. Allerdings mußten sie noch einmal fast eine halbe Stunde warten, bis sich etwas tat.

      Draußen waren Schritte zu hören.

      Ein kaum sichtbarer Lichtschein flackerte auf und fiel durch die schmalen Ritzen. Der Kerl hatte offenbar den Docht seiner Lampe ganz weit heruntergeschraubt, damit er nicht auffiel.

      Dann wurde die Tür aufgestoßen. Ein leichter Luftzug fuhr durch den Absackboden. Der Kerl schloß die Tür wieder, es klirrte ein wenig, dann stellte er die Lampe auf den Boden und legte einen Schürhaken daneben.

      Carberry stand höchstens zwei Yards hinter ihm und hätte ihn jetzt mühelos packen können. Aber er wartete, weil er sich nicht selbst den kleinen Spaß verderben wollte.

      Er beobachtete den Kerl. Es war ein grobschlächtiger Bursche mit einem Stiernacken und einem dümmlichen Gesicht. Er warf nur einen flüchtigen Blick auf den vermeintlichen Ramsgate, dann grinste er und schraubte den Docht der Lampe höher.

      Mildes Licht warf zuckende und tanzende Schatten durch die Mühle. Die Schatten geisterten umher, ins Groteske verzerrt wie höllische Dämonen der Nacht, die vor dem Lichtschein flohen.

      „So, mein Freund“, sagte der Kerl hämisch. „Dich hat noch keiner zum Reden gebracht, was? Ich werde dich dazu bringen, ich habe da ein ganz feines Mittel.“

      Dan O’Flynn klirrte ein wenig mit den Ketten und grinste. Der Eichenbalken warf einen gnädigen Schatten auf ihn. Der Folterknecht konnte sein Gesicht nicht erkennen.

      Genüßlich hielt der Stiernackige den Feuerhaken über die Lampe und drehte ihn hin und her, bis sich die Spitze allmählich rötete.

      Im