Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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oder irgendwie gedroht – im Gegensatz zu den Fischern. Es schmeckte ihnen gar nicht, gewissermaßen vor einem einzigen Schießprügel ausgerissen zu sein. Und sich als stinkende Ratten und so weiter bezeichnen zu lassen, paßte ihnen noch weniger.

      Am meisten plusterte sich der Profos auf. Er verspürte wohl immer noch den sengenden Lufthauch der Kugel auf seinem Kopf.

      „So was muß sich unsereins von verlausten Heringsbändigern bieten lassen!“ wetterte er. „Da soll doch gleich der Gehörnte dreinfahren! Die gehörten geteert, gefedert und gekielholt, diese fischtranigen Lümmel!“

      „Laß es gut sein, Ed!“ rief Hasard. „Wir legen uns doch nicht mit harmlosen Fischern an!“

      „Harmlos, Sir?“ böllerte der Profos. „Dieser türkische Wasserfloh hätte mich beinahe erschossen – einfach so! Dabei bin ich völlig friedlich gewesen, das können alle bezeugen.“

      „Weiß ich, Ed. Aber wenn’s dich beruhigt: Dan ist noch wütender. Schließlich hat er den Fischern freundlich zugewinkt.“

      „Aber auf mich ist geschossen worden!“

      „Das ist uns allen bekannt, aber getroffen hat er nicht“, sagte Hasard geduldig.

      „Hätte er aber, wenn ich mich nicht geduckt hätte. Dann läge ich jetzt hier als Leiche mit ’nem Kopfschuß“, ereiferte sich der Profos. „Mausetot für immer, und ihr hättet keinen Profos mehr. Der alte Will hätte mich in Segeltuch einnähen müssen, und ihr hättet mich hier versenkt. Und keiner hätte sich mehr um mein armes hinterbliebenes Sir Jöhnchen gekümmert …“

      Hasard platzte der Kragen. Der Profos schien sich so richtig ausjammern zu wollen.

      „Red’ keinen Quatsch, Ed!“ fuhr er ihn an. „Du lebst, und wie ich dich kenne, wirst du wahrscheinlich hundert Jahre alt, es sei denn, du verschluckst dich am Schnaps!“

      „Ich könnte jetzt einen vertragen“, erklärte der Profos prompt und ohne rot zu werden.

      Hasard wurde einer Antwort enthoben.

      Old O’Flynn meldete sich. Er stand immer noch am Bug, hatte den Kieker am Auge und rief: „Backbord voraus ein Hafen und Häuser in Sicht! Muß sich um einen größeren Ort handeln!“

      „Hoffentlich sind die freundlicher“, sagte Dan O’Flynn.

      „Du kannst ja wieder winken“, meinte Hasard.

       3.

      Burgas – wie die Seewölfe später erfuhren – lag an einer verträumten Bucht zwischen goldgelbem Sandstrand und jäh abstürzenden Felsriffen. Hinter dem Ort erhoben sich ausgedehnte Weinberge, unterbrochen von üppig-grünen Küstenwäldern. Der Hafen war von Kais gesäumt, von denen aus kräftige massive Holzstege ins Hafenbecken ragten. An ihnen waren einige Einmaster sowie Fischerboote wie jene, auf die sie draußen gestoßen waren, vertäut. Am Strand waren Fischernetze zum Trocknen oder Flicken ausgespannt.

      Hasard ließ noch vor dem Hafen die Segel einnehmen und ging mit auslaufender Fahrt an einem freien Quersteg längsseits. Da niemand bereit stand, um die Leinen wahrzunehmen, sprangen die Zwillinge auf den Steg und vertäuten die Dubas.

      Erst jetzt wurde den Arwenacks bewußt, daß sie offenbar einen Geisterhafen angelaufen hatten. Jedenfalls war kein Mensch zu sehen. Über dem Hafen kreischten Silbermöwen, hinten bei den weißgekalkten Häusern mit den niedrigen Dächern stolzierten ein paar Hühner herum. Irgendwo meckerte eine Ziege.

      Plymmie, die Wolfshündin, sprang an Land, schnüffelte auf dem Steg herum, schnürte zum Kai und setzte dort ihre Marke an einen Steinpoller. Dann trollte sie zurück und wedelte mit dem Schwanz.

      „Nicht viel los hier“, murmelte der Profos.

      Nicht viel los? Das war mächtig übertrieben. Es war überhaupt nichts los.

      Nils Larsen, der blonde Däne, packte noch drauf und sagte grinsend: „Wo kommen bloß die vielen Leute her? Ein Massenandrang ist das, so was hast du noch nicht erlebt!“

      Paddy Rogers, der Schnelldenker der Crew, hatte wieder Schwierigkeiten, die Tatsachen unter einen Hut zu bringen.

      „Massenandrang?“ fragte er verwundert. „Aber ich seh niemanden, Nils.“

      „Du mußt genau hinschauen, Paddy“, sagte Nils, „dann siehst du, wie die Leute drängeln.“

      Paddy reckte den Hals, was aber auch nichts brachte. Das Bild blieb gleich.

      „Laß dich doch nicht verulken, Paddy“, sagte Jack Finnegan und warf Nils Larsen einen scharfen Blick zu. „Hier ist der Arsch der Welt. Jedenfalls sind hier keine Leute zu sehen.“

      Das stimmte nicht, wie sich Minuten später herausstellte. Aus einem größeren Gebäude am Hafen trat eine Gruppe von Männern, alle uniformiert gekleidet und mit Musketen über der Schulter. Sie geleiteten einen etwas dicklichen Menschen zum Kai und dann auf den Steg, an dem die Dubas vertäut war. Ihr Tritt dröhnte auf den Holzbohlen.

      Der dickliche Mensch war sehr sorgfältig und gut gekleidet und hatte ein freundliches Vollmondgesicht, das ein schwarzer Sichelbart zierte. Da er von den Uniformierten geleitet wurde, mußte er eine Respektsperson sein – was ja auch seine Kleidung andeutete.

      Eine Waffe trug er nicht. Um seinen dicken Bauch war eine Schärpe geschlungen. Seinen Kopf bedeckte ein roter Fez mit goldener Quaste.

      Hasard beschloß, den Dicken auf dem Steg zu empfangen, zusammen mit seinen beiden Söhnen, die er zum Dolmetschen brauchte.

      Als die Prozession vor ihm hielt, lächelte er den Dicken freundlich an, verneigte sich leicht und ließ sich von Jung Hasard als Philip Hasard Killigrew vorstellen.

      Der Dicke schaute erstaunt, runzelte die Stirn, betrachtete die Zwillinge, dann den großen, breitschultrigen Mann, zu dem er hochblicken mußte, und fragte: „Sind Sie Russe?“

      Hasard verneinte. „Engländer. Wir sind aus England.“

      „Inghilterra“, wiederholte der Dicke in der türkischen Sprache, wie Jung Hasard das übersetzt hatte, und schüttelte den Kopf, als begreife er nicht ganz. Vielleicht wußte er nicht, wo „Inghilterra“ lag. Wenn er es aber doch wußte, dann mußten die Engländer auf der Dubas für ihn so etwas Ähnliches wie die Männchen von einem anderen Planeten sein.

      Der Dicke starrte zu den Mannen auf der Dubas, die freundlich zurückschauten. Einige grinsten. Dann sah es aus, als sträube sich sein Sichelbart. Da hatte er Arwenack entdeckt, den Schimpansen. Der kratzte sich gerade den Bauch, dann eine Kniekehle – mit der rechten Hand. Die Linke ragte nach oben und ruhte in der rechten Hand von Batuti. Der Riese aus Gambia und der Affe hielten gewissermaßen Händchen.

      Ein rührendes Bild, doch es stürzte den Dicken offenbar in tiefste Verwirrung.

      Leider wurde sie weiter vertieft. Sir John produzierte sich. Er trippelte mit auf und nieder ruckendem Kopf über das Steuerbordschanzkleid, das dem Steg zugekehrt war, drehte sich ein paarmal um sich selbst, stieß ein Glucksen aus, das man als Kichern bezeichnen konnte, und plärrte dann: „Arsch der Welt – keine Leute!“ Ein schriller Pfeifton folgte.

      Carberry sagte wütend zu Jack Finnegan: „Das hat er von dir aufgeschnappt, Mister Finnegan.“

      „Kann schon sein“, erwiderte Jack gelassen, „aber ich gehe jede Wette ein, daß der Dicke auf dem Steg nichts verstanden hat.“

      Hatte der auch nicht, aber es sah aus, als wollte er lieber wieder den Rückzug antreten. Doch er faßte neuen Mut – vielmehr besann er sich auf die Höflichkeitsformen und stellte sich als Selim Güngör, Hafenkommandant von Burgas vor. Das übersetzte diesmal Philip junior.

      „Ist er Türke?“ fragte Hasard rasch.

      Ja, er war Türke, genauso wie die Uniformierten, die eine Art Miliz darstellten. Burgas stand offenbar unter türkischer Herrschaft,