Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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war nur noch eine schwarze verkohlte Scheibe, in der blutrote Lippen zu erkennen waren. Die Augen waren verbrannt und verklebt. Er wischte mit seinen ungeschlachten Händen ständig daran herum.

      „Ich bin blind!“ schrie er immer wieder. „Allah hat mir mein Augenlicht genommen, als ich den Hundesohn hinrichtete! Was ist denn nur geschehen?“

      Der Hauptmann erklärte es ihm.

      „Der Schuß ist nicht losgegangen. Beinahe wäre die Kanone explodiert. Ali Mustafa ist nichts passiert, du hast ihn nicht gerichtet.“

      „Dafür hat Allah mich gerichtet“, jammerte der Henker. „Dieser Hundesohn von einem Ali Mustafa hat mich verflucht, genau wie er die Kadis verflucht hat. Wo ist dieser räudige Sohn einer verfluchten Wanderhure? Ich bringe ihn eigenhändig um, diesen Bastard!“

      „Du wirst niemanden mehr umbringen, Omar“, sagte der Hauptmann kühl. „Dem Gesetz nach darf Ali nicht mehr getötet werden, so steht es geschrieben, und so werden wir es halten.“

      „Aber er muß bestraft werden, man kann ihn nicht freilassen. Er ist schuld daran, daß ich jetzt für alle Zeiten blind bin.“

      Der Hauptmann schien mit dem Henker nicht gut auszukommen. Er mochte ihn nicht, auch die anderen mochten ihn nicht.

      „Ob er daran schuld ist oder nicht, hat nichts mit dir persönlich zu tun. Wir werden noch einmal bei dem Kadi nachfragen. Der wird dann entscheiden, was zu geschehen hat.“

      Der Henker wimmerte und begann zu laut zu klagen und zu lamentieren. Nicht nur, daß er erblindet war – auch sein Oberkörper wies schwere Brandwunden auf. Ein Teil seines Hemdes hatte sich ins Fleisch gebrannt.

      Der Hauptmann schickte einen Mann los, der den Kadi befragen sollte. Gleichzeitig ließ er einen Arzt holen, der den Henker versorgen und seine Schmerzen lindern sollte.

      „Du wirst solange auf der Festung eingesperrt, Ali Mustafa, bis der Kadi über dein weiteres Schicksal entschieden hat“, sagte der Hauptmann. „Aber freue dich nicht zu früh, man wird dich trotzdem gebührend bestrafen.“

      Ali Mustafa gab keine Antwort. Ihm war alles gleichgültig. Er empfand weder Freude noch Genugtuung, er empfand überhaupt nichts. Er war dem Tod so nahe gewesen, daß er immer noch nicht glaubte, was er sah und erlebte.

      Zwei Männer trugen Ali in das Verlies, weil er nicht laufen oder gehen konnte. Aber diesmal behandelten sie ihn etwas besser, und er erhielt auch etwas zu essen und zu trinken.

      Dann mußte er warten.

      Er wartete genau drei Stunden, dann war der Mann wieder zurück und hatte ein Schreiben des Kadi mitgebracht.

      Der Hauptmann las es und ging persönlich zu Ali Mustafa.

      „Der Kadi will dich nicht persönlich sehen“, sagte er. „Aber da du offenbar über geheime Kräfte verfügst, hat er dich begnadigt, damit du diese Kräfte woanders einsetzen kannst. Hier ist das Urteil. Du wirst den Rest deines Lebens auf der großen Galeere verbringen – das heißt lebenslänglich.“

      „Galeere?“ fragte Ali leise.

      „Ja, als Ruderer, und wenn du sehr fleißig bist, kannst du dich eines Tages bis zum Schlagmann hocharbeiten. Das ist ein sehr ehrenhafter Beruf.“

      „Ich kann nicht einmal stehen“, sagte Ali.

      „Das ist auch nicht nötig. Auf den Galeeren ist es bequem und gemütlich. Da dürfen alle sitzen, solange sie wollen.“

      Der Hauptmann warf Ali noch einen nachdenklichen Blick zu. Dann ging er wortlos hinaus.

      Ali Mustafa war mit seinem Kummer allein.

       6.

      Die Galeere war das größte Schiff der Türken in Istanbul.

      Genaugenommen war sie eine Dromone, wie Türken, Griechen und Araber sie bezeichneten. Aber der Ausdruck Galeere hatte sich längst eingebürgert und blieb erhalten.

      Sie hatte zwei große Decks für die Ruderer. Das eine befand sich oben und war bei Wind und Wetter ungeschützt. Das andere lag etwas tiefer darunter, nur ein wenig höher als die Wasseroberfläche.

      Vorn am Bug trug dieses riesige schwimmende Monstrum einen gewaltigen eisenbeschlagenen Rammsporn in der Form eines fürchterlich häßlichen Schädels mit finsteren und unheilvoll blickenden Augen.

      Auf dem Vordeck befand sich ein riesiger Holzwurm, gleich daneben gab es auf jeder Seite große Armbrüste und lange Rohre, aus denen man „Griechisches Feuer“ schleudern konnte. Ein ausgeklügelter Mechanismus sorgte dafür, daß das „Griechische Feuer“ bei widrigen Verhältnissen nicht auf das eigene Deck fiel.

      Auf dem Oberdeck konnte auch stehend gerudert werden. Das war dann der Fall, wenn höchste Eile geboten war. Da gab es einen langen Mittelgang, von dem rechts und links in fast endloser Reihe Ruderbänke abzweigten. Bis zu vier Männer saßen jeweils auf diesen Bänken und waren angekettet.

      Die Galeere war ein Dreimaster, der außerdem gesegelt werden konnte. Das Ruderdeck war übersichtlich und endete abrupt. Dort folgte ein erhöhtes Deck, auf dem wiederum Riesenarmbrüste und lange Rohre montiert waren. Von diesem Deck ging es weiter zum überdachten Heck, wo eine stabile Holzhütte stand.

      Etwa zweihundertvierzig Ruderer hatten auf der Galeere Platz. Dazu kam noch einmal eine Besatzung von mehr als vierzig Leuten.

      Einer dieser Ruderer war Ali Mustafa. Er befand sich jetzt seit acht Tagen auf der Galeere.

      Direkt neben ihm hockte – klein, verbittert und verkrümmt, ein Türke, der nicht älter war als er selbst. Der Mann hieß Ahmed, und sie hatten sich in den paar Tagen angefreundet, wenn man das so nennen wollte. Dabei war es aber meist nur bei ein paar Worten geblieben, denn wen der peitschenschwingende Aufseher bei einer Unterhaltung erwischte, dem zog er unbarmherzig eins über.

      Tam – Tam! Tam – Tam!

      Die Schläge dröhnten durch das untere Deck, das von stickiger Luft erfüllt war. Jeder Hieb auf die Trommel erzeugte eine dumpfe Resonanz im Schädel. Mitunter veränderte sich der Rhythmus, dann wurde die Trommel schneller geschlagen, und damit begann das Martyrium.

      Die Männer schwitzten, keuchten oder stöhnten. Sie verkrallten sich in diesen gewaltigen Riemen, hatten beide Hände um die großen Holzschäfte gelegt und zerrten wie wild daran. Dabei blieb es auch nicht aus, daß die „Neuen“ öfter mal aus dem Takt gerieten, weil sie sich noch nicht an den Rhythmus der Trommelschläge gewöhnt hatten.

      Sie versuchten zwar, den Peitschenschwinger nicht herauszufordern, doch das gelang nicht immer, und so wurde wieder die Peitsche hart eingesetzt.

      Manchmal hatten Ali Mustafa und Ahmed nicht die geringste Ahnung, wo sie sich befanden, denn im unteren Deck herrschte ein diffuses Zwielicht, in dem nur die gekrümmten Rücken der anderen Ruderer zu erkennen waren, oder der Schlagmann, der vor seiner gongähnlichen Trommel hockte und den Takt schlug, mit dem die Riemen durchs Wasser gezogen werden sollten.

      Hin und wieder beneideten sie die Ruderer auf dem oberen Deck, denn die konnten wenigstens noch etwas sehen. Dafür waren sie jedem Wetter ausgesetzt und konnten sich weder gegen große Hitze noch gegen prasselnden Regen schützen.

      Seit sie auf der Galeere waren, bewegte sie nur noch der Gedanke an Flucht.

      „Es geht nicht“, sagte Ahmed entsagungsvoll. „Glaube mir, schon viele haben es versucht, aber bisher ist es niemandem gelungen. Wie willst du die Ketten loswerden? Sie laufen am Gang durch die eisernen Ringe und sind an deinem Bein befestigt, angeschmiedet. Ich habe es auch schon oft überlegt, aber es gibt keine Möglichkeit.“

      „Vielleicht fällt mir ein Ausweg ein. Man müßte es dann versuchen, wenn die Ruderer ausgewechselt werden oder wir im Hafen liegen.“

      „An Deck sind überall Wachen, die passen auf.“

      „Auch