Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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treffen, Rübenschwein“, sagte er wohlwollend.

      Und dann drückte er zu. Der Profos konnte fast aus Steinen Wasser quetschen. Aber der Klauer war von der weichen Sorte. Ein greller Schmerz durchfuhr ihn, und dann schoß ihm das Wasser in die Augen und perlte wie ein Sturzbach in seinen fusseligen Bart.

      Der Profos drückte grinsend weiter, bis der Taschendieb winselnd in die Knie ging und weitere Tränen vergoß. Erst als er ihm die Hand so gequetscht hatte, daß er sie in den nächsten Tagen nicht mehr brauchen konnte, ließ er los. Zum Abschied stieg er dem Kerl noch einmal kräftig auf die Zehen.

      „Was ist denn los?“ fragte der Kutscher irritiert, als er den winselnden Kerl sah, der sich vor Schmerzen krümmte.

      „Ein alter Bekannter“, sagte der Profos. „Er ist ganz gerührt, daß er mich wiedergesehen hat.“ Er stand immer noch auf dem rechten Fuß des Mannes, der kaum noch Luft kriegte.

      „Ein Bekannter – hier, in Istanbul?“ Der Kutscher starrte den Mann zweifelnd an.

      „Das sind überall die gleichen Bekannten“, sagte Carberry. „Er hat gerade versucht, mich zu beklauen, aber das war wohl nichts. Brauchst du den Honigtopf noch, Luke?“

      Bevor Luke antworten konnte, nahm ihm der Profos den Topf mit türkischem Honig ab, drehte ihn um und setzte ihn dem Kerl auf.

      Die Menge schrie Beifall und lachte, als der Taschendieb den Topf auf dem Schädel hatte.

      Carberry drehte ihn ein paarmal um seine Achse und sah angewidert zu, wie dem Kerl der zähe und klebrige Honig ins Hemd rann. Dann gab er ihm einen Tritt in die Kehrseite.

      Unter dem brüllenden Gelächter der Zuschauer segelte der Kerl ab, landete an einem Posten und stülpte sich durch den Anprall den Topf noch fester auf den Schädel. Er zerrte vergeblich daran, er kriegte das klebrige Ding nicht mehr ab, und so taumelte er ziellos über den Platz und rempelte die Leute an.

      „Kleine Sondereinlage“, sagte der Profos freundlich. „Wer mich beklauen will, der muß wesentlich früher aufstehen.“

      Der Kerl verschwand irgendwo in der Menge. Unter dem Honigtopf klangen erstickte Laute hervor, und das freute die Menge. Einige nahmen an, das sei so beabsichtigt.

      Dann erschien Murad, der Kettensprenger.

       3.

      Für die Zuschauer war das ein erstaunlicher Kraftakt, eine Sensation, die ihnen hier geboten wurde. Für die Arwenacks hingegen war es nichts Besonderes, und erst recht nicht für Jung Philip, der mit seinem Zwillingsbruder Hasard und der Gauklertruppe des Kaliban durch die Lande gezogen war. Ähnliches hatten sie tagtäglich erlebt und gesehen.

      Der Mann, der da auf der Bühne erschien, war ein Kraftprotz mit mächtigen Muskeln. Zwei andere Männer wickelten ihn in eine starke Eisenkette, die sich um Arme, Brust und Schultern schlang. Die Kette wurde schließlich noch mit einem starken Schloß gesichert.

      Der Muskelprotz stieg vom Ring und ließ die Ketten von der Menge befühlen. Dann verkündete der Bucklige, daß Murad diese schwere Eisenkette gleich sprengen würde, und weil das mehr als lebensgefährlich sei, müsse er um einen kleinen Obolus bitten. Daraufhin nahm der Bucklige seinen Hut und mischte sich unter die Zuschauer. Nachdem jeder sein Scherflein entrichtet hatte, zeigte der Bucklige Murad den Inhalt des Hutes.

      Der Kettensprenger sah etwas mißmutig drein, denn er mußte die Münzen später noch mit einem Feuerspucker, einem Schwertschlucker und einem Schlangenbeschwörer teilen.

      Dann stellte er sich breitbeinig in Positur und begann, seinen mächtigen Brustkasten immer weiter zu dehnen. Dabei lief sein Schädel knallrot an.

      Die Zuschauer hielten den Atem an, als der Kerl fast zu platzen drohte. Immer mehr blies er sich auf, und dann gab es schließlich einen dumpfen Knall. Die Ketten fielen von ihm ab und klirrten zu Boden.

      Murad hob in Siegerpose beide Arme hoch, nickte mürrisch in die Menge und verschwand in der Bude. Applaus erklang, ein paar Männer johlten begeistert.

      Der nächste der auftrat, war ein kleines mickriges Männchen mit einem knallgelben Turban auf dem Kopf. Er hatte einen Korb unter dem Arm, den er vorsichtig abstellte, als würde er gleich explodieren. Dann zog er eine Tröte aus seinem Gewand und hockte sich im Schneidersitz auf den Boden, nachdem er den Deckel vom Korb genommen hatte.

      Der Bucklige erklärte wichtigtuerisch, daß in dem Korb eine Schlange sei, die an Giftigkeit alles in der Welt übertreffe. Schon mehr als ein Dutzend Schlangenbeschwörer sei an ihrem Biß zugrunde gegangen, und er wolle mit Allahs Hilfe doch hoffen, daß heute alles gut gehen möge.

      Die Leute glaubten den Stuß, und jene, die in der vorderen Reihe standen, wichen ängstlich zurück, als das Kerlchen die Tröte an den Mund setzte und eine schaurige Melodie blies.

      Es dauerte auch nicht lange, da erschien ein Schlangenkopf aus dem Korb und begann hin und her zu pendeln. Der Mickrige bewegte den Oberkörper jetzt ebenfalls hin und her, und die „gefährlichste Giftschlange der Welt“ tat es ihm nach und wiegte sich anscheinend im Takt zu seinem schrecklichen Getröte.

      Ein paar Minuten lang ging das so, und alle waren erleichtert, daß die Schlange das Männchen nicht gebissen hatte, denn sonst würde es jetzt sterbend auf der Matte liegen.

      Als der Mickermann sich dann erhob, verhedderte er sich und stolperte über seine eigene Beine. Der Korb fiel um, er griff noch nach ihm, kriegte ihn aber nicht mehr zu fassen.

      Die Schlange, offenbar froh, das Gejaule und Getröte nicht mehr ertragen zu müssen, wand sich in zuckenden Bewegungen davon – mitten zwischen die Zuschauer.

      Im Nu war die Hölle los. Eine entsetzte Menschenmenge stob kreischend und brüllend auseinander und flitzte in alle Richtungen davon.

      Der Bucklige schrie „Ah!“ und „Oh!“ und brüllte nach Allah, während der Mickrige stumm die Hände rang und entsetzt zum Himmel blickte, ob Allah denn das Biest nicht endlich zur Umkehr bewegen würde.

      Auch Carberry, Smoky und Luke Morgan wichen ein paar Schritte zurück, als das Biest auf sie zuschlängelte. Nur der Kutscher und Jung Philip blieben stehen.

      Der Sohn des Seewolfs bückte sich in aller Seelenruhe, griff der Schlange hinter den Kopf und hob sie hoch. Genauso ruhig trug er sie ein paar Schritte weiter, grinste, den Mickrigen an und packte die Schlange wieder in den Korb zurück.

      Der Bucklige war starr vor Staunen, der Schlangenbeschwörer riß den Mund auf und stierte Philip ungläubig und fast ein wenig verärgert an. Aber er sagte nichts, auch kein Wort des Dankes wollte über seine Lippen gelangen.

      „Bist du wahnsinnig?“ zischte der Profos, als Philip feixend wieder zurückkehrte und die entsetzte Menge ihn aus sicherer Entfernung neugierig anstarrte. „Wenn das Vieh dich gebissen hätte – ah, gar nicht auszudenken! Wir wären unseres Lebens nie mehr froh geworden.“

      „Eine Naja“, sagte Philip lässig, „eine ganz stinknormale Kobra. Die hätte mich niemals gebissen. Die kannst du unbesorgt mit in die Koje nehmen, Mister Profos.“

      „Kobras sind giftig“, erregte sich der Profos, „das weiß jeder, der mal mit Schlangen zu tun hatte.“

      „Klar, sie sind giftig, will ich ja auch gar nicht abstreiten, sehr giftig sogar, sofern sie nicht einem Schlangenbeschwörer gehören, der damit die Leute begaunert.“

      „Hat er nicht“, sagte der Profos.

      „Hat er doch“, versicherte Philip. „Die Kobra hatte nämlich keine Zähne mehr und kann auch kein Gift mehr verspritzen. Die ist völlig harmlos. Bei Kalibans Gauklertruppe hatten wir auch einen Schlangenonkel, und der hat den Giftschlangen immer sehr sorgfältig die Beißerchen gezogen, damit ihm nichts passiert. Aber das wissen die Leute nicht, die glauben, das sei alles echt.“

      „So ist das also“, murmelte der Profos. „Na ja, du mußt es ja wissen, aber es wirkte