Seewölfe Paket 29. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399970
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Ich bin unschuldig, so wie viele andere hier auch. Die Bastarde haben mich verleumdet, mir mein Haus weggenommen und mich auf die Galeere geschickt. Ich glaube, daß die Kadis dahinterstecken, die sich bereichern wollen.“

      Während sie leise miteinander flüsterten, bewegten sie die Riemen.

      „Vielleicht gibt es eine Möglichkeit“, deutete Ali an. Er wollte gerade weitersprechen, als ihn ein schmerzhafter Hieb ins Kreuz traf.

      Der Zuchtmeister war lautlos aufgetaucht und schlug zu.

      Auf Alis Rücken platzte die Haut auf. Er biß sich vor Schmerz auf die Zunge.

      „Bastarde!“ schrie der Zuchtmeister. „Ihr sollt pullen, nicht quatschen! Ihr seid nicht zur Erholung hier! Und du nimm dich ganz besonders in acht, Ali Mustafa!“

      Der Kerl schlug noch einmal von der Seite her mit der Peitsche zu. Die Schnüre wickelten sich um Alis Hals. Er ließ den schweren Riemen los und griff mit beiden Händen an die Stelle.

      Der Zuchtmeister lachte höhnisch.

      „Kein Wasser und kein Essen heute“, sagte er. „Weiterpullen und kräftiger durchziehen, sonst blüht dir morgen das gleiche. Ich werde dich besonders scharf im Auge behalten.“

      Ali Mustafa warf seinem Peiniger einen haßerfüllten Blick zu. In seinen Augen standen Tränen der hilflosen Wut, des Schmerzes und der Enttäuschung.

      „Einmal komme ich hier heraus“, flüsterte er so leise, daß es nicht einmal Ahmed hörte. „Und dann kannst du verdammter Hundesohn etwas erleben.“

      „Hör auf zu flüstern“, zischte Ahmed aus dem Mundwinkel. „Der Kerl beobachtet dich und wartet nur auf eine Gelegenheit, dir eins überzuziehen.“

      Ali Mustafa sagte vorerst nichts mehr. Aber in seinen Augen brannte es wie Feuer. Er hätte das alles ja noch hingenommen, wenn er wirklich schuldig gewesen wäre. Aber das war nicht der Fall. Auch bei Ahmed war es so. Er hatte keinem etwas getan, er war nur einigen Männern im Weg gewesen, die sich auf seine Kosten bereichern wollten.

      Tam – Tam! Der Rhythmus der Trommelschläge steigerte sich. Die Galeere beschrieb einen Bogen und steuerte ein Ziel an, das im Unterdeck niemand kannte.

      Auch diese ständige Ungewißheit zerrte an den Nerven.

      Philip Hasard Killigrew, Dan O’Flynn und der Spanier Don Juan de Alcazar hatten ebenfalls eine Exkursion durch Istanbul unternommen. Jung Hasard begleitete die Männer und fungierte wieder als Dolmetscher, der auch hervorragend die Kunst des Feilschens beherrschte und selbst den ausgekochten Händlern mitunter mächtig auf die Nerven ging.

      Sie sahen sich alles an – die Bärenführer, die Geigen- und Bratschenspieler, die an allen öffentlichen Plätzen zu finden waren, und auch die Bärenführer, die mit ihren Tieren Kunststücke vollführten.

      Sie gingen durch die malerische Altstadt, wo die Häuser uralt und wie hingeduckt standen. Hier gab es ungeahnte Einkaufsmöglichkeiten.

      „Ich bedauere schon heute den Tag, an dem wir Istanbul wieder verlassen“, sagte Don Juan. „Es gefällt mir hier ausnehmend gut.“

      „Ein paar Tage bleiben wir noch“, sagte Hasard. „Bevor wir weitersegeln, müssen wir uns ja auch noch mit Proviant und frischem Trinkwasser eindecken, weil wir immer noch nicht wissen, wo wir denn eigentlich genau herauskommen.“

      Daß es den Weg vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer gab, war ihnen mittlerweile bekannt. Das hatten sie in Erfahrung gebracht. Der weitere Kurs würde nach Griechenland führen, das wußten sie auch, aber es fehlten eben noch ein paar Einzelheiten.

      Sie schlenderten durch eine Gasse, in der es intensiv nach Gewürzen aller Art duftete. Der Geruch war fast betäubend und wirkte einschläfernd auf die Sinne.

      Die Händler hockten vor ihren Buden oder Ständen und dösten im Sonnenschein vor sich hin. Hin und wieder trabte ein Muli mit seinem Herrn auf dem Rücken vorbei.

      Das Hämmern der Silber- oder Kupferschmiede war zu hören. Manche Händler fuhren aus ihrem leichten Schlummer hoch, wenn die vier „Efendis“ vorbeimarschierten. Dann priesen sie lautstark ihre Waren an und überboten sich gegenseitig mit ihrem Geschrei.

      Jung Hasard blieb vor einem winzigen Laden stehen. Der Laden war nur eine Bretterbude ohne Fenster.

      „Hier gibt es Bücher, Dad, Sir“, sagte er. „Richtige dicke Schwarten und Folianten. Vielleicht finden wir hier auch Karten. Wollen wir uns einmal umsehen?“

      „Warum nicht? Wir sind ohnehin auf der Suche nach Karten. Möglicherweise kann der Mann uns weiterhelfen.“

      Der Türke, ein älterer Mann mit grauen Haaren und grauem Bart, begann sogleich zu dienern.

      „Aladin hat alles, was Sie sich wünschen, Efendis“, radebrechte er zum Erstaunen der Arwenacks.

      „Aladin?“ Hasard sah den Alten fragend an. „Aladin hört sich arabisch an.“

      „Ich stamme aus Al Iskandariyah, Efendi. Aladin ist ein alter Seemann, viel in der Welt herumgekommen. Aladin versteht viele Sprachen.“

      Der Alte wirkte verschmitzt, aber nicht schlitzohrig. Er bewies auch gleich, daß er Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Italienisch verstand und auch ganz leidlich sprechen konnte. Er war sogar einer der wenigen, die von England eine Vorstellung hatten, obwohl er noch nicht dagewesen war. Die meisten anderen, auf die sie getroffen waren, hatten nicht einmal gewußt, wo das lag.

      Aladin klatschte in die Hände. Daraufhin erschien ein kleines Kerlchen mit einem Hemd, das bis auf den Boden reichte.

      Aladin orderte Tee, und das Kerlchen verschwand wieder.

      „Wir wollten uns ein wenig umsehen“, sagte Hasard. „Vielleicht finden wir brauchbares Kartenmaterial oder ein paar interessante Bücher. Wir haben nämlich einen sehr belesenen Mann an Bord.“

      Die Idee, dem Kutscher eine Freude zu bereiten und ihm ein paar Bücher zu schenken, war Hasard sofort gekommen, als er sich in dem Laden einmal flüchtig umgeblickt hatte.

      Aladin begann zu palavern und ließ winzige Teetassen an die Arwenacks verteilen. Das Kerlchen schenkte einen duftenden, sehr aromatischen Tee ein.

      „Ich glaube, ich kann Ihnen helfen, Kapitän. Ich kaufe von den Schiffen aus aller Welt immer interessante Sachen auf, die ich dann weiterverkaufe. Ich habe sogar Papageien und zwei kleine Affen. Sie können auch chinesisches Porzellan haben. Ich werde Ihnen alles zeigen, was Sie wünschen.“

      Zuerst aber wurde geplaudert, wie das üblich war. Aladin erzählte von seiner früheren Zeit, als er noch die Meere befahren hatte. Vor ein paar Jahren hatte er sich dann in Istanbul zur Ruhe gesetzt. Er hatte ein gutes Auskommen und war mit sich und der Welt zufrieden.

      Hasard erzählte ihm in kurzen Sätzen, welchen Weg sie in letzter Zeit zurückgelegt hatten und was ihnen widerfahren war.

      „Jetzt wollen wir ins Mittelmeer“, schloß er. „Nach dem Weg haben wir im Schwarzen Meer lange gesucht, wir wissen auch, daß es ihn gibt, nur liegt unser genauer Kurs noch nicht fest.“

      Bei Aladin trafen sie endlich auf einen belesenen, erfahrenen und weltoffenen Mann, der wirklich viel gesehen hatte und sich auch hervorragend auskannte.

      Er trank einen kleinen Schluck Tee und lehnte sich auf seinem Sitzkissen ein wenig zurück. Dann rief er nach dem Jungen, der wie aus dem Boden gewachsen hinter einem Vorhang erschien.

      Er sagte ein paar kurze Sätze auf Türkisch. Gleich darauf erschien der Junge wieder und gab Aladin ein paar Rollen, die er auf den Boden legte und beschwerte.

      „Hier habe ich das, was Sie suchen. Es sind vier Karten, die man aneinanderreihen kann. Mit Hilfe dieser Karten können Sie über Kreta bis zur libyschen Küste segeln. Die meisten Inseln sind eingezeichnet, bis auf ein paar kleine Eilande, und viele sind auch namentlich benannt. Sehen Sie sich die Karten nur gründlich an. Ich werde Ihnen auch die nötigen Erklärungen geben, wenn Sie es