Seewölfe - Piraten der Weltmeere 203. Burt Frederick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Burt Frederick
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395392
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sich das Sprichwort über den Teufel, von dem gesprochen wird.

      Die Stimme Bills ertönte in geradezu schrillem Diskant.

      „Deck! Segler Steuerbord achteraus!“ Bills helles Organ steigerte sich zu höchster Alarmstimmung. „Entfernung acht bis neun Kabellängen! Ein Zweimaster! Alle Segel sind gesetzt! Kollisionskurs!“

      Die Köpfe der Männer waren herumgeruckt. Hasard und Philip vergaßen alle Aufmüpfigkeit wegen des Disputs über vorgeschriebene Anredefloskeln. Mit einem Satz waren sie an der Schmuckbalustrade und starrten in die Richtung, in die bereits ihr Vater und Ben Brighton mit dem Spektiv spähten.

      Hasard brauchte nur eine Sekunde, um zu erkennen, was da unter Vollzeug auf die „Isabella“ zurauschte.

      Handfester Verdruß!

      Der Zweimaster mußte an der Südostseite der Insel gelauert haben – unsichtbar für den Seewolf und seine Crew. Möglicherweise gab es dort sogar eine Landzunge, die prächtigen Sichtschutz für einen solchen Überraschungsplan bot.

      Hasard wirbelte herum. Mit diesem Schiffbrüchigen hatte er von Anfang an ein ungutes Gefühl gehabt. Jetzt bestätigte es sich. Deshalb bestand nicht der geringste Zweifel darüber, von welcher Sorte die Absichten waren, die die Kerle auf dem Zweimaster hegten.

      „Ben!“

      „Sir?“

      „Hoch mit dem Anker! Kurs etwa West-Nord-West. Klar Schiff zum Gefecht!“

      „Aye, aye, Sir!“ Ben Brighton war mit zwei Schritten bei der vorderen Schmuckbalustrade.

      Der Seewolf brauchte nicht hinzuzufügen, daß höchste Eile geboten war. Seine Männer und er waren mehr als einmal mitten in die Hölle gesegelt. Jeder an Deck konnte beim Anblick des fremden Seglers zwei und zwei zusammenrechnen. Deshalb wußten sie alle, daß jetzt, von diesem Augenblick an, jede Sekunde zählte.

      „Hoch mit dem Anker!“ tönte Ben Brightons energische Befehlsstimme über das Deck. „Klar zum Setzen von Blinde, Focksegel, Großsegel und Marssegel! Tempo, Tempo, bewegt euch!“

      Er brauchte es nicht zweimal zu befehlen. Augenblicklich entstand Wuhling auf der Kuhl und zum Vordeck hin. Doch das scheinbare Durcheinander trog. Jede Bewegung der Männer, die in fliegender Hast auseinanderspritzten, war aus jahrelanger Erfahrung heraus geplant.

      Ben Brightons Befehle erklangen jetzt in unablässiger Folge, begleitet vom Knarren des Ankerspills.

      „Al Conroy, Batuti und Big Old Shane. Seht zu, daß unsere Lady Isabella gefechtsklar ist! Fangt mit den achteren Drehbassen an!“

      „Aye, aye, Sir!“ tönte es von der Kuhl zurück, und es klang fast wie ein Freudenschrei. Was indessen daraus sprach, war nichts als wilde Entschlossenheit, es diesen Halunken zu zeigen, die nichts anderes als eine krumme, hinterhältige Tour im Kopf haben konnten.

      „Was steht ihr noch herum!“ herrschte der Seewolf seine Söhne ungewollt grob an, während er schon wieder das Spektiv hob. „Holt Pützen mit Wasser! Streut Sand auf die Decksplanken! Und dann meldet euch beim Kutscher wegen der Kohlebecken!“

      „Aye, aye, Sir!“ Die Zwillinge stießen es strahlend hervor, und dann rannten sie los, daß es eine wahre Freude war. Mit affenartiger Geschwindigkeit hasteten sie den Niedergang zur Kuhl hinunter.

      Ben Brightons Befehle fetzten knapp und präzise über die „Isabella“, deren erstes Tuch sich entfaltete. Ein Ächzen ging durch die Beplankung, als sich das Focksegel unter dem Wind blähte. Im nächsten Moment griff der Südost auch in das Blindesegel. Sofort darauf senkte sich auch das mächtige Großsegel von der Rah. Mit katzenhafter Gewandtheit enterten die Männer höher hinauf, zu den Marssegeln.

      „An die Brassen!“ rief Ben Brighton, als die ersten Männer von der Blinde und vom Ankerspill zurückhasteten.

      Auch die Marssegel wurden mittlerweile von den Geitauen befreit. Das Ächzen der Beplankung ließ nach, während die Galeone Fahrt aufnahm.

      Jetzt zeigte sich der Vorteil ihrer ranken Bauweise, wie sie vom besten Schiffsbauer Englands konzipiert und verwirklicht worden war. Dieses Schiff hatte nichts von der Plumpheit einer Seekuh, an die die alten spanischen Galeonen bisweilen erinnerten. Nein, die „Isabella“ war der schlagende Beweis dafür, daß Konstrukteure ihren Grips nur ein wenig anzustrengen brauchten, um die überlieferten Schiffsbauprinzipien in zeitgemäße Pläne umzuwandeln.

      Der Seewolf warf einen raschen Blick durch das Spektiv. In der knappen Zeitspanne, die die Crew zum Ankerlichten und Segelsetzen gebraucht hatte, war der fremde Segler auf etwa sechs Kabellängen nähergerückt.

      Noch einmal setzte Hasard den Kieker ab und legte den Kopf in den Nacken.

      „Bill!“ brüllte er.

      „Sir?“ Der Moses reckte den Oberkörper über die Segeltuchverkleidung des Ausgucks.

      „Runter mit dir! Sofort!“

      „Aye, aye, Sir!“ Bill schwang sich über den Mars und folgte den Männern, die ihre Arbeit am Großmarssegel beendet hatten.

      Immer noch erklangen Ben Brightons Befehle. Zusehends gewann die „Isabella“ an Fahrt.

      Al Conroy und Big Old Shane stürmten auf das Achterkastell und schleppten Pulverhörner und Säcke mit gehacktem Blei heran. Zufrieden registrierte der Seewolf, daß auch seine Söhne mithalfen, so schnell sie konnten. Und sie machten ihre Sache so verdammt gut, als hätten sie ihr ganzes junges Leben nirgendwo anders als auf Schiffsplanken verbracht.

      Pete Ballies Riesenfäuste hielten das Steuerruder wie Schraubstöcke. Geradezu elegant beschrieb die Galeone einen weiten Bogen nach Backbord und lag dann auf Kurs West-Nord-West, wie es der Seewolf angeordnet hatte.

      Hasard nahm sich unterdessen keine Zeit, sich näher mit dem Geschehen auf der Insel zu befassen. Was sich dort möglicherweise abspielte, ließ sich leicht ausmalen.

      Er visierte den Zweimaster mit dem Spektiv an. Die Distanz war mittlerweile auf fünf Kabellängen zusammengeschrumpft. Doch mit zunehmender Fahrt der „Isabella“ blieb die Entfernung zwischen den beiden Schiffen eher konstant, und die Angreifer hatten das Nachsehen. Sie waren zum Kurswechsel gezwungen, wenn sie ihr Vorhaben überhaupt noch in die Tat umsetzen wollten. Andererseits liefen sie aber Gefahr, daß der Gegner den Spieß umdrehte und selbst zum Angriff überging.

      Daß ihnen diese Gefahr drohte, mußten sie inzwischen begriffen haben. Das Überraschungsmoment nützte ihnen nichts mehr. Dafür war die „Isabella“ zu schnell. Und sie hatte einen hellwachen Burschen im Ausguck, der im entscheidenden Moment nicht vor sich hin gedöst hatte.

      Daß der Zweimaster von vornherein nichts anderes als einen Angriff im Sinn gehabt hatte, daran bestand für Hasard nicht mehr der geringste Zweifel. Welche Rolle der Schiffbrüchige in diesem Zusammenhang spielte, war ihm noch nicht vollends klar. Aber so oder so – die wohlgemeinte Hilfeleistung erwies sich jetzt als ein Ding mit Pferdefuß.

      Dieser Zweimaster war mit absoluter Sicherheit nicht in ostasiatischen Breiten gebaut worden. Ohne zweimal hinsehen zu müssen, stellte Hasard fest, daß es sich um eine Karacke handelte, wie sie nach wie vor im Mittelmeerraum gebräuchlich war. Die Beflaggung sagte ihm indessen nichts, nicht das geringste. Phantasiefarben. Oder bestenfalls die Nationalitätszeichen, die sich einer dieser indonesischen Inselstaaten gegeben hatte.

      In der Tat änderte die Karacke jetzt ihren Kurs nach Westen. An den Brassen sah Hasard drahtige, braungebrannte Männer mit nackten Oberkörpern. Indonesier ohne Zweifel. Er spähte zum Achterkastell der Karacke, die bestenfalls einhundertfünfzig Tonnen groß war. Zwei, drei Männer konnte Hasard dort hinter der Balustrade erkennen. Europäer – nach Kleidung und Statur.

      Was, in aller Welt, hatte das zu bedeuten?

      Es brachte nichts ein, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Denn die geöffneten Stückpforten der Karacke sprachen eine unmißverständliche Sprache. Hasard zählte sechs Geschütze auf der Steuerbordseite. Neunpfünder oder allerhöchstens