Seewölfe Paket 28. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954399963
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für ihn“, sagte der Profos. „Ich kann ihn nicht bedauern.“

      Das tat keiner. Die Männer des Seewolfes waren sich einig. Moravia hatte seine gerechte Strafe erhalten.

      Diener des Sultans beluden die „Santa Barbara“ an diesem Morgen mit Proviant. Es war viel zuviel für die Laderäume der Galeone. Einen Teil mußte Hasard zurückschicken, weil einfach kein Platz dafür war.

      Zur Mittagsstunde erschien der Sultan selbst an Bord der „Santa Barbara“. Er ließ sich von seinen Wächtern in einem großen Boot übersetzen. Gemächlich enterte er auf und trat zu Hasard und den Mannen auf das Achterdeck.

      „Wir werden immer Freunde bleiben“, sagte er zu Hasard. „Wann immer ihr nach Masquat zurückkehrt – ihr werdet meine Gäste sein. Warum bleibt ihr nicht noch ein paar Tage?“

      „Wir müssen weitersegeln“, erwiderte Hasard. „Wir haben noch eine weite Reise vor uns.“

      „Kehrt ihr in eure Heimat zurück?“

      „Ja, aber vorher wollen wir noch Arabien erkunden.“

      „Seid vorsichtig“, entgegnete Quabus bin Said. „Nicht überall werdet ihr auf Freunde stoßen.“

      „Die Erfahrung haben wir bereits gemacht“, sagte der Seewolf. „Aber verrate mir jetzt, was ich dir für den Proviant schulde, Hoheit.“

      „Nichts. Keine einzige Münze.“

      „Das kann ich nicht annehmen.“

      „Du mußt es tun“, sagte der Sultan bestimmt. „Du würdest mich tödlich verletzen, wenn du dieses Geschenk nicht als Zeichen meiner Dankbarkeit und Freundschaft anerkennen würdest.“

      Hasard blieb nichts anderes übrig – er mußte es akzeptieren. Die Mannen und er verabschiedeten sich herzlich von Quabus bin Said und von Mustafa. Dann gingen die Besucher wieder von Bord.

      Am frühen Nachmittag setzten sie auf der „Santa Barbara“ wieder die Segel. Mit Vollzeug glitt sie bei südöstlichen Winden nach Norden. Die Reise wurde fortgesetzt.

      Am nächsten Tag erreichten die Arwenacks die Straße von Hormus am Golf von Oman. Hier präsentierte sich ihren Augen ein einzigartiges Schauspiel. Sie sahen den Golf von Iran vor sich.

      Was sie dort erwartete, konnten sie höchstens ahnen. Aber sie forschten weiter, mit dem Drang, alles zu erkunden, was auf ihrem rätselhaften Kartenmaterial verzeichnet war …

      ENDE

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      1.

      Ende März 1597, Persischer Golf, Westküste bei Abu Dhabi.

      Diese Ecke im Südwesten des Golfes sollte später den sinnigen Namen „Piratenküste“ erhalten. Später! Die Arwenacks wußten nichts davon – konnten sie auch nicht, denn bisher hatte noch kein englischer Seefahrer den Persischen Golf durchsegelt. Die Portugiesen und Spanier wußten da schon besser Bescheid, hängten ihr Wissen aber nicht an die große Glocke.

      Wenn man nämlich hinauf zum Schatt el Arab wollte, dem Endpunkt des Zweistromlandes, dann blieb man gefälligst auf der Ostseite des Golfes, also auf der persischen Seite. Denn die arabische Westseite hatte seit langer Zeit einen üblen Ruf.

      Aber, wie gesagt, die Arwenacks waren ahnungslos.

      Um diese Zeit herrschten Nordostwinde vor. Und um nicht in die Abdeckung des persischen Hochlandes auf der Ostseite des Golfes zu geraten, hatte Hasard die Route längs der Westküste vorgezogen. Er verfuhr nach der schlichten navigatorischen Regel, dem Küstenverlauf zu folgen, um ans Ziel zu gelangen. Schließlich war der Golf eine Art Binnenmeer.

      Seemännisch und navigatorisch war diese Entscheidung Philip Hasard Killigrews völlig in Ordnung, auch wenn sich diese Route auf der Westseite länger hinzog als die Route an der persischen Küste drüben.

      Zur Zeit lief die „Santa Barbara“ beim Verlauf der arabischen Küste nach Südwesten volle Fahrt, nämlich fast platt vorm Laken. Es war das, was Edwin Carberry mit „der Lust des Seefahrers“ bezeichnete. Bei Wind von achtern hatte man nämlich so eine Art Hochgefühl. Da konnte man dem Wind alle Tücher darbieten und „die große Brause“ machen, ohne sich mit viel Segeltrimm abrackern zu müssen – im Gegensatz zum Kreuzkurs.

      Der war keine „Lust“, sondern, laut Carberry, „der letzte Scheiß“. Wer sollte da widersprechen? Das war knapp und präzise auf den Punkt gebracht.

      Also: feiner Wind von achtern, Sonne, glasklare See von blaugrüner Färbung, mäßig bewegt – da konnte man Däumchen drehen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. An Backbord zogen Inseln und Inselchen vorbei. Hinter ihnen lag das dünengewellte Land, dazwischen Watt, von Prielen durchzogen. Auf Korallenbänke war zu achten – und auf Sande.

      Fast wie an der Nordseeküste, dachte Hasard, wenn man die Korallenbänke ausklammert. Und wärmer war’s hier auch. Trotzdem – der Golf hatte einen erheblichen Tidenhub, also das, was man den Höhenunterschied von einem Niedrigwasser bis zum nächsten Hochwasser bezeichnet. Hier mochte er etwa sechs Yards betragen. Da hieß es aufpassen.

      Zur Zeit herrschte Hochwasser. Und die Zeit von einem Hochwasser bis zum nächsten Niedrigwasser – beziehungsweise umgekehrt – betrug etwa zehn Stunden, vielleicht sogar mehr.

      Im Ausguck befand sich Paddy Rogers. Er mußte jene Stellen voraus melden, wo das Wasser eine hellere Färbung annahm. Da war mit Sicherheit eine Sandbank anzutreffen. Um ungehinderte freie Sicht nach voraus zu haben, hatte Paddy Rogers den Ausguck im Vormars bezogen. Vom Hauptmars aus hätten ihm die Vorsegel die Sicht versperrt.

      Paddy war fleißig am Sichten und Melden.

      Zwei andere Arwenacks waren ebenfalls fleißig, nämlich die beiden jüngsten Gentlemen an Bord – Hasard und Philip junior. Sie hatte das gepackt, was man einen jugendlichen Beschäftigungstrieb nennt. Vom Segeln vorm Wind – „der Lust des Seefahrers“ – hielten sie zwar auch eine ganze Menge, aber das betulich Romantische an dieser Art Segelei überließen sie doch lieber den älteren Gentlemen.

      Kurz und gut – sie angelten.

      Wer hier meint, das Bild des am Ufer sitzenden und auf den Kork im Wasser stierenden Anglers vor sich zu haben, der irrt. Eine Angelrute war auch nicht im Spiel. Die beiden Junioren hatten ein anderes Verfahren ausgetüftelt, das, wie sie meinten, durchaus vom im Fahrt befindlichen Schiff her zu betreiben sei.

      Big Old Shane, ehemaliger Schmied auf der Feste Arwenack, hatte ihre Idee zur handwerklichen Ausführung gebracht. Er hatte ihnen aus Kupferblech hübsche Fischchen von der Länge des kleinen Fingers ausgeschnitten, ihre Schwänze mit einem Haken und ihre Köpfe mit einem Ring versehen. An dem Ring wurde eine lange Angelschnur befestigt. Außerdem befanden sich an diesem Schnurende eingeknotete Bleikugeln.

      Die Angelschnur selbst war auf einer Handrolle aufgespult. Hasard und Philip junior hatten ihre Überlegungen wie folgt dargelegt: Man müsse davon ausgehen, daß größere Fische die kleineren zu fressen pflegten – im Fluge sozusagen, das heißt, aus der Bewegung heraus. Unstreitig sei die Freßsucht bestimmter Fischarten sowie ihre Neugier. Daraus folgere, daß ein kleiner imitierter Fisch aus Kupfer ihr Interesse erregen werde.

      Werfe man nun diesen Kupferfisch an der Angelschnur möglichst weit über Bord – als Gewichte dienten die Bleikugeln –, dann werde die Schnur auf der Rolle abgespult und schwinge mit dem Köderfischlein am anderen Ende wieder zum Schiff zurück. Gleichzeitig müsse man Hand über Hand die Schnur heranziehen oder wieder auf der Rolle aufspulen, womit man den Eindruck erwecke, als schwimme das Fischlein.

      Bei der Bewegung im Wasser blinkere das polierte Kupfer, was als günstiger Effekt zu bezeichnen sei, weil es schimmernde Schuppen vortäusche.

      Dem Effekt zufolge hatten die Junioren ihr Angelgerät mit dem