Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
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Thorne, der ebenfalls spitzgekriegt hatte, daß sich dort drüben beim Dock etwas rührte. Ben erklärte es ihm mit wenigen knappen Worten.

      „Lauf hinüber zur ‚Bloody Mary‘“, fügte er hinzu, „hoffen wir, daß sie noch nicht bis zum Stehkragen voll sind. Sie sollen ihre Beine in die Hand nehmen und so schnell wie möglich hier antanzen.“

      „Aye, aye, Sir“, entgegnete Will Thorne halblaut, wirbelte herum und eilte von Bord. Seine Schritte waren nicht zu hören. Er wußte, auf was es ankam.

      Ben Brighton ging unter Deck und rüttelte den alten O’Flynn wach. Gemeinsam begannen sie sofort, die Beiboote der „Isabella“ zu klarieren. Jede Sekunde war jetzt wertvoll. Denn lange konnte es nicht mehr dauern, bis die „Revenge“-Crew ihre Vorbereitungen beendet hatte.

      Eins stand für Ben Brighton jedoch fest: Parsons und seine Leute unterschätzten die Wachsamkeit der Seewölfe. Einen Sieg bei einer Wirtshausprügelei errungen zu haben, bedeutete für sie noch lange nicht, daß sie hinterher alle. Vorsichtsmaßregeln vergaßen.

      Selbst der stets besonnene und ruhige Ben Brighton mußte bei der Vorstellung grinsen, welcher höllisch unfreundliche Empfang den „Revenge“-Leuten bereitet werden würde.

      Schlagartig wurde es lebendig auf den Kais rings um die Mill Bay. Der plötzliche Aufbruch der Seewölfe und ihrer Freunde aus der „Bloody Mary“ war in den benachbarten Hafenschenken nicht unbemerkt geblieben. Überall strömten die Schaulustigen ins Freie. Die Fackeln am Rand der Piers wurden angezündet. Stimmengewirr und ungewohnte Helligkeit weckten auch die Einwohner in den weiter entfernt gelegenen Häusern. So ergab es sich, daß die Schar der Menschen auf dem Kai rasch anschwoll, wie es bereits tagsüber der Fall gewesen war.

      Niemand konnte indessen schon erkennen, was der Anlaß für die plötzliche Betriebsamkeit von Philip Hasard Killigrews und Jean Ribaults Männern war.

      Zu undurchdringlich war noch die Dunkelheit über der weiten Wasserfläche der Mill Bay.

      Die Männer der „Le Vengeur“ hatten sich nicht erst die Mühe bereitet, an Bord zu gehen. Weiter voraus, an den Stegen, lagen genügend Jollen, deren Festmacher man nur zu lösen brauchte. So waren die Gefährten aus Jean Ribaults Crew die ersten, die mit insgesamt drei Booten auf die Bucht hinauspullten. Piet Straaten und die anderen, die als Bordwache zurückgeblieben waren, ließen ein Beiboot von der „Le Vengeur“ zu Wasser. Sie mannten genügend Enterbeile, um damit auch ihre Kameraden ausrüsten zu können.

      Klatschende Ruderschläge bestimmten jetzt die Szenerie in der Mill Bay. Längst mußte die noch unsichtbare Meute von der „Revenge“ begriffen haben, daß ihr heimliches Manöver nicht so unbemerkt geblieben war, wie sie es erhofft hatten.

      Edwin Carberry verteilte die „Isabella“-Crew auf vier Beiboote. Dadurch hatten sie den Vorteil größerer Beweglichkeit. Und zur Überraschung aller gelang es dem Profos bei dieser Blitzaktion sogar, seine Donnerstimme so zu dämpfen, daß es ihnen wie ein Flüstern erschien.

      In fieberhafter Eile wurden die Boote zu Wasser gelassen, und kurz darauf klatschten die Riemen in die bis eben noch stille Oberfläche der Mill Bay.

      Lediglich der alte O’Flynn und Will Thorne blieben auf der Kuhl der „Isabella“ zurück. Doch sie hatten keineswegs Zeit, die Hände in den Schoß zu legen. Ihnen fiel eine besondere Aufgabe in dieser grimmigen Abwehraktion zu, die die Seewölfe so blitzschnell entfesselten. Alle waren sie schlagartig nüchtern geworden, als der Segelmacher mit der alarmierenden Nachricht in die „Bloody Mary“ gestürmt war.

      An Land verdichtete sich die Menschenmenge zusehends. Schon übertönte das aufgeregte Stimmengewirr die Rudergeräusche in der Bucht.

      Sie waren etwa zehn, zwölf Yards von der „Isabella“ entfernt, als Edwin Carberry sich zu voller Größe im Boot aufrichtete und seinen Befehl hinausbrüllte.

      „Feuer frei!“

      Die Donnerstimme des Profos ließ die Zuschauer auf dem Kai still werden. Doch es gab kein Krachen von Pistolen und Musketen, wie sie es fast geglaubt hätten.

      Auf der Galeone der Seewölfe flammten kleine Lichtpunkte auf. Dann ein scharfes Zischen in rascher Reihenfolge. Grelle Funkenbahnen stiegen schräg zum Nachthimmel empor, und dann erfolgten mehrere dumpfe Donnerschläge.

      Gleißende, grellweiße Feuerbälle entfalteten sich hoch über der Mill Bay und tauchten den ganzen Hafen von Plymouth in taghelles Licht. Langsam, wie von unsichtbaren Vögeln in den Klauen getragen, schwebten die Feuerbälle in die Bucht hinunter. Aber noch bevor sie knapp über der Wasserfläche verglühten, erfolgten neue Donnerschläge, und neue Lichtkugeln öffneten sich in großer Höhe.

      Will Thorne und der alte O’Flynn arbeiteten auf der Kuhl der „Isabella“ ohne Pause und zündeten Rakete auf Rakete.

      Der faszinierende Anblick des chinesischen Feuers verwandelte die Menschen auf dem Kai in eine vor Staunen erstarrte Menge. Erst nach einer Weile vermochten sie ihre Aufmerksamkeit von diesem Wunder aus dem Fernen Osten loszureißen.

      Das Geschehen, das sich auf der Mill Bay abzuspielen begann, erinnerte unter der Festbeleuchtung an ein grandioses Schauspiel – eine Aufführung unter freiem Himmel, die Drama und Komödie zugleich war.

      Da waren die Boote der „Revenge“, insgesamt fast ein Dutzend, die sich in wohlgeordneter Formation auf die an der Pier liegenden Schiffe des Seewolfs und Jean Ribaults zubewegten. Die Gruppierung, die sie eingenommen hatten, glich einem Halbmond, dessen äußere Enden nach vorn, auf den „Feind“, gerichtet waren. In einem der mittleren Boote stand Robert Parsons, der erste Offizier, und seine Positur erinnerte an die eines Flottenkommandanten hinter der Schmuckbalustrade einer mächtigen Kriegsgaleone.

      Einige der Zuschauer konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Es war mittlerweile bekannt, welche Formation die spanische Armada bei ihrem Angriff auf die königlich englische Flotte eingenommen hatte. Und haargenau diese Formation kopierten jetzt die Männer von Admiral Drakes Flaggschiff. Daß sie dies in ihren Ruderjollen taten, hatte etwas höchst Groteskes.

      Der weiße Feuerregen, der plötzlich vom Himmel fiel, brachte die „Revenge“-Männer in sichtliche Verwirrung. Allen Schaulustigen wurde jetzt klar, daß Parsons und seine Leute damit gerechnet haben mußten, daß sie unbemerkt die „feindlichen“ Schiffe erreichen würden.

      Und dann noch die Tatsache, daß von der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ ebenfalls Boote „in See gegangen“ waren – Boote, deren Besatzungen in äußerst ungeordneter Formation zum Gegenangriff ansetzten.

      Zusätzliche Demoralisierung bewirkte bei Parsons Mannen das plötzliche wilde Gebrüll, das die Seewölfe und ihre Kampfgefährten anstimmten. Ihr Schlachtruf hallte wie Donnerbrausen über die weite Wasserfläche der Mill Bay.

      „Ar-we-nack! Ar-we-nack!“ Immer wieder stießen sie diesen Ruf aus, während sie mit kräftigen Schlägen auf den Gegner zupullten.

      Letzterer geriet in jähes Durcheinander. Die eben noch präzise Schlachtordnung löste sich auf, und es hatte den Anschein, als wußte Robert Parsons nicht recht, ob er zum Rückzug oder zum Angriff blasen sollte. Sein offenkundiges Zögern wurde zu einem nicht wieder auszubügelnden Nachteil für die „Revenge“-Männer.

      Die Zuschauer an Land hielten den Atem an. Es war schon ein schaurigeindrucksvoller Anblick, den die Verteidiger der beiden stolzen Schiffe boten. Im Bug jedes Bootes standen mindestens zwei oder drei von ihnen bereit zum Angriff, während die anderen pullten, als gelte es, dem Teufel persönlich ins Gesicht, zu springen.

      Die Männer der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ waren mit Enterbeilen bewaffnet, die sich hoch über ihren Köpfen schwangen. Aber da gab es noch andere, die einem unbeteiligten Beobachter leicht einen Schauer über den Rücken jagen konnten: der bullige Profos Edwin Carberry, dem seine bloßen Hände genug waren, um es mit den Angreifern aufzunehmen, der riesenhafte Schiffszimmermann Ferris Tucker, der seine schwere Axt mitgeschleppt hatte und dessen Haare im grellen Licht des chinesischen Feuers einen noch rötlicheren Schimmer hatten als gewöhnlich, und da war der