Seewölfe Paket 9. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394982
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Er schwitzte. Und es gab kein Anzeichen dafür, daß es kühler werden würde. Im Gegenteil, es deutete alles darauf hin, daß es mitten im September noch einmal einen richtig heißen Sommertag geben würde.

      Drake beugte sich vor, als er plötzlich die Kutsche und die Gruppe der Rastenden am Wegesrand sah.

      Diese beiden Jungen!

      Ihr Anblick stach ihm ins Auge. Schlagartig vergaß er alles, was ihn eben noch beschäftigt hatte. Selbst die Schweißtropfen auf seiner Stirn waren jetzt nebensächlich geworden.

      Die Zwillinge, die vor der haltenden Kutsche stehengeblieben waren und ihr entgegensahen, erkannte er sofort. Ihre Gesichtszüge hatten sich damals in seine Erinnerung gebrannt, weil sie ihrem Vater so sehr ähnelten. Damals, das war bei dem Überfall auf Cadiz gewesen, als der verdammte Killigrew ihn schon einmal vor versammelter Mannschaft gedemütigt hatte. Seinerzeit hatte Drake auch die Söhne des Seewolfs kennengelernt.

      Admiral Drake brauchte nur Sekunden, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Die Söhne seines Rivalen waren auf dem Weg nach Plymouth, vermutlich, um wieder an Bord der „Isabella“ aufgenommen zu werden. Nun, daraus würde vorerst nichts werden.

      Drake faßte einen blitzschnellen Entschluß. Es war eine Entscheidung, die mit seinem brutalen Freibeuter-Instinkt in ihm durchbrach. Eine verstandesmäßige Erklärung hatte er dafür keineswegs.

      „Anhalten!“ befahl er dem Mann auf dem Kutschbock, als sie den am Wegesrand haltenden Wagen schon fast erreicht hatten.

      Der Kutscher zügelt das Zugpferd, und die Kutsche des Admirals blieb unmittelbar neben den Zwillingen stehen. Philip und Hasard blickten freundlich zu dem vornehm gekleideten Mann auf, an dessen Gesicht sie sich erinnerten. Nur wußten sie nicht auf Anhieb seinen Namen und wo sie ihn schon einmal gesehen hatten.

      „Guten Morgen, Sir“, sagten die beiden höflich und wie aus einem Mund.

      „Guten Morgen, Kinder“, erwiderte der Admiral mit scheinheiliger Güte. „Ich denke, ihr werdet mir bei eurer Rast ein wenig Gastfreundschaft gewähren, nicht wahr?“

      „Oh, wir haben schon alles aufgegessen“, antwortete Philip Junior.

      „Aber zu Trinken ist noch da“, fügte Hasard Junior eifrig hinzu.

      „Na, dann ist es ja gut“, sagte Drake mit einem Lachen, zu dem er sich zwingen mußte. Er stieg aus und wurde von den beiden Jungen flankiert, als er um die haltende Kutsche herumging.

      Bill sperrte Mund und Augen weit auf, als er den sehr ehrenwerten Admiral erkannte. Doc Freemont wollte zu einer Begrüßung ansetzen, doch seine Stimmbänder waren plötzlich wie abgeschnitten. Auch der Kutscher, der ebenfalls auf der Decke Platz genommen hatte, brachte kein Wort heraus.

      Denn statt eines Guten-Morgen-Grußes zog Drake blitzschnell seine kunstvoll ziselierte Radschloß-Pistole aus dem Gürtel und richtete die Laufmündung auf den Doc.

      „Ich nehme an, Sie führen hier das Kommando, Old Man“, knurrte der sehr ehrenwerte Admiral. „Sie werden mir diese beiden Knirpse übergeben und keine Scherereien veranstalten. Sonst müßte ich von der Waffe Gebrauch machen. Haben Sie mich verstanden?“

      Doc Freemont wurde blaß. Er war gewiß kein ängstlicher Mann. Aber er sah, daß dieser elegant gekleidete Fremde von wütender Entschlossenheit beseelt war. Eine kochende Wut, die ihn mit Sicherheit nicht zögern lassen würde, abzudrücken. Weshalb es dieser Mann aus heiterem Himmel auf die Zwillinge abgesehen hatte, das vermochte sich Doc Freemont allerdings beim besten Willen nicht zu erklären.

      „Wer immer Sie auch sein mögen“, murmelte er tonlos, „Sie müssen den Verstand verloren haben. Wie können Sie es wagen, zwei unschuldige Kinder zu entführen?“

      „Das geht Sie einen feuchten Dreck an!“ fauchte Drake in zunehmender Wut. Die Tatsache, daß dieser Kerl ihn, den ruhmreichen Admiral, nicht einmal kannte, trieb ihn fast zur Weißglut. Aber er ließ es sich nicht anmerken. Im Moment war es wichtiger, daß diese Angelegenheit zügig abgewickelt wurde.

      „Wir lassen uns nicht entführen!“ schrie Philip Junior zornig.

      „Nein, wir gehen nicht mit diesem Mann!“ ereiferte sich auch der kleine Hasard.

      Beide machten Anstalten, das Weite zu suchen.

      Drake stoppte den Ansatz ihrer Bewegungen mit schneidender Stimme.

      „Das werdet ihr hübsch bleiben lassen, ihr kleinen Strolche! Wenn ihr nicht pariert, bin ich gezwungen, eurem Opa, oder was er sonst ist, ein Loch durch den Schädel zu blasen!“

      Die Zwillinge erstarrten vor Überraschung. Aus geweiteten Augen blickten sie Doc Freemont an.

      „Es tut mir leid, Kinder“, sagte dieser voller Bitterkeit. „Aber wir können nichts gegen diesen gemeinen Überfall tun. Nur eins: tut, was der Mann von euch verlangt. Leistet keinen Widerstand. Versprecht ihr mir das?“

      Philip und Hasard waren wütend. Aber sie waren beide intelligent genug, um jetzt den tödlichen Ernst dieser Situation zu begreifen.

      „Ja“, antwortete Philip mit erstickter Stimme.

      „Ausgezeichnet“, höhnte Drake, „dann hätten wir die Fronten ja geklärt. Los, rüber, ihr beiden! In meine Kutsche!“

      Die Jungen befolgten den Befehl und trotteten zu dem Einspänner des Admirals, der in ihren Augen gar nicht mehr so ehrenwert war, wie sie es immer gehört hatten.

      Drake ging langsam rückwärts, wobei er die schwere Pistole fortwährend auf den Doc gerichtet hielt. Die großkalibrige Kugel dieser Waffe hatte genügend Durchschlagskraft, um einen wilden Stier zu töten.

      „Kutscher!“ brüllte Drake während seines vorsichtigen Rückzugs. „Spann ihnen die Pferde aus und trieb sie weg! Los, los, Beeilung!“

      Während Drake auf halbem Weg verharrte und den Doc und die beiden anderen in Schach hielt, sprang sein Kutscher vom Bock. Das Klirren von Geschirr war zu hören. Dann die rauhe, anfeuernde Stimme des Mannes. Und schließlich rasendes Hufgetrappel, als die beiden Zugpferde Doc Freemonts ins freie Gelände flohen.

      Sir Francis Drake stieg auf seinen ledergepolsterten Sitz zurück, als auch der Kutscher wieder seinen Platz einnahm. Die Zwillinge saßen dem Admiral stocksteif gegenüber, mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Ihre Augen waren schmal und zornig, als sie ihren Bezwinger anstarrten.

      Drake schob die Pistole zurück in seinen Gürtel und lächelte. Es war ein kaltes, hämisches Lächeln. Die Zwillinge nahm er kaum wahr. Seine Gedanken waren weit entfernt.

      Er hatte noch keine klare Vorstellung darüber, was er mit den beiden Jungen anfangen würde. Auf alle Fälle aber würde ihm dieser gelungene Handstreich mehr als nützlich sein. In seinem Bestreben, sich an Killigrew zu rächen, würden sie ihm äußerst brauchbare Werkzeuge sein. Auf die eine oder andere Weise.

      Nicht einen Moment wurde ihm bewußt, zu welchen erbärmlichen Mitteln er sich damit herabließ. Für ihn zählte nur die Tatsache, daß der Vater dieser Knirpse im Begriff war, ihm den Rang abzulaufen und seinen Ruhm zu schmälern.

      Das konnte und durfte ein Francis Drake nicht hinnehmen.

      Jede Methode war seiner Meinung nach gerechtfertigt, um das zu verhindern. Verdammt, ja, diesem Bastard, der sich selbstherrlich als Seewolf feiern ließ, würden die Augen übergehen! Klein und häßlich sollte er vor ihm, dem ruhmreichen Admiral, zu Kreuze kriechen!

      Drake lehnte sich zurück, nachdem sein Kutscher das Zugpferd angetrieben hatte.

      „Oh, mein Gott“, stöhnte Doc Freemont. Langsam, wie unendlich müde, richtete er sich auf. „Ich begreife das nicht. Wer ist dieser Mann, daß er einen solchen Haß hat, um zwei hilflose Kinder zu entführen?“

      Bill und der Kutscher standen mit betroffenen Mienen neben ihm.

      „Das war Sir Francis Drake“, sagte Bill leise.

      „Was?“ Doc Freemont starrte ihn entgeistert