Seewölfe Paket 18. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397761
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erklärt hatte.

      Im Prinzip legte sich Mardengo die gleiche Strategie zurecht wie Gato, der von Bord der „Isabella“ aus in diesem Moment immer noch die Laternen der Schiffe beobachtete. Man mußte abwarten und erst einmal herausfinden, was der Gegner vorhatte. Dann konnte man ihn angreifen und versuchen, ihn auf das Riff zu locken. Wie sonst sollten die Piraten gegen sieben gut armierte Galeonen bestehen, die Pirates’ Cove mit ihren Kanonen mächtig einheizen würden?

      Der Verband mußte um die Hälfte vermindert werden, dann konnte Mardengo ihn angreifen. Die „Isabella“ konnte es mit zwei, vielleicht sogar mit drei Schiffen aufnehmen, den Rest besorgten die „San Carmelo“ und die beiden Einmaster.

      Oka Mama hatte aufgehört zu fluchen und drehte sich zu ihren Gefangenen um.

      „Ihr habt uns das alles eingebrockt“, stieß sie hervor. „Macht ihr mit den Spaniern gemeinsame Sache? Sind sie eure Verbündeten?“

      „Nein“, erwiderte Ben. „Wir haben nichts mit ihnen zu tun.“

      „Du sprichst mit gespaltener Zunge, Sohn eines räudigen Hundes und einer Hure“, sagte die Alte. „Wer traut dir schon? Ich ganz bestimmt nicht.“

      „Spanien ist Englands Feind“, bestätigte Big Old Shane Bens Worte. „Wir würden uns niemals mit den Dons einigen. Das gibt es bei uns nicht.“

      „Und wieso sprecht ihr so gut Spanisch?“

      „Ihr bedient euch doch auch der spanischen Sprache“, erwiderte Ben. „Das hat nichts weiter zu bedeuten – oder seid ihr etwa mit den Spaniern verbündet?“

      „Dreh mir nicht das Wort im Mund um!“ schrie sie ihn an. „Ich töte dich!“

      „Oka Mama“, erklärte einer der Piraten. „Was die Hunde sagen, könnte stimmen. Es ist ein reiner Zufall, daß die Spanier hier aufgetaucht sind.“

      „Halt du dein Maul“, sagte sie grob. Dann vollführte sie eine unwirsche Gebärde. „Los, führt dieses Gesindel ab. Ich will sie vorläufig nicht mehr sehen. Nachher beraten wir, was mit ihnen geschieht – ich entscheide es! Sperrt sie in die Hütten, immer acht Mann auf einmal!“

      Die Piraten beeilten sich, den Befehl auszuführen. Oka Mama trat zwischen die Hütten und hob lauschend den Kopf. Noch war kein Kanonendonner zu vernehmen. Wenn die Spanier mit ihren Galeonen auf das Riff liefen, war die Partie halb gewonnen. Wenn einige von ihnen am Nordufer landeten, fanden sie in den Fallen den Tod. Doch wenn es nur einem Teil des Verbandes gelang, nach Osten abzulaufen, die Insel zu runden und in die Ostbucht einzudringen, änderte sich die Lage.

      Oka Mama mußte sich bereit halten. Im schlimmsten Fall mußte sie die Landzunge im Osten aufsuchen und das Katapult bedienen mit dem man die pulvergefüllten Tontöpfe auf die Schiffsdecks des Gegners schleudern konnte.

      Hasard konnte jede Bewegung der Piraten im Schein des Lagerfeuers beobachten. Er hatte gehofft, daß die Alte sich ihm nähern würde – er hätte nicht gezögert, sie gefangenzunehmen. Aber sie stand an der gegenüberliegenden Seite, für ihn vorerst unerreichbar.

      Er mußte handeln und durfte keine Zeit mehr vergeuden, sonst war auch diese Chance vertan. Nur wenige Piraten befanden sich als Wachen im Lager. Sie hatten die Seewölfe jetzt in die Hütten gestoßen und rammten die Türen zu. Riegel wurden vorgeschoben, aber es gab keine Schlösser. Es würde keine Schwierigkeit sein, die Türen wieder zu öffnen.

      Die beiden Negersklaven, die mit furchtsamer Miene hin und her eilten, würden kaum Widerstand leisten, sie wurden ohnehin gegen ihren Willen auf Pirates’ Cove festgehalten. Aber gab es in den anderen beiden Hütten, die nicht als Gefängnis dienten, noch weitere Bewohner des Lagers?

      Hasard stellte sich diese Frage aus einem guten Grund. Er war etwas weiter in südliche Richtung gepirscht und registrierte in diesem Moment, daß sich an der Rückwand einer der beiden Hütten etwas regte. Er verharrte, ließ sich auf den Bauch nieder und robbte im Schutz des Dickichts weiter.

      Jetzt sah er es ganz deutlich: Eins der Bretter, aus denen die Hüttenwände zusammengezimmert waren, wurde von innen her bewegt. Er beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen. Wer immer in dieser Hütte war, er mußte ein Motiv dafür haben, daß er sie nicht auf dem normalen Weg durch die Tür verließ. Offenbar traf er Anstalten, sich heimlich zu entfernen. Aber warum?

       7.

      Ilaria war es in mühseliger, zeitraubender Arbeit gelungen, das Brett in der Rückwand der Hütte zu lockern. Sie stieß es nach außen, dann löste sie noch ein zweites Brett, und der auf diese Weise entstehende Spalt war breit genug, ihre schlanke Gestalt hindurchzulassen.

      Ihre fünf Freundinnen versuchten, sie zurückzuhalten.

      „Tu’s nicht“, flüsterte eine von ihnen. „Solange wir hier gefangen sind, kann uns nichts zustoßen. Aber wenn du fliehst und die alte Hexe dich erwischt, schlitzt sie dich mit dem Messer auf.“

      „Sei still“, raunte Ilaria ihr zu. „Begreifst du nicht? Die Spanier kommen, das hast du doch gehört. Sie bereiten eine Landung vor. Wir gehen dabei drauf, das versichere ich dir.“

      „Aber – sie sind doch unsere Landsleute“, sagte ein anderes Mädchen, „Uns tun sie nichts an.“

      „Sie werden glauben, daß wir zu der Bande gehören“, widersprach Ilaria. „Und dann fackeln sie nicht lange. Gebt euch keinen falschen Hoffnungen hin. Wir müssen die Gelegenheit nutzen und von hier verschwinden. Wartet, ich sehe nach, ob die Luft rein ist. Dann sage ich euch Bescheid.“

      „Ilaria hat recht“, sagte eins der Mädchen leise. „Selbst wenn uns die Spanier am Leben lassen, haben wir keine rosige Zukunft vor uns. Sie würden uns höchstens in ein Bordell der Neuen Welt verfrachten, wie der Kapitän des Schiffes es vorhatte, das von Mardengo überfallen wurde.“

      „Eben“, flüsterte Ilaria. „Wir sind nun mal Huren, daran ändert sich nichts. Aber wir haben heute nacht die einmalige Chance, unsere Freiheit zu erkämpfen. Die nehme ich wahr. Rührt euch nicht von hier weg.“

      Damit schlüpfte sie ins Freie. Ihre Gefährtinnen blickten ihr durch die Öffnung in der Wand nach, konnten ihre Gestalt aber nur noch kurz sehen, denn die Finsternis deckte alles zu. Sie hielten den Atem an. Ilaria hatte Mut, aber würde das Vorhaben wirklich gelingen?

      Oft genug hatten sie erwogen, von der Insel zu fliehen, aber jeder Plan war wieder verworfen worden, denn es genügte nicht, aus dem Lager zu entwischen und einen der Einmaster zu entführen – Pirates’ Cove lag einsam und verlassen im Golf von Neuspanien, wie Oka Mama und Mardengo ihnen immer wieder erklärt hatten. Wer keinen Proviant und kein Wasser mitnahm, würde die Fahrt zum Festland, die Wochen dauerte, niemals überstehen.

      Aber Ilaria setzte alles auf eine Karte. Sie wollte das Durcheinander, das seit dem Eintreffen der Engländer und dem nun völlig überraschenden Erscheinen der Spanier herrschte, entsprechend ausnutzen.

      Die Zeit mußte ausreichen, ein Boot zu beschaffen und den erforderlichen Proviant zu stehlen. Vielleicht gelang es ihr auch, die beiden Negersklaven dazu zu überreden, sich an dem Unternehmen zu beteiligen. Sie hatten große Angst, besonders vor Oka Mama, aber auch sie warteten nur auf eine Gelegenheit, Pirates’ Cove zu verlassen.

      Ilaria tauchte im Mangroven- und Lianendickicht unter, sie wollte einen der Pfade erkunden, den die Piraten in den Urwald getrieben hatten. Wenn hier kein Wachtposten stand, war der Fluchtweg zur Küste und möglicherweise auch bis zur Ostbucht frei.

      Sie hatte keine Waffe, nicht einmal ein winziges Messer. Oka Mama wachte über die sechs Mädchen, nichts konnte ihr entgehen. Sie hatte sie in die Hütte gesperrt, weil sie ahnte, daß sie das Gefecht als Anlaß nehmen würden, sich heimlich davonzuschleichen. Sie hatte angenommen, daß es den Mädchen ohne Hilfsmittel nicht gelingen würde, die Hütte aus eigener Kraft zu verlassen – aber in diesem Punkt hatte sie sich getäuscht.

      Ilaria haßte die Piraten, denen sie ausgeliefert