Seewölfe Paket 7. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954394968
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wieder an ihrem bescheidenen Ehrgefühl gekratzt worden, und in dieser Beziehung hielten sie es wie der Profos. Alles konnte man ihnen vorwerfen, nur Feigheit nicht. Keiner verspürte übermäßige Lust, auf Rempang umherzustreifen und Mangroven zu fällen, aber Hasenfüße ließen sie sich deswegen noch lange nicht nennen.

      Hasard stellte seinen Trupp zusammen: Carberry, Batuti, Pete Ballie, Gary Andrews, Matt Davies und Jeff Bowie.

      Eine halbe Stunde später stießen sie sich mit dem Beiboot von der Bordwand der „Isabella“ ab und pullten zur Insel hinüber. Freundlich grüßten die bewaldeten Hänge unter der Nachmittagssonne herüber, einladend sahen sie aber trotzdem nicht aus.

      „Ihr werdet mich fragen, warum ich ausgerechnet an dieser Stelle der Küste lande“, sagte Hasard, der wieder den Platz auf der Heckducht innehatte. „Nun, ich habe vorhin eine Flußmündung entdeckt. Sie ist stark überwuchert und kaum mit bloßem Auge zu erkennen. Meiner Meinung nach könnte sie von den Piraten als Versteck benutzt werden. Ihr erinnert euch doch noch an Formosa.“

      „Ja, aber dort war der Fluß ziemlich breit“, erwiderte Pete Ballie. „Ich frage mich, ob dieser hier ein größeres Schiff passieren läßt.“

      „Das ist auch eine Frage der Wassertiefe“, sagte Gary Andrews.

      „Und der Beschaffenheit der Fahrzeuge“, sagte der Seewolf. „Ein Praho, meistens mit einem Mast und Auslegern an einer oder zwei Seiten versehen, hat nur geringen Tiefgang.“

      „Aha“, meinte Matt Davies. „Wenn ich recht verstehe, sind die Kähne so groß wie Schaluppen oder Pinassen.“

      „Ungefähr“, entgegnete Hasard.

      „Ideal für Entermanöver“, sagte Matt grinsend. „Die Piraten scheinen es auch hier zu verstehen, den Dons mit dem richtigen Kaliber zu begegnen. Je schlanker und wendiger die Kähne, desto größer die Chance, dem Beschuß der Spanier zu entgehen.“

      Hasard nickte und bewegte die Ruderpinne. Sie hatten jene Stelle im Uferdickicht, die er sich eingeprägt hatte, fast erreicht. Batuti drehte sich kurz um, spähte in den tiefgrünen Blätterwald, schüttelte jedoch den Kopf. Er vermochte den Einschnitt der Flußmündung nicht zu erkennen.

      Etwas später schob sich das Boot jedoch ins schwer hängende Gesträuch und teilte es mit dem Bug. Hier schien die Welt zu Ende zu sein – doch erstaunlicherweise öffnete sich gleich hinter dem undurchdringlich wirkenden Vorhang das Halbdunkel eines Stollens.

      Nicht durch den Fels führte dieser Stollen, nein, er war ein matt schimmernder Gang unter der alles zudekkenden Inselflora, der Weg, den sich der Fluß gegraben hatte.

      Die Aura der Selva nahm die Männer im Boot gefangen. Feuchtigkeit und ein Gemengsel aus vielen verschiedenen Gerüchen senkte sich über sie, ein Gifthauch schien sie zu umfächeln.

      Sie pullten langsamer.

      Das Wasser war zunächst noch klar, wurde nach einigen Yards jedoch braun und brackig. Hasard und seine Männer hatten den Einzugsbereich der See verlassen und stemmten sich gegen die zunehmende Strömung.

      Schließlich wurde der Fluß sehr flach, und die Ufer strebten derart dicht aufeinander zu, daß selbst mit der Jolle kein Durchkommen mehr war.

      „Die Antwort auf unsere Frage hätten wir also“, sagte der Seewolf. „Hierher haben sich die malaiischen Freibeuter nicht zurückgezogen. Spätestens an dieser Stelle hätten wir sonst auf ihre Schiffe stoßen müssen.“

      „Keine Prahos – kein Tiger“, sagte Matt Davies mit schiefem Grinsen.

      „Trotzdem will ich einen Blick in die Runde werfen“, sagte Hasard. „Wir gehen an Land und unternehmen einen kleinen Streifzug. Jeff, du bewachst das Boot.“

      „Aye, Sir.“

      Kurz darauf taten sie wieder das, worauf die Männer so sehr „erpicht“ waren. Mit Säbeln und Entermessern bahnten sie sich einen Weg durch den Urwald, den seit Menschengedenken niemand mehr betreten zu haben schien. Vorn öffnete sich das Gestrüpp unter Hasards und Carberrys erbitterten Hieben, Batuti, Pete, Gary und Matt droschen den Rest nieder. Hinter ihnen schien sich das Dickicht gleich wieder zu schließen – ein unangenehmes Gefühl.

      Insekten schwirrten ihnen in die Gesichter und krabbelten über ihre Oberkörper. Sie waren nicht nur lästig, sondern behinderten sie auch. Myriaden von Mücken und anderem winzigen Getier schienen auf der Insel zu hausen.

      Einzig der schwarze Herkules aus Gambia beschwerte sich nicht. Er war ähnliche Verhältnisse ja aus seiner Heimat gewohnt.

      Pete Ballie hingegen wetterte: „Teufel auch, so eine Plage. Gibt es denn kein Mittel gegen die Bestien?“

      „Totschlagen“, sagte Matt trocken.

      „Dir können die Scheusale wohl gar nichts anhaben, was?“ sagte Gary Andrews.

      „Ich sage: Hier laßt uns Hütten bauen“, erwiderte Matt Davies mit galligem Humor.

      Hasard erwartete, irgendwo auf eine Lichtung zu treffen, denn der Untergrund stieg jetzt an, und bald mußte sich die Vegetation zumindest an vereinzelten Stellen ein bißchen öffnen. Als er von der „Isabella“ aus mit scharfem Blick die Flußmündung gesichtet hatte, glaubte er auch ein paar helle Flecken in dem dichten Bewuchs erspäht zu haben.

      Deshalb arbeitete er sich unverdrossen weiter voran.

      Was er zu finden hoffte, wußte er so genau selbst nicht – vielleicht Spuren, die auf den Tiger hinwiesen. Die Reste eines Lagerfeuers, einer Mahlzeit im Freien, möglicherweise auch Behausungen.

      Carberry hörte einen Laut und blieb stehen.

      „Hasard“, raunte er. „Sir.“

      „Was gibt’s, Ed?“

      „Da ist was.“

      Hasard verharrte ebenfalls und wandte sich zu ihm um. „Ed, willst du mir erzählen, hier spukt es? Hör damit auf, ehe du richtig anfängst.“

      „Nein, Sir. Da ist was“, behauptete der bullige Profos steif und fest.

      Ein Zeichen für die Richtigkeit seiner Behauptung lieferte jetzt Sir John. Der Papagei duckte sich auf seiner rechten Schulter. Seine Nakkenfedern sträubten sich, seine Augen schienen Angst auszudrücken.

      Dann vernahm auch Hasard das Geräusch – und mit ihm die anderen vier.

      Ein Grollen durchlief den Regenwald, ein unerklärliches, unterschwelliges und doch ungemein intensives Brüllen, das geradewegs den tiefsten Schlünden der Hölle zu entweichen schien.

      Selbst der Seewolf konnte sich eines kalten Schauers nicht erwehren, der ihm über den Rücken lief. Sein Blick huschte von Mann zu Mann, und er las Repekt in ihren Mienen, ungeheuren Respekt.

      Batuti rollte mit den Augen, daß das Weiße hervorzuquellen drohte.

      „Teufel“, zischte Matt Davies. „Das hört sich ja an wie – wie …“

      „Schsch“, flüsterte der Gambia-Neger und legte den Zeigefinger gegen die Lippen.

      Unwillkürlich schwiegen die Männer wirklich. Batuti schlich zu Hasard, brachte seinen Mund ganz nah an dessen Ohr und raunte: „Batuti weiß – das Herr der Steppe. Furchtbarer Gegner.“

      „Du sagst Steppe“, erwiderte Hasard fast genauso leise. „Wir befinden uns hier aber im Urwald. Meinst du vielleicht einen Löwen?“

      „Ja, den.“ Batutis Züge nahmen einen ehrfürchtigen Ausdruck an.

      „Dann weiß ich, wer das ist“, sagte der Seewolf. „In diesem Land existieren keine Löwen. Wohl aber Tiger.“

      „Die sollen noch größer werden als Löwen“, raunte Gary Andrews.

      „Ich hab noch keinen Tiger gesehen“, hauchte Pete Ballie, von Batutis Ehrfurcht angesteckt.

      „Ich auch nicht“, erwiderte