Seewölfe Paket 21. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397808
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Backbordbug segelnd, lief der kleine Dreimaster sehr bald rauschende Fahrt. Eine spanische Schaluppe konnte mit dieser Geschwindigkeit beim besten Willen nicht mithalten.

      Der Wind zeigte sich abermals als zuverlässiger Verbündeter, denn er blies handig und stetig aus Nordosten wie an den Tagen zuvor.

      Jean Ribault, Dan O’Flynn und die anderen teilten jene Meinung, von der Don Juan felsenfest überzeugt war.

      Der Gouverneur würde die kürzeste Route nach Havanna nehmen – südlich an Great Inagua vorbei auf die östliche Nordküste Kubas zu und an ihr entlang weiter westwärts nach Havanna. Auf diese Weise hatte er stets die Möglichkeit, nötigenfalls einen der Häfen anzulaufen, um Proviant und Trinkwasser zu ergänzen.

      Don Antonio wandte sich noch einmal um, hielt sich an der Heckverschanzung der Schaluppe fest und spähte nach achteraus.

      Er war nicht müßig gewesen, immer wieder darauf hinzuweisen, welche Strapazen er in den letzten Stunden durchgestanden hatte. Trotzdem genoß er es, zumindest vorübergehend die Rolle des Kommandierenden zu spielen. Mit Hinweis auf sein Pflichtbewußtsein hatte er darauf verzichtet, sich in die für ihn hergerichtete Kammer zu begeben, bevor die unmittelbare Gefahr ausgestanden war.

      Don Antonio drehte sich wieder um.

      „Wenn meine Augen nicht allzu müde sind“, sagte er, „dann meine ich, daß Grand Turk jetzt endgültig außer Sichtweite ist. Ich sehe nur noch schwarze Nacht. Habe ich recht, Señores?“

      De Pinzón und Coloma beeilten sich, im Chor zu antworten.

      „Voll und ganz, Señor Gouverneur. Keine Gefahr mehr.“

      „Keine direkte Gefahr mehr“, verbesserte Don Antonio und unterdrückte ein Gähnen. „Wichtig ist für uns, daß wir unbeobachtet verschwunden sind. Jetzt aber kommt es auf unsere weitere Taktik an. Früher oder später werden die Kerle in der Bucht feststellen, daß die Schaluppe verschwunden ist. Und was werden sie dann tun? Nun, was glauben Sie, Señores?“

      Coloma hielt sich aus dem Gespräch heraus, da er derartige Erwägungen nicht als sein Ressort betrachtete.

      „Sie werden den Verbandsführer alarmieren“, sagte Vicente de Pinzón indessen eilfertig.

      Don Antonio nickte zufrieden. Er lehnte sich gegen die Verschanzung und stöhnte leise, um die Schmerzen seiner Verwundung im achteren Bereich zu dokumentieren. Er faltete die Hände über dem mächtigen Bauch.

      „Sehr richtig, de Pinzón. Nun folgt aber das Entscheidende: Wie wird Cubera reagieren? Glauben Sie, daß er die Hände in den Schoß legt und den Verlust einfach hinnimmt?“

      Der Schaluppenführer schüttelte den Kopf.

      „Bestimmt nicht, Señor Gouverneur. Ich nehme an, er bläst sofort zur Verfolgung.“

      Wieder nickte Don Antonio mit der gnädigen Miene eines Schulmeisters, der die Fortschritte seines Zöglings beobachtet.

      „Genau das. Und welches Schiff würden Sie an Cuberas Stelle für die Verfolgung einsetzen?“

      De Pinzón grinste breit.

      „Da hat er keine große Auswahl, Señor Gouverneur. In Anbetracht der Umstände kann er sich nur für die Karavelle entscheiden.“

      „Auch richtig. Und auf welchen Kurs wird er die Karavelle schicken?“

      „Hm …“ De Pinzón überlegte diesmal etwas länger. Schließlich gab er sich einen Ruck. „Mit Verlaub, Señor Gouverneur, er wird annehmen, daß Sie auf direktem Weg nach Havanna zurückkehren wollen. Also wird Capitán Cubera die Karavelle auf Westkurs schicken.“

      „Sehr gut!“ rief Don Antonio strahlend. „Nun, da wir das wissen, was tun wir?“

      „Wir gehen auf einen anderen Kurs“, sagte de Pinzón sofort.

      „Prächtig, prächtig.“ Don Antonio atmete schnaufend durch. „Und was schlagen Sie in Ihrer Eigenschaft als erfahrener Schiffsführer vor?“

      Geschmeichelt straffte Vicente de Pinzón seine Haltung.

      „Angesichts der herrschenden Winde sollten wir auf Nordwestkurs gehen und Great Inagua nördlich passieren. Damit wird kein Verfolger rechnen – immer vorausgesetzt, daß man vermutet, wir segeln auf direktem Wege nach Havanna.“

      Don Antonio stieß sich von der Verschanzung ab, bewegte sich watschelnd auf den Schaluppenführer zu und klopfte ihm auf die Schulter.

      „Genauso ist es richtig. Geben Sie die entsprechenden Anweisungen an Ihre Mannschaft, de Pinzón. Ich sehe schon, Sie haben das Zeug zu einem wirklich guten Teniente.“

      De Pinzón strahlte über das ganze Gesicht, bedankte sich überschwenglich und wandte sich nach vorn, um seine Befehle zu bellen. Voller Zufriedenheit stellte er fest, daß die Männer spurten wie selten zuvor. Auch sie hatten begriffen, daß es sich auszahlte, wenn man mit dem Gouverneur auf gutem Fuß stand. Wenn sie erst in Havanna eingetroffen waren, das wußten sie, erwartete sie ein feines Leben voller Vergünstigungen.

      „Ich möchte mich jetzt zurückziehen“, sagte Don Antonio und gähnte herzhaft. „Gibt es an Bord jemanden, der als Feldscher ausgebildet ist? Ich glaube, meine Verwundung müßte vor der Nachtruhe noch einmal versorgt werden. Nun, Señores, Sie sehen, die Folgen schwerster Kampfhandlungen verschonen auch einen Gouverneur nicht.“

      „Ich schicke Ihnen Marino“, sagte de Pinzón. „Er versteht sein Fach und hat hier auf dem Schiff alle Verwundeten stets zur Zufriedenheit behandelt.“

      Don Antonio bedankte sich mit einer Handbewegung.

      „Darf ich Sie auf dem Weg zu Ihrer Kammer begleiten?“ meldete sich Alonzo Coloma ehrerbietig zu Wort.

      „Dagegen ist nichts einzuwenden“, erwiderte der Gouverneur gnädig.

      Der Proviantmeister der „San José“ verneigte sich und ließ sich von einem der Decksleute eine Laterne bringen. Dann führte er Don Antonio im Schein des blakenden Lichts durch den engen Gang im Achterschiff.

      „Ich weiß, die Räumlichkeiten sind nicht im entferntesten mit dem Komfort einer Galeone zu vergleichen“, sagte Coloma. „Aber ich habe mich dennoch bemüht, Ihnen den Aufenthalt auf der Schaluppe so angenehm wie möglich zu gestalten, Señor Gouverneur.“

      „Sie?“ fragte Don Antonio erstaunt.

      Coloma öffnete das Schott und wich beiseite, um ihn eintreten zu lassen.

      „Nun, es blieb vor unserer – hm – Abreise genügend Zeit, um einiges zu organisieren, Señor Gouverneur.“ Coloma sagte es mit verhaltenem Selbstlob und beobachtete den Dicken voller Erwartungsfreude, als dieser sich schwerfällig in die Kammer schob.

      Im nächsten Moment verharrte Don Antonio und sperrte die Augen auf. Der Proviantmeister erschien neben ihm und stellte die Lampe auf den Tisch, der mit einer feinen weißen Decke verziert war. Von feinstem Damast war auch die Bettwäsche in der Koje. Ein handgeknüpfter Teppich bewahrte den Gouverneur davor, daß er mit seinen Füßen die nackten Planken berühren mußte.

      Don Antonios Kinnlade sackte herunter, als sein Blick auf den kleinen Hocker neben der Koje fiel. Eine Schale stand darauf, und im Lampenlicht schimmerte ein kleiner Berg kandierter Früchte.

      „Donnerwetter!“ entfuhr es Don Antonio. „Wo, in aller Welt, haben Sie die aufgetrieben?“

      Coloma lächelte geschmeichelt, senkte den Kopf und verschränkte die Hände vor dem Bauch.

      „Ich habe mir erlaubt, in Remedios einen kleinen Vorrat beiseite zu schaffen – als Reserve für besondere Fälle, gewissermaßen. Leider hatte ich bislang keine Gelegenheit, Ihnen diese Reserve auszuhändigen. Aber vielleicht ist der jetzige Anlaß sogar noch der beste.“

      Don Antonio watschelte auf die Leckerbissen zu und schob sich gierig eins der roten Kügelchen zwischen die Wulstlippen.

      „Ihr Organisationstalent