Seewölfe Paket 30. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966881043
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nicht geschehen sein, sehen wir uns gezwungen, ein Exempel zu statuieren.“

      Der Seewolf zog die Mundwinkel nach unten. „Richten Sie Ihrem Don etwas von mir aus. Daß ich ihm nämlich eigenhändig die Ohren langziehen werde, falls er sich zu irgendeiner Unverschämtheit versteigt.“

      Die Kerle erblaßten vor Fassungslosigkeit.

      „Unsere Liegegebühren haben wir für drei Tage im voraus bezahlt“, fuhr Hasard fort. „Ich kann mich aber nicht entsinnen, daß Ihr Don Cesare der Zahlungsempfänger gewesen sein sollte. Was den Vorfall von gestern abend betrifft, so lassen Sie sich gesagt sein, daß die Mitglieder meiner Crew sehr wohl Grund hatten, ihre Fäuste einzusetzen. Jedem, der sich diesem Schiff unerlaubt nähert, wird es ähnlich ergehen.“

      Das Gesicht des Gruppenführers verzerrte sich. Er konnte seine Wut nicht verbergen. Seine Rechte fuhr zur Pistole.

      Hasard hatte seinen Drehling im selben Moment gezogen.

      Bob Grey folgte seinem Beispiel.

      Die vier Männer Don Cesare di Montepulcianos ließen ihre Waffen stecken. Der Anführer zitterte in seiner Wut, als er Befehl zum Rückzug gab. Er hatte begriffen, daß er und seine Gruppe gegen die Feuergeschwindigkeit des sechsläufigen Drehlings nicht das geringste ausrichten konnten.

      Die Turmkammer enthielt keinen einzigen Einrichtungsgegenstand.

      Die Menschen, die hierher gebracht worden waren, so vermutete Blacky, hatten keine Gemütlichkeit mehr gebraucht. Es war für sie nur eine Zwischenstation auf der Reise in den Tod gewesen.

      Blacky war daher gezwungen gewesen, sich auf dem kahlen Steinfußboden auszustrecken. Nur einen winzigen Vorteil hatte die Kammer: Sie war nicht feucht wie ein Verlies in einem Kellergewölbe. Dafür strömte die Kälte der Nacht fast ungehindert herein. Immerhin waren die Kerle so gnädig gewesen, ihm die Kleidung überzustreifen, bevor sie ihn aus Gigliolas Kammer verschleppt hatten.

      Und sie hatten ihn nicht gefesselt.

      Wahrscheinlich hatten sie nicht die geringste Sorge, daß er ihnen entwischen könne.

      Wenigstens war er in der Lage, sich auf dem Boden zusammenzurollen und in den schützenden Winkel von Wand und Fußboden zu verkriechen. Es half ihm jedoch herzlich wenig. Er horchte auf den Wind, der um den Turm heulte, und versuchte, andere Geräusche wahrzunehmen. Bestenfalls war da noch das Tosen der Brandung, tief unten, am Fuß der Steilküste. Aber es mochte auch seine Einbildung sein, die ihn glauben ließ, daß er dieses Tosen hörte.

      Je mehr er versuchte, seine Gedanken auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die Kälte, desto wacher wurde er. Bald fror er so jämmerlich, daß er am ganzen Körper zitterte. Er wußte, während des nächsten Tages würde er möglicherweise das Gefühl haben, in der Sonnenglut ersticken zu müssen. Die Temperaturunterschiede, die ihm bevorstanden, konnten ihn allein schon umbringen, wenn es denn nichts anderes war.

      Irgendwann in dieser endlos scheinenden Zeitspanne erwachte er und konnte nicht fassen, daß er trotz allem geschlafen hatte. Allein seine Erschöpfung mußte der Grund gewesen sein.

      Es war hell geworden.

      Unmittelbar nach dieser Erkenntnis begann er zu frieren wie nie zuvor. Sein ganzer Körper wurde von Kälteschauern regelrecht durchgeschüttelt. Er rappelte sich auf und hieb sich die Arme um den Brustkorb. Dabei hüpfte er von einem Bein auf das andere, um den Fluß seines Blutes besser in Gang zu bringen. Bei jeder Bewegung dröhnte der Schmerz, der mit seinem Bewußtsein erwacht war, auf und ab wallend durch seinen Kopf.

      Er hielt inne und spähte durch eines der seewärtigen Fenster.

      Der Wind hatte nachgelassen. Das vom Sonnenaufgang rötlich gefärbte Meer war spiegelglatt. Denkbar, daß ihm die Windstille die Ruhe eines kurzen Schlafes gewährt hatte.

      Er hörte Schritte.

      Stirnrunzelnd drehte er sich um und verharrte bewegungslos.

      Es waren Schritte von mehreren Männern. Die Sohlen ihrer Schuhe oder Stiefel polterten über Holz.

      Blacky blickte zu der Bohlentür der Turmkammer. Die Tür war nach außen zu öffnen. Anzunehmen, daß sich dort eine Holztreppe befand, die in winkligen Abschnitten an der Außenmauer des Turms emporführte.

      Blacky überlegte nicht mehr. Er öffnete die runde Luke in der Mitte der Kammer.

      Das Wasser in der Tiefe war ruhig, der Sonnenschein tauchte auch die Klippen in rötliches Licht. Wer dort unten landete, wurde zerschmettert, bevor er versank. Möglich, daß einer noch einen Rest Lebens in sich hatte, wenn er von den schroffen Felsen ins Wasser rutschte. In einem solchen Fall war der Betreffende mit gebrochenen Armen und Beinen aber nicht mehr in der Lage, sich schwimmend ans Ufer zu retten.

      Die Schritte wurden lauter, deutlicher.

      Blacky schlich sich auf die andere Seite der Kammer und stellte sich mit dem Rücken an die Wand, neben den Türrahmen.

      Was sie auch vorhatten – er würde so viele wie möglich in den Tod schicken. Oder mitnehmen, was auch immer. Er hatte nur diese eine Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen: die offene Luke. Seine Gegner hatten ihm die Möglichkeit an die Hand gegeben, ohne zu ahnen, daß er sie nutzen konnte. Sie mußten angenommen haben, daß er wegen seines miserablen körperlichen Zustands nicht in der Lage sein würde, auch nur einen Finger zu rühren.

      Die Schritte verlangsamten sich und mußten jetzt nahe vor der Tür sein.

      Blacky spannte die Muskeln an. Er fror nicht mehr, die hämmernden Schmerzen im Schädel hatten nachgelassen.

      Die Schritte endeten. Da draußen mußte es eine Plattform vor der Tür geben. Holz von Riegelbalken bewegte sich schabend. Dann wurde ein Schlüssel ins Schloß geschoben und knirschend herumgedreht.

      Blacky hatte das Gefühl, daß seine Muskeln kurz vor dem Zerreißen waren.

      Knarrend schwang die Tür auf. Helleres Licht fiel in einem sich vergrößernden Dreieck auf den Steinfußboden und bildete ein Rechteck, das bis zu der runden Lukenöffnung in der Mitte der Kammer reichte.

      Der Mann beging den Fehler, einen Schritt über die Schwelle zu tun und dann erst stehenzubleiben, weil er den Gefangenen nicht sah. Die schußbereite Pistole des Mannes war einen halben Yard vor seinem Körper, im Hüftanschlag.

      Blacky hieb ihm die Waffe weg, indem er seine Faust auf den Schießarm des Kerls schmetterte.

      Der Mann schrie.

      Blacky ließ ihm keine Zeit, sich von der Überraschung zu erholen. Blitzschnell, ehe der andere zurückweichen konnte, packte er zu. Seine Fäuste waren wie Eisenklammern. Und seinen Bärenkräften hatte der Sarde nur wenig entgegenzusetzen.

      Während die Waffe noch über den Boden schlidderte, stolperte der Mann schon vorwärts.

      Blacky ließ ihn rechtzeitig los und wich zurück.

      Der Mann konnte den Schwung nicht mehr bremsen. Brüllend vor Entsetzen ruderte er mit den Armen, doch er fand nirgendwo Halt. Seine Füße tappten über den Rand der Luke hinweg – ins Leere. Sein Gebrüll steigerte sich zum Schrillen.

      Einen Moment schien es, als könnte er sich am Lukenrand festhalten. Aber nur die linke Hand hatte noch Kraft. Mit der Rechten, gelähmt durch Blackys Hieb, glitt er ab.

      Der Todesschrei gellte für lange Sekunden aus dem Turm und dem Felsenkamin herauf.

      Ein dumpfer Schlag ließ Stille einkehren.

      Blacky blickte auf die Spitze eines Säbels, der nahe vor seinem Gesicht war. Der Mann, der den Säbel hielt, hatte das Aussehen eines großen Raben.

      Ein zweiter schob sich mit schußbereiter Pistole herein. Er war dunkelblond und hatte ein kantiges Gesicht, das unbändigen Zorn spiegelte. Gekleidet war er in schwarzgefärbtes weiches Leder, das wie Samt aussah.

      „Ich bin Don Marcello Struzzo“, sagte er tonlos. „Hierzulande weiß man, was es bedeutet, sich auf so unverfrorene