„Feine Gefährten habt ihr“, sagte der Seewolf mit seinem makellosen Italienisch.
„Das haben wir gemerkt“, erwiderte der Untersetzte. „Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet, Signor. Ein anderer an Ihrer Stelle hätte uns verbluten lassen.“
„Hierzulande scheinen merkwürdige Gepflogenheiten zu herrschen“, entgegnete Hasard. „Aber wie dem auch sei – ich möchte etwas über Don Cesare di Montepulciano erfahren.“
Die Toskaner wechselten einen Blick. Der Schwarzhaarige nickte kaum merklich. Der Untersetzte übernahm es wieder, zu antworten. „Wir wollen uns bedanken, Signor Killigrew. Es ist so, daß sich einer Ihrer Männer in der Gewalt von Don Marcello Struzzo befindet.“ Er beschrieb das Äußere des Gefangenen.
„Blacky!“ entfuhr es dem Seewolf. „Woher, in aller Welt, wißt ihr das? Wer ist Struzzo?“
„Der Todfeind von Don Cesare. Beide haben sich Blutrache geschworen, und es sterben deswegen ständig Männer, die sich auf die eine oder die andere Seite geschlagen haben. Wir haben Spione in Don Marcellos Reihen – ebenso, wie sich seine Spione bei uns eingenistet haben werden. Don Marcello hält Ihren Mann, den Sie Blacky nennen, für einen von Don Cesare beauftragten Mörder.“
Der untersetzte Toskaner schilderte alle Einzelheiten, die durch die bei Struzzo eingeschleusten Spione mitgeteilt worden waren. Die Informanten hatten ebenfalls geglaubt, daß Blacky wirklich ein von Montepulciano beauftragter Todesbote war, der aus dem italienischen Mutterland angereist war. Sie waren überzeugt gewesen, ihrem Auftraggeber Don Cesare einen wertvollen Dienst zu erweisen.
Don Cesare di Montepulciano hatte sich indessen über den Irrtum seines Todfeinds halb totgelacht. Was aus dem Engländer wurde, interessierte Don Cesare natürlich nicht im geringsten.
Hasard ließ sich noch kurz über die Machtverhältnisse Struzzo-Montepulciano und über die örtlichen Gegebenheiten in Cagliari unterrichten. Dann bot er den beiden Verwundeten an, sie von zwei Crewmitgliedern zum nächsten Arzt an Land bringen zu lassen, damit sie weiter gegen Wundbrand und Fieber versorgt wurden.
Aber die Toskaner verzichteten auf erneute Hilfe. Sie fühlten sich kräftig genug, den kurzen Weg allein zu bewältigen. Sie hatten überdies keinen Zweifel daran gelassen, daß für die Männer an Bord der Schebecke jede Minute kostbar war.
Der Seewolf ließ die Männer auf dem Hauptdeck antreten.
Außer ein paar Schrammen und Beulen hatte es keine nennenswerten Blessuren gegeben. Überdies war die Mannschaft nahezu vollzählig. Die letzten Heimkehrer vom Landgang hatten sich noch vor dem Frühstück eingefunden.
Der einzige, der fehlte, war Blacky.
Auf Anweisung des Seewolfs trafen die Arwenacks in aller Schnelle die Vorbereitungen zum Ankeraufgehen.
6.
Der Schweiß rann. Don Marcello Struzzo in Strömen über die nackte Haut. Er hatte sein Wams und das Hemd aus weichem Leder abgestreift, um sich höchstpersönlich als Folterknecht zu betätigen.
Keuchend erhob er sich von der großen Handkurbel, mit der er den Gefangenen ein Stück höher gehievt hatte.
Blacky hing kopfüber an einem Deckenbalken der Folterkammer. Seine Handgelenke waren durch Eisenschellen und Ketten mit in den Fußboden eingelassenen Stahlringen verbunden.
Er hatte das Gefühl, schon jetzt um einen Inch gewachsen zu sein. Dabei war Don Marcello noch nicht einmal bis zum Äußersten gegangen. Ihm fehlte schlicht die Ausdauer eines routinierten Henkersknechts, der mit den teilweise mühsam zu bedienenden Marterinstrumenten Tag für Tag umging.
Struzzo hatte es anfangs gemeinsam mit Cóstola versucht. Sie hatten den breitschultrigen Engländer – auf alle nur erdenkliche Weise gepiesackt – von den Nagelschuhen bis hin zur glühenden Kohle.
Nichts hatte Blacky dazu bewegen können, auch nur einen Schmerzenslaut von sich zu geben.
Struzzo und Cóstola waren drauf und dran gewesen, an ihrem Verstand zu zweifeln. Dann war Struzzo auf die teuflische Idee verfallen, den Gefangenen kopfüber aufzuhängen und zu strecken.
Nach der letzten gemeinsamen Anstrengung, dem Engländer die Fußschellen mit den speziellen Haken anzulegen und ihn Stück für Stück in die Senkrechte zu kurbeln, hatte sich Cóstola zurückgezogen und auf einem Schemel in der Nähe der Tür niedergelassen, um wieder zu Kräften zu gelangen. Fortwährend wischte er sich mit einem großen weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Blacky wandte alle innere Energie auf, um sich von einem möglichen Blutstau im Gehirn nicht unterkriegen zu lassen. Die Schultergelenke schienen ihm der verletztlichste Teil seines Körpers zu sein. Er war sicher, daß es dem Schweinehund Struzzo über kurz oder lang gelingen würde, ihm die Arme auszureißen.
Für ihn stand Struzzo auf dem Kopf.
Und Cóstola schien mit seinem Schemel unter der Decke zu kleben.
Don Marcellos Schnallenschuh fuhr auf ihn zu.
Blackys Reflexe funktionierten noch. Er zog den Kopf zur Seite. Die vergoldete Messingschnalle riß sein Ohrläppchen blutig. Don Marcello stieß einen Fluch aus, unternahm aber keinen zweiten Versuch, dem Gefolterten das Gesicht zu verunstalten.
Blacky fühlte die Wärme des Bluts, wie es in seine Ohrmuschel lief. Er hätte in diesem Augenblick etwas darum gegeben, sich bei dem Hundesohn mit einem Tritt in den Allerwertesten zu bedanken. Aber dieser Wunsch würde kaum in Erfüllung gehen.
Die Aussichten standen ausgesprochen schlecht.
Don Marcello wandte sich ab und holte etwas, das an der Wand neben der Tür aufgehängt war. Emiliano Cóstola ließ einen anerkennend-staunenden Laut hören. Don Marcello kehrte mit dem Ding zurück. Blacky sah jetzt, daß es eine Lanze war.
Struzzo legte ihm die Spitze von oben auf die Unterseite der Kinnlade. Langsam hob er die Lanze an, bis der Schaft fast senkrecht war.
„Was glaubst du“, sagte er höhnisch, „wieviel Eigengewicht so ein Landsknechtsinstrument hat?“
„Es würde reichen“, antwortete Blacky, „um mich selbsttätig zu töten.“
„Oho!“ rief Struzzo ölig. „Du hast deine Lage verteufelt gut erkannt, Engländer. Wie wäre es, wenn du die Konsequenzen daraus ziehst und endlich redest?“
Blacky überlegte nur noch einen Moment. Struzzo konnte die Quälerei noch stundenlang fortsetzen, bevor er ihn umbrachte oder umbringen ließ. Andererseits zeigte der Don deutlich Anzeichen von Erschöpfung. Vielleicht legte er eine Pause ein. Unter solchen Umständen konnte er, Blacky, neue Kräfte schöpfen. Allerdings nur dann, wenn er sich in einer bequemeren Lage befand.
„Einverstanden“, sagte Blacky. „Ich rede. Es geht aber flüssiger, wenn ich wie ein normaler Mensch auf meinen Füßen stehe.“
Don Marcello Struzzo lachte zufrieden und erleichtert. Er schnaufte und nahm die Lanze weg. „Gut, gut. Unsereins ist kein Unmensch.“ Er wandte sich um. „Emiliano! Los, hilf mir noch mal!“
Sie kurbelten ihn abwärts, bis er auf dem Fußboden lag. Dann stellten sie ihn an die Wand, der Tür gegenüber, wo sich eiserne Ösen befanden, an denen sie seine Hand- und Fußgelenke befestigten.
Cóstola hatte die Lanze an ihren Platz zurückgebracht.
Erwartungsvoll standen die beiden Männer dem Gefangenen gegenüber. Struzzo zog seinen Dolch, um Blacky damit zu kitzeln. Der Mann mit dem kantigen Gesicht setzte einen boshaften Gesichtsausdruck auf und fuhr mit der Daumenkuppe, über die Klinge, die scharf wie ein Rasiermesser zu sein schien.
„Ich höre“, sagte Don Marcello.
Blacky