Seewölfe Paket 20. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397792
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ab. Für keinen gab es jetzt Grund, noch die Koje abzuhorchen. Es galt, so schnell wie möglich für Gotlinde zu sorgen. Und da mußte eben jeder wach sein und die Daumen drücken.

      Neben dem Schwarzen Segler ließ er die „Empress“ vor Anker legen.

      „Die Medizin ist da!“ brüllte er zum Schanzkleid des Viermasters hinauf. „Und sie ist schon fix und fertig.“

      Aus dem sofort entstehenden Stimmengewirr war zu schließen, daß die Nachricht in Windeseile verbreitet wurde. Auch Thorfin Njal konnte also beruhigt sein.

      Eilends wurde das Beiboot der „Empress“ zu Wasser gelassen. Die Männer halfen Arkana hinunter, die den dampfenden Topf mit dem Heilwurzelsud in Tücher geschlagen hatte und ihn vorsichtig in beiden Händen trug. Old O’Flynn ließ sich auf der Achterducht nieder. Er mußte mit an Land, um zu erfahren, wie es um Gotlinde stand.

      Mary O’Flynn und die anderen Frauen warteten bereits am Ufer.

      Nachdem die Männer das Beiboot auf den Strand gezogen und Arkana mit der Medizin herausgeholfen hatten, humpelte Old Donegal freudestrahlend auf seine bessere Hälfte zu. Doch wenn er eine ebenso herzliche Begrüßung erwartet hatte, sah er sich im nächsten Moment getäuscht. Sie nickte ihm nur flüchtig zu und wandte sich dann sofort an die Schlangenpriesterin.

      „Können wir sofort mit der Behandlung beginnen?“

      „Aber ja“, erwiderte Arkana mit einem Nicken. „Die Medizin ist gebrauchsfertig.“

      „Dann verlieren wir keine Zeit“, sagte Mary O’Flynn energisch.

      Araua nahm ihrer Mutter den umwickelten Topf ab, dann eilten die Frauen auch schon los.

      Old Donegal stand völlig verdattert da und schluckte zweimal kräftig.

      „Ist denn das die Möglichkeit?“ rief er empört. „Da segelt man mitten durch die Hölle, reißt sich fast ein Bein aus, und was kriegt man zur Begrüßung? Nichtbeachtung!“

      Mary O’Flynn, schon zehn Schritte entfernt, blieb einen Moment stehen und wandte sich halb um.

      „Plustere dich nicht auf wie ein Gockel, Mister O’Flynn! Was du getan hast, war nicht mehr als deine Pflicht. Eine Selbstverständlichkeit. Sich mit so etwas auch noch zu brüsten, zeugt von einem schlechten Charakter.“ Sie wandte sich wieder um und marschierte weiter, ohne eine Antwort abzuwarten.

      Old Donegal schluckte abermals. Aber das, was ihm auf der Zunge lag, behielt er für sich. Es hatte keinen Sinn, Miß Snugglemouse in dieser Situation unnötig herauszufordern. Da konnte es passieren, daß sie ihm vor versammelter Mannschaft noch mehr die Leviten las.

      „Auf die Strapaze sollten wir uns einen kräftigen Schluck gönnen“, sagte Jack Finnegan, der neben ihm stand. „Ist ja noch später Abend.“

      Old Donegal sah ihn mißtrauisch von der Seite an.

      „Welche Strapaze meinst du denn?“

      „Na, den Törn von Hispaniola herüber natürlich“, erwiderte Jack rasch.

      Old Donegal überwand seinen Groll und grinste.

      „Wie auch immer, Jack, einen Schluck haben wir uns jetzt wirklich verdient. Du trinkst auf die Strapazen an Bord, ich auf die Ehestrapazen, und die anderen sind auch alle eingeladen.“

      Da nun ohnehin keiner mehr ein Auge zukriegte, blieb die kleine Mannschaft der „Empress“ nicht lange allein in der „Rutsche“. Nach und nach füllte sich die Felsenkneipe. Keiner der Männer dachte indessen daran, einen Humpen nach dem anderen zu leeren. Was sie beieinanderhocken ließ, war die Sorge um Gotlinde, und so nippten sie nur bisweilen an ihren Krügen.

      Die Stunden dehnten sich endlos. Von Zeit zu Zeit schickte Old Donegal einen der Männer als Boten los. Etliche Schlangenkriegerinnen hielten sich außerhalb der Kaverne auf, in der die Frau des Wikingers untergebracht war. Dort fiel es also nicht schwer, die Lage der Dinge auszukundschaften.

      Endlich, in den Morgenstunden, verbreitete sich die frohe Botschaft wie ein Lauffeuer auf der Insel.

      Bob Grey, bereits der sechste in der Reihe von Old Donegals Boten, stürmte aufgeregt gestikulierend in die Rutsche.

      „Das Fieber ist gesunken!“ schrie er. „Habt ihr gehört! Das Fieber ist runter! Gotlinde geht es von Stunde zu Stunde besser. Sie ist über den Berg.“

      In der Rutsche brach ein Jubelgebrüll aus, das die Felsen erheben ließ. Dann hielt es die Männer nicht länger in der Kneipe. Sie eilten hinunter an den Strand und harrten dort der Dinge, die sich nun bald ereignen mußten.

      In der Tat erschien wenig später Araua, die eine Botschaft überbrachte.

      „Mistreß O’Flynn und meine Mutter lassen folgendes ausrichten“, sagte die Tochter der Schlangenpriesterin lächelnd, „Gotlinde geht es jetzt so gut, daß sie bereit ist, ihren Ehemann zu empfangen.“

      Wieder ertönte jubelndes Gebrüll, und im Handumdrehen wurde es auf dem Schwarzen Segler lebendig.

      Der Wikinger ließ sich auf seiner Trage ins Beiboot abfieren und zum Strand pullen. Schon von weitem war sein Gegröl zu hören, mit dem er die Männer anfeuerte, sich kräftiger in die Riemen zu legen.

      Unterdessen erblickte Old Donegal eine winkende Gestalt an Bord der „Empress“. Die Gestalt hatte weiß leuchtende Verbände am Kopf und am rechten Oberarm.

      Als die Männer den Wikinger an Land abstellten, trat Old Donegal auf ihn zu.

      „Thorfin“, sagte er grimmig, „bevor du deinen Nachwuchs zu sehen kriegst, habe ich ein ernstes Wort mit dir zu reden.“ Kurz und bündig berichtete er darüber, daß der Stör ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben gegen die Spanier gekämpft hätte. „Wenn es Gotlinde jetzt bessergeht“, schloß er, „dann verdankst du das auch dem Stör.“

      Der Wikinger blickte minutenlang stumm von seiner Trage auf und forschte in den Augen des alten O’Flynn, ob da etwas von Aufschneiderei oder Übertreibung zu lesen wäre. Doch Old Donegal hielt dem Blick Thorfins stand.

      „Dann holt den Torfkopp schon her“, knurrte der Wikinger unvermittelt.

      Die Männer aus Old Donegals Leihmannschaft eilten los. Fünf Minuten später trat der Stör linkisch und mit gesenktem Kopf auf die Trage Thorfins zu.

      „Wach gefälligst auf, du Stint!“ brüllte der Wikinger ihn an. „Los, los, faß mit an! Oder soll ich ewig hier rumstehen?“

      Strahlend vor Glück reihte sich der Stör mit ein. Wenn er auch nur symbolisch mit der Linken trug, so war er sich der Bedeutung dessen bewußt, Thorfin zu seiner Gotlinde transportieren zu dürfen. Und das vertraute Gebrüll des Wikingers war regelrecht Musik in seinen Ohren.

      Auch Old Donegal war dabei, als die Männer kurz darauf die Trage in die Kaverne bugsierten und neben Gotlindes Lager abstellten. Blaß, aber glücklich, strahlte Gotlinde ihren Thorfin an, und er selbst brachte vor Rührung keinen Ton mehr hervor, als Mary O’Flynn ihm das rotschopfige kleine Pärchen in die Arme legte.

      Jetzt schien sich auch Marys Stimmung grundlegend zu wandeln, denn sie ging auf Old Donegal zu, fand sogar ein Lächeln für ihn und ließ ihn auch noch gewähren, als er ihr den Arm um die Schulter legte.

      „Teufel auch“, entfuhr es dem Wikinger, während alle anderen still und staunend dastanden. „Jetzt müssen wir für die beiden Kleinen auch noch Namen finden, Gotlinde. Oder ist dir schon was eingefallen?“

      „Nein“, erwiderte sie matt. „Ich hatte bis jetzt noch andere Sorgen.“

      „Ach, richtig“, sagte Thorfin verdattert.

      Old Donegal konnte sich nicht zurückhalten.

      „Wie wär’s mit Adam und Eva?“ rief er. „Weil wir’s doch hier so paradiesisch haben …“

      Von Mary erntete er dafür einen Knuff in die Seite. Und Thorfins erboster Blick ließ vermuten,