Seewölfe Paket 20. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397792
Скачать книгу
Caligula allein durch die Kraft seiner Fausthiebe ins Jenseits befördert hatte. Dann erschienen die Verletzten, die Zecher und Schnorrer, die von ihm mit Stuhl und Stuhlbein geprügelt worden waren. Einige schienen erhebliche Schmerzen zu haben, sie stöhnten und jammerten, als sie an Jussuf vorbeitorkelten.

      „Der scheint ja Amok gelaufen zu sein“, sagte Jussuf. Er sah jetzt auch Lopez, den Wirt, der war unversehrt geblieben und schien sehr froh zu sein, daß es für ihn glimpflich abgelaufen war.

      „So ungefähr“, sagte Libero, dann eilte er zu dem Schankwirt.

      Jussuf folgte den Soldaten unauffällig bis zur Plaza und überzeugte sich davon, daß Caligula ins Stadtgefängnis gesperrt wurde. Dann kehrte er zur Faktorei zurück und berichtete Arne und Jörgen von dem Geschehen.

      Arnes erste Reaktion war ein Aufatmen.

      „Jetzt hat Caligula sein Leben verwirkt“, sagte er. „Zwei Tote, beide Spanier, getötet von einem Neger, da kann der Urteilsspruch gar nicht anders lauten als Tod durch den Strick.“

      „Falls er nicht gepfählt oder gevierteilt wird“, fügte Jörgen hinzu. „Wir dürfen nicht vergessen, daß die Spanier hier in Havanna seit den Ereignissen um die Schlagetots Catalina und Zapata mehr als gereizt sind, was solche Gewalttaten betrifft.“

      „Richtig“, sagte auch Jussuf. „Dieser Narr kann noch froh sein, wenn sie ihn nicht gleich heute nacht töten. Allah straft eben doch jeden Sünder auf seine Art, früher oder später folgt für jeden Verbrecher die Stunde der Abrechnung.“

      Arne war plötzlich nicht mehr so überzeugt, daß Caligula sterben würde.

      „Mir ist etwas eingefallen“, sagte er. „Caligula könnte in seiner ausweglosen Lage natürlich auch versuchen, sich freizukaufen – mit seinem Wissen über den Bund der Korsaren und die Lage der Schlangen-Insel. Da hat er also doch noch einen ziemlich wichtigen Trumpf im Ärmel.“

      „Vorausgesetzt, Don Antonio geht darauf ein“, sagte Jussuf.

      „Er stellt die höchste richterliche Instanz in Havanna dar“, sagte Arne. „Er muß das Urteil bestätigen und hat alle Möglichkeiten, mit Caligula einen Kuhhandel abzuschließen. Wenn für ihn dabei etwas herausspringt, nimmt er die Gelegenheit wahr, verlaßt euch drauf.“

      „Arne kann man die Sache drehen und wenden, wie man will“, sagte Jörgen. „Für die Freunde auf der Schlangen-Insel und auf Coral Island besteht allerhöchste Gefahr.“

      „Sie verschlimmert sich noch, wenn Don Juan zurückkehrt – und das kann jeden Tag der Fall sein“, sagte Arne mit besorgtem Gesicht. „Das Dumme an der Sache ist, daß wir zur Zeit überhaupt nichts mehr tun können. Im Stadtgefängnis ist Caligula unserem Zugriff entzogen. So gesehen, wäre es doch besser gewesen, wenn es den Klamauk in der Kaschemme nicht gegeben hätte.“

      Ihre Mienen waren betreten und verdrossen. Sie wußten, daß alles auf dem Spiel stand. Denn leider kannten sie ja Don Antonio de Quintanilla, den dicken Gouverneur von Havanna, und wußten, wie korrupt er war.

      Schon im Kerker des Stadtgefängnisses war Caligula so weit ernüchtert, daß er begriff, in was er sich da hineingeritten hatte. Mit Kolbenhieben beförderten ihn die Soldaten in eine finstere, muffig riechende Zelle. Er stolperte und fiel auf den nassen, harten Boden. Nur langsam wandte er sich wieder um und sah, daß sie vor der offenen Tür verharrten. Sie musterten ihn feindselig und voll Haß. Wollten sie ihn schon jetzt durch ein, zwei gezielte Schüsse erledigen? Auf der Flucht erschossen, würde es später im Bericht des Kommandanten heißen.

      „Einen Augenblick“, sagte Caligula heiser.

      „Maul halten, oder es setzt was!“ herrschte der Sargento ihn an.

      Dann näherten sich Schritte, und der Kerkerkommandant erschien. Ein wuchtig gebauter Mann mit kantigen Zügen und forschem Auftreten, wie Caligula feststellte.

      Er blieb dicht vor ihm stehen, versetzte ihm einen Tritt und sagte kalt: „Du bist also der Kerl, der wie ein Irrer in der Kneipe gewütet hat? Wie heißt du?“

      „Caligula. Ich bin beleidigt und angegriffen worden.“

      „Wie lauten die Zeugenaussagen?“ fragte der Kommandant, ohne sich zu den Soldaten umzudrehen.

      „Cámara hat ihn einen schwarzen Hurensohn genannt“, entgegnete der Sargento. „Daraufhin ist er ihm an die Gurgel gesprungen, hat ihn gegen eine Säule geschleudert und ihm das Genick gebrochen.“

      „Aufstehen!“ befahl der Kommandant. „Stell dich da gegen die Wand und wage nicht, irgendwelche Tricks zu versuchen. Du hast einen harmlosen Zivilisten und einen Gendarmen getötet. Ein zweiter Gendarm ist sehr schwer verletzt. Weißt du, was das für dich bedeutet?“

      „Ja. Aber ich bin angegriffen worden.“

      „Das hast du schon mal gesagt.“

      „Es ist die Wahrheit.“

      Der Kommandant unterzog Caligula einer Leibesvisitation.

      „Der Galgen ist dir sicher“, sagte er. „Aber vorher wirst du verhört. Ich will alles über dich wissen. Wer du bist, woher du kommst, wer dich schickt. Alles.“ Er stutzte, als er auf die Geldkatze stieß, die Caligula um die Hüften trug. Danach durchsuchte er die Taschen und fand die Säckchen mit den erlesenen Perlen. Fast gingen ihm die Augen über. Alles hatte er erwartet, nur das nicht.

      Gern hätte sich der Kommandant die Geldkatze und die Perlenbeutel angeeignet, aber die Untersuchung fand ja vor Zeugen statt. Besonders der Sargento war ein disziplinierter Soldat, der sich streng an die Vorschriften hielt. Was würde er sagen, wenn sein Vorgesetzter einen Gefangenen um dessen Eigentum erleichterte?

      Der Kommandant verkniff es sich also, zuzulangen. Gleichzeitig begriff er, daß dieser Schwarze, der sich wie eine Bestie aufgeführt hatte, ein Fang ganz besonderer Art sein mußte. Welches Subjekt dritter Klasse schleppte schon eine Geldkatze mit sich herum, deren Inhalt jeden Kaufmann vor Neid hätte erblassen lassen – und dazu noch Beutel mit Perlen?

      Diese Frage verlangte danach, geklärt zu werden. Der Kommandant ließ Caligula sämtliche Habseligkeiten abnehmen – Waffen, Geld und Perlen. Dann notierte der Sargento auf einem Meldeblatt sorgfältig, daß die Sachen solange Eigentum des Delinquenten blieben, bis die höchste richterliche Instanz ihre Entscheidung darüber gefällt hatte. Don Antonio also – er mußte verständigt werden.

      Vorher aber begab sich der Kerkerkommandant zum Stadtkommandanten, Don Ruiz de Retortilla, und sprach den Fall mit ihm durch.

      „Dieser Kerl ist steinreich“, sagte er. „Da stimmt was nicht. Den müssen wir gehörig ausquetschen, bevor wir ihn hängen.“

      „Besser wäre es, wenn wir das Geld und die Perlen unter uns aufteilten.“

      „Don Antonio würde aber sicherlich davon erfahren. Er kann fuchsteufelswild werden, wenn er übergangen wird.“

      „Das stimmt.“ Don Ruiz war nicht darauf aus, sich mit Don Antonio zu überwerfen. „Schade, schade“, sagte er. „Aber es ist nicht zu ändern. Informieren wir Don Antonio. Vielleicht will er sich den Gefangenen selbst vorknöpfen.“

      Noch am frühen Nachmittag suchte Don Ruiz den Dicken auf und teilte ihm mit, was sich zugetragen hatte. Bei den Worten „Geldkatze“ und „Perlenbeutel“ wurde Don Antonio hellhörig. Er hörte sogar auf, kandierte Früchte zu essen.

      „Diesen Bastard will ich mir selber mal ansehen“, sagte er. „Ich werde ihn dem peinlichen Verhör unterziehen. Mal sehen, was er alles weiß. Vielleicht gehört er zu einer größeren Piratenbande.“

      „Catalina?“

      „Möglich ist es. Er ist erschienen, um sich zu rächen oder so.“ Don Antonio erhob sich schwerfällig. „Das alles kriege ich schon raus, keine Angst.“

      Er ließ die Kutsche anrollen und hatte es ziemlich eilig, die Residenz zu verlassen. Geld! Perlen! Das war Musik in seinen Ohren. Nichts anderes konnte ihn locken.