Seewölfe Paket 13. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954395026
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Nachmittag gesichtet hatten.“

      „Trotzdem wette ich eins zu tausend, daß sie es waren“, sagte Hasard. „Rekapitulieren wir doch mal. Plötzlich tauchen wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein Zweimaster und ein Dreimaster auf, die offensichtlich als Fühlungshalter hinter uns bleiben – eine Schebecke mit Lateinersegeln und eine Ga-leone mit dunkel gelohtem Zeug, die ihrer Bauart nach von einer spanischen Werft stammen könnte. Liegt da nicht die Vermutung nahe, daß es sich um Selim und Lord Henry handelt?“

      Ben Brighton, Hasards Erster Offizier und Bootsmann, trat zu ihnen. „Aber es bleibt immer noch die Frage offen, wie es angehen kann, daß Henry sich mit Selim, dem türkischen Seeräuber, verbündet hat.“

      Hasard wandte sich ihm zu. „Das läßt sich in etwa nachvollziehen. Gehen wir von der Tatsache aus, daß es Henry war, der bei unserem Erlebnis in Pigadia auf Rhodos plötzlich im Morgengrauen vor der Küste auftauchte und das Feuer auf Selims Schiffe eröffnete.“

      „Nun ja“, sagte Ben und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Wir haben das kurze Gefecht zwar nicht verfolgen können, aber auch ich könnte mir vorstellen, daß die Kanonenschüsse der Schebecke und der Ghanja Henry galten, der unerwartet aufkreuzte und Kurs auf Selims Ankerbucht oder auf die Bucht nahm, in der wir lagen.“

      Die anderen Männer näherten sich, um dem Gespräch zu lauschen – Edwin Carberry, der Profos der „Isabella“, Old O’Flynn, Shane, Ferris Tucker, Smoky, Blacky, Batuti und die übrigen, die gerade Deckswache hatten.

      „Selims Späher hatten uns beobachtet“, spann der Seewolf den Faden weiter. „Selim schickte einen Boten zur Schebecke und zur Ghanja – Dobran und die anderen Kerle an Bord der beiden Schiffe sollten sich an uns heranpirschen und die ‚Isabella‘ zusammenschießen, während Jella und die Türkinnen unseren Landtrupp ablenkten und ins Dorf Pigadia lockten.“

      „Richtig“, bestätigte Big Old Shane. „So und nicht anders muß es gewesen sein. Also gingen die Schebekke und die Ghanja ankerauf und verließen die Bucht. Warum aber ließ Dobran die Musketenschüsse abgeben?“

      „Wie, das weißt du nicht?“ fragte Old O’Flynn überrascht. „Die galten doch den Fischerbooten, die von Lagios’ Freunden unbemannt gegen die Piratenschiffe vorgeschickt wurden. Dobran glaubte an einen Überfall und verlor die Nerven.“

      „Ja“, sagte Ferris Tucker und lachte. „Und die Schüsse warnten Ben, der sich sofort auf ein mögliches Gefecht vorbereitete.“

      „Ein Überraschungsangriff auf unsere alte Lady wäre den Türken also nicht mehr gelungen“, sagte Ben. „Aber auch Lord Henry hatte die Musketenschüsse vernommen, denn er steuerte offenbar auf Selims Ankerbucht zu.“

      Dan O’Flynn grinste. „Und nun der große Clou – Dobran, der die ‚Isabella‘ bislang ja noch nicht gesehen hatte, verwechselte sie mit der ‚Cruel Jane‘ Lord Henrys und eröffnete sofort das Feuer. Henry schoß erbost zurück.“

      „Henry versenkte die Ghanja“, fuhr Hasard fort. „Die Schiffbrüchigen retteten sich an Bord der Schebecke, die Schebecke drehte ab und ergriff vor der ‚Cruel Jane‘ die Flucht. Selim und seine Restmeute aus dem Dorf hatten unterdessen die Bucht erreicht und sich an Bord der Fischerboote retten können, mit denen sie auf die offene See hinauspullten.“

      „Die Schebecke nahm auch sie auf, wie wir durch Lagios noch erfahren haben“, sagte Ben Brighton. „Henry ließ jedoch nicht von den Türken ab, er jagte sie an der Luvseite von Rhodos entlang, mit Kurs nach Norden. Aber noch einmal, Dan, bist du ganz sicher, daß es wirklich die ‚Cruel Jane‘ war, die hinter Selims Zweimaster her war?“

      „Von dem Aussichtspunkt, auf den ich stieg, konnte ich nur noch die dunkel gelohten Segel der Galeone erkennen, nicht sehr viel mehr.“

      „Und die schwarze Flagge mit den gekreuzten Säbeln?“ fragte Ferris Tucker.

      „Die natürlich nicht“, erwiderte Dan. „Sonst wäre ich völlig sicher gewesen.“

      „Ich leide ganz bestimmt nicht an Halluzinationen“, meinte Hasard mit einem Blick zu Old O’Flynn. „Ich bin fest davon überzeugt, daß es Lord Henry war und wir ihn auch nach wie vor am Hals haben. Er läßt nicht locker. Er will sich rächen und den Schatz der Medici, den wir ihm entrissen haben, wieder an sich bringen.“

      „Und warum hat er die Schebecke nicht auch versenkt?“ wollte Blacky wissen. „Es will mir nicht in den Kopf, daß er mit einem Kerl wie diesem Selim gemeinsame Sache macht.“

      „Warum denn nicht?“ sagte der Seewolf. „Der Zweck heiligt die Mittel, vergiß das nicht. Henry ist jeder Weg recht, um uns zu stellen und erneut anzugreifen. Und er ist gerissen. Er hat es geschafft, sich in Neapel aus der Affäre zu ziehen, obwohl Don Gennaro eine Stinkwut auf ihn hatte. Er nutzt jede List aus, die sich ihm bietet, und bestimmt schafft er es, auch Selim zu blenden. Wahrscheinlich haben Mechmed und dessen Berber, die sich wohl nach wie vor an Bord der ‚Cruel Jane‘ befinden, zu einer Einigung mit Selim beigetragen, vielleicht auch Dalida. Ganz bestimmt haben sie als Dolmetscher zwischen Henry und Selim fungiert, und so hat Henry einen Kampfgefährten dazugewonnen, weil er befürchtet, uns allein nicht gewachsen zu sein.“

      „Dalida und Mechmed“, sagte Carberry ärgerlich. „Die hätten wir am besten gleich im Hafenwasser von Neapel ersäuft, das wäre besser gewesen.“

      „Richtig, richtig!“ rief Smoky. „Die Dame Dalida hat ja auch noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen, Ed! Paß bloß auf, daß sie dir nicht mit ihrem Messer nahe gerät, wenn ihr euch noch mal begegnet!“

      „Was sollte sie schon ausrichten“, brummte der Profos. „Es wäre ja wohl das allerletzte, wenn ich mich von dieser verdammten Ägypterin erdolchen lassen würde.“

      „Aber sie könnte zumindest das tun, was Abu Al-Hassan und dessen Eunuchen in Marokko nicht fertiggebracht haben“, sagte Dan O’Flynn ganz gelassen.

      Carberry fuhr zu ihm und Smoky herum. „Ihr triefäugigen Aale, daran könnt ihr euch so richtig hochziehen, was? Aber ich will euch was sagen. Wenn ihr mich noch weiter mit dieser Sache anstänkert, geht es euch dreckig. Dann stolpert ihr bei Nacht über eine Taurolle und rennt mit der Nase gegen ein verriegeltes Schott, daß sie so platt wird wie die einer Flunder.“

      „Mister Carberry, Sir“, sagte Philip junior, der sich mit seinem Bruder jetzt ebenfalls zu der Gruppe gesellt hatte. „Aber eine Flunder hat doch gar keine richtige Nase.“

      Der Profos blickte ihn an. Alle warteten schon auf ein Donnerwetter, aber der Narbenmann nahm den Einwand des Jungen eher verständnisvoll auf.

      „Stimmt genau“, sagte er. „Eben deswegen. Dieser Mister O’Flynn und dieser Mister Smoky hier sind in meinen Augen nämlich gesichtslose Stinte, und es wäre gut, wenn jeder, der sie nicht kennt, dies auf Anhieb begreift.“

      Die Jungen lachten. Dan und Smoky wollten aufbegehren, aber Hasard hob jetzt die Hand und sagte: „Schluß jetzt. Es fehlte noch, daß ihr euch streitet. Wir haben Wichtigeres zu tun. Um noch einmal auf Rhodos zurückzukommen: Nach der mutmaßlichen Einigung nahmen Selim und Henry wohl auch noch Jella und die anderen Frauen zu sich an Bord, die wir freigelassen hatten, dann begannen sie, unsere ‚Isabella‘ zu suchen, die Henry sicherlich von Selim hinreichend beschrieben wurde.“

      „Also kehrten sie zu unserer Ankerbucht zurück“, meinte Ben Brighton. „Aber wir waren längst fort. Wahrscheinlich gingen sie auch noch einmal ins Dorf Pigadia hinauf …“

      „… und es war gut, daß sich die Bewohner ins Innere der Insel zurückgezogen hatten“, ergänzte Hasard. „Sonst hätten die Piraten sie dieses Mal alle umgebracht. Ich nehme an, daß Henry die Südseite der Insel sehr gründlich absuchte, ehe er endgültig davon überzeugt war, daß wir uns verzogen hatten. Jetzt begann er, im Seegebiet zwischen Rhodos und Zypern nach uns zu fahnden, in der Hoffnung, irgendwann doch noch auf uns zu stoßen.“

      „Aber er kennt unser Ziel nicht“, wandte Ferris Tucker ein. „Er weiß nicht, daß wir zur Mündung des Nils wollen.“