Seewölfe - Piraten der Weltmeere 350. Burt Frederick. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Burt Frederick
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397471
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konnten sie innerhalb der Diensträume auf den unbequemen Eisenhut verzichten.

      Zufrieden registrierte Mardengo, daß es sich lediglich um zwei Soldaten handelte. Beide waren mit Pistolen und Säbeln bewaffnet. Er konnte nur hoffen, daß sein Vorhaben gelang, ehe weitere von ihnen auftauchten.

      „Hola, Señores“, sagte er mit falscher Freundlichkeit, „was treibt euch in diese niederen Regionen?“ Er wußte, daß sie sich normalerweise in ihrem Wachraum aufhielten, der sich unmittelbar oberhalb des ersten Treppenaufgangs befand.

      Die beiden Spanier blieben stehen und wandten sich ihm mit mißbilligenden Blicken zu. Der eine war noch sehr jung, ein Milchgesicht mit dünnem Bartflaum auf der Oberlippe. Der andere trug einen Spitzbart, mit dem er offenbar die geschniegelte Eleganz der Offiziere nachzuahmen versuchte.

      „Rede nicht so scheinheilig“, sagte der Spitzbärtige, „du Hundesohn weißt ganz genau, was los ist. Die Hölle mit allen tausend Teufeln nämlich.“

      „Das ist leider nicht zu überhören“, sagte Mardengo, mit einem tiefen Seufzer. „Aber glaubt nur nicht, daß ihr hier unten besser aufgehoben seid.“ Er verzog das Gesicht zu einem zerknirschten Ausdruck des Zweifels.

      „Was soll das heißen?“ knurrte der ältere Soldat.

      Mardengo deutete mit dem Daumen über seine Schulter. Seine Kumpane waren nur schattenhaft zu erkennen, wie sie im Halbdunkel nahe beieinander kauerten.

      „Denen ist das Herz samt und sonders bereits in die Hose gerutscht. Ich habe ihnen gesagt, sie sollen sich zusammenreißen, aber sie haben kein rechtes Vertrauen zu der Baukunst von euch Spaniern. Seit ihnen der Mörtel und ein paar Steinchen auf die Köpfe gefallen sind, jammern sie mir vor, daß wir alle verschüttet würden.“

      Die beiden Soldaten wechselten einen betroffenen Blick.

      „Das gleiche wie oben im Wachraum“, flüsterte der jüngere erschrocken. „Wenn das hier unten auch schon anfängt …“ Er sprach seine Befürchtung nicht aus.

      „Wo war das?“ fragte der Spitzbärtige entschlossen. Er nahm eine Fackel aus der Halterung und ging auf die Gittertür von Mardengos Zelle zu.

      „Ungefähr in der Mitte“, erwiderte der Piratenführer. „Wenn du die Fackel ein Stück hereinhältst, müßtest du die Stelle sehen.“

      Innerlich frohlockte er, als der Soldat tatsächlich an die Gittertür trat und die Fackel durch die Stäbe steckte.

      Im selben Moment ertönte Oka Mamas Stimme, mit unechter Besorgnis und einem gekonnt gespielten Zittern.

      „Hier drüben bei uns ist das genauso, Señor. Sehen Sie sich nur einmal an, was für ein Loch in der Decke entstanden ist.“

      Für Mardengo genügte der kurze Moment, in dem der Soldat den Kopf irritiert zur Seite wandte.

      Wie eine angreifende Schlange zuckte die Linke des kraushaarigen Kreolen blitzschnell durch die Gitterstäbe. Er erwischte den Soldaten in der Hüftgegend, packte zu und zog ihn mit einem kraftvollen Ruck zu sich heran.

      Der Soldat stieß einen erschrockenen Laut aus, hatte aber keine Chance, rasch genug zu reagieren. Mit dem Kopf krachte er gegen das Eisengitter. Benommenheit überfiel ihn, die Fackel entglitt seiner Hand.

      Mardengo kümmerte sich nicht um den brennenden Schmerz, als die Flamme im Fallen seinen rechten Oberarm streifte.

      Bevor sich der jüngere Soldat von seiner Überraschung erholte, hatte Mardengo dem Spitzbärtigen die Pistole aus dem Gurt gezogen und den Hahn gespannt.

      Mit schreckensweiten Augen stierte der junge Spanier in die Mündung der Waffe, die ihm groß und schwarz erschien. Er überwand seine Panik und griff zur eigenen Waffe. Doch zu spät.

      Im selben Moment krümmte sich der Zeigefinger des Kreolen. Der Flint schlug auf den Reibstahl, das Zündkraut puffte und ließ eine kleine graue Wolke aufsteigen.

      Der jüngere Soldat schaffte es noch, seine Pistole hochzureißen.

      Ein grellroter Blitz raste auf ihn zu, und ein dumpfer Schlag traf seine Brust. Das Krachen des Schusses hörte er schon nicht mehr. Sein Lebensfaden war abgeschnitten, noch bevor er in sich zusammensank und auf die feuchten Quadersteine schlug.

      Der ältere Soldat versuchte verzweifelt, sich aus dem eisenharten Griff zu befreien. Doch schon waren Mardengos Kumpane zur Stelle. Zwei von ihnen packten zu. Die anderen verharrten lauernd und sprungbereit.

      „Haltet ihn fest!“ brüllte der Kreole. Mit einem Ruck zog er den Säbel des Spaniers aus der Scheide.

      Nur einen Schritt wich er zurück. Dann stieß er gnadenlos zu.

      Der Soldat starb, ohne noch einen Laut von sich zu geben.

      Eilends durchwühlte Mardengo die Hosentaschen des Toten, den seine Männer noch aufrecht hielten. Triumphierend hob er den Schlüsselbund hoch. Er hatte sich nicht getäuscht. Natürlich war es der Dienstältere, der die Zellenschlüssel bei sich trug.

      „Weg mit ihm“, befahl Mardengo mit einer Handbewegung, mit der man unter anderen Umständen ein lästiges Insekt zu verscheuchen pflegt.

      Die beiden Piraten ließen los. Der Tote stürzte der Länge nach auf den Steinboden.

      Mit fliegenden Fingern begann der Kreole, die Schlüssel durchzuprobieren. Beim vierten Versuch hatte er Glück. Knirschend bewegte sich der Riegel des Schlosses, und die Zellentür schwang auf.

      Die Männer stimmten ein triumphierendes Gebrüll an.

      Mardengo wirbelte herum.

      „Ruhe!“ fauchte er. „Wollt ihr den ganzen Bau alarmieren?“

      Sie verstummten sofort, bissen sich auf die Lippen und beobachteten ihren Anführer, der aufmerksam horchte.

      Aber immer noch war da nur das Tosen des Hurrikans zu hören. Die Schreie der Sterbenden und Verletzten waren weniger geworden. Ein Zeichen, daß sich die Anzahl der Überlebenden verringert hatte? Die Piraten kümmerte es nicht. Ihr Interesse galt ausschließlich ihrem eigenen Schicksal, um das es zur Zeit recht günstig zu stehen schien.

      Aus dem Gebäude selbst waren keine Geräusche zu vernehmen.

      Mardengo wandte sich nach links und schloß die Tür der Nebenzelle auf. Wortlos umarmte Oka Mama ihren Sohn. Die übrigen Männer liefen in den Vorraum und klopften ihren Gefährten auf die Schultern. Insgesamt fünfzehn waren es, die gemeinsam mit Mardengo und seiner Mutter in Gefangenschaft geraten waren.

      Der Kreole schob seine Mutter von sich. Okachobee war eine hagere und knochige Frau. Ihr Adlergesicht bestätigte, daß sie eine reinblütige Indianerin vom Stamm der Seminolen war. Das farbenprächtige europäische Frauenkleid mit glitzernder Seidenstickerei stammte von einem der Beutezüge ihres Sohnes. Auch trug sie noch den breitkrempigen Hut aus Flechtwerk, unter dem ihre Zöpfe hervorbaumelten.

      „Wir müssen uns beeilen“, sagte Mardengo, „wer weiß, was uns in diesem verdammten Bau noch alles erwartet.“

      Er warf die abgefeuerte Pistole einem seiner Männer zu und befahl ihm, sie nachzuladen und sich mit Pulverflasche, Zündkrautfläschchen und Kugelbeutel auszurüsten. Zwei weiteren Kumpanen gab er Order, die Säbel der toten Soldaten an sich zu nehmen. Er selbst versorgte sich mit der Pistole und der Munition des jüngeren Soldaten.

      Oka Mama hatte sich unterdessen bereits in die Nähe des Treppenaufgangs begeben und nach oben gelauscht. Ein zufriedenes Lächeln huschte über ihr listiges Adlergesicht.

      „Die Luft ist rein!“ rief sie ihrem Sohn zu. „Abgesehen von dem bißchen Wind scheint sich da oben nichts abzuspielen.“

      Mardengo antwortete mit einem heiseren Lachen. Das war seine Mutter, wie er sie kannte und schätzte. Sie war es auch, die die wilde Meute auf Pirates Cove in seiner Abwesenheit stets unter Kontrolle gehalten hatte. An ihrer Autorität wagte keiner der Kerle zu zweifeln.

      Bei dem Gedanken an seinen alten