Kommentar zum Briefe des Heiligen Paulus an die Römer. Johannes Chrysostomos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomos
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660161
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und Liebe dies verrät! Wenn er aber sagt: „Dem ich diene in meinem Geiste, in dem Evangelium seines Sohnes“, so offenbart er uns damit Gottes Gnade und zugleich seine eigene Demut: Gottes Gnade, daß er ihn mit einem so großen Werke betraut hat; seine eigene Demut, weil er nicht seinem Eifer, sondern dem Beistand des Geistes alles zuschreibt. Der Zusatz „in dem Evangelium“ bezeichnet die Art des Dienstes. Es gibt nämlich viele und verschiedene Arten des Dienstes im allgemeinen und des Gottesdienstes im besonderen. Wie bei den Königen zwar alle dem einen Herrscher unterstehen, aber nicht alle denselben Dienst leisten — der eine dient als Heerführer, der andere als Städteverwalter, wieder ein anderer als Schatzmeister —, so ist es auch in geistlichen Dingen: der eine verehrt Gott und dient ihm damit, daß er glaubt und sein Leben gut einrichtet, der andere damit, daß er Fremde gastfreundlich aufnimmt, ein dritter damit, daß er der Armenpflege obliegt. So war es auch bei den Aposteln selbst: Stephanus und die mit ihm waren, dienten Gott durch Witwenfürsorge, ein anderer durch Wortverkündigung. Zu diesen gehörte Paulus, der Gott durch die Missionspredigt verehrte. Bas war seine Art des Dienstes, dazu war er bestellt. Darum ruft er nicht allein Gott zum Zeugen an, sondern er sagt auch, daß er von ihm mit einem Amte betraut worden sei. Darin liegt ein Hinweis, daß er, durch so großes Vertrauen ausgezeichnet, doch nicht den zum Zeugen von Lügen anrufen werde, der ihn mit dem Amte betraut hat. Daneben will er auch anzeigen, daß die Liebe und Sorge für sie seine Pflicht sei. Damit sie nicht sagen können: Wer und woher bist du, daß du sagst, du hättest für eine so große Kaiserstadt Sorge zu tragen? weist er darauf hin, daß diese Sorge für ihn Pflicht sei, da ihm diese Art des Dienstes, das Evangelium zu predigen, aufgetragen sei. Wer einen solchen Beruf hat, der hat die Pflicht, derer zu gedenken, die sein Wort einmal annehmen sollen. Auch deutet er noch etwas anderes an mit den Worten: „in meinem Geiste“; daß nämlich diese Religion viel erhabener sei als die hellenische und die jüdische. Die hellenische ist falsch und sinnlich; die jüdische ist zwar wahr, aber auch sinnlich; die Religion der Kirche aber steht im Gegensatz zur hellenischen und auf einer viel höheren Stufe als die jüdische. Denn nicht durch Schafe und Kälber und Opferrauch und Opferduft geschieht unsere Gottesverehrung, sondern durch die Seele, die ein Geist ist. Das wollte auch Christus ausdrücken, wenn er sprach: „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten“ 46.

      „In dem Evangelium seines Sohnes.“ Oben hat er gesagt, das Evangelium sei das des Vaters, hier nennt er es das des Sohnes; so nennt er es ohne Unterschied bald des Vaters, bald des Sohnes. Er kannte ja jenes heilige Wort, daß das, was des Vaters ist, auch dem Sohne gehört, und das, was des Sohnes ist, auch dem Vater gehört: „Alles“, heißt es, „was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein“ 47.

      „Daß ich ohne Unterlaß eurer gedenke in meinen Gebeten.“ — Das ist echte Liebe. Eines sagt er scheinbar, und vier Dinge legt er hinein: daß er ihrer gedenkt, daß er ihrer ohne Unterlaß gedenkt, daß er ihrer im Gebete gedenkt, und daß es sich dabei um wichtige Dinge handelt.

      V. 10: „Und ich bitte, daß ich doch einmal so glücklich sein möge mit Gottes Willen, zu euch zu kommen; denn ich sehne mich, euch zu sehen.“

      Siehst du, wie sehr er wünscht, sie zu sehen, und sie doch nicht gegen das Wohlgefallen Gottes sehen will, sondern wie seine Sehnsucht mit Gottesfurcht verbunden ist? Er liebt sie und fühlt sich zu ihnen hingetrieben; und doch, so sehr er sie liebt, will er sie nicht sehen gegen das Wohlgefallen Gottes. Das ist echte Liebe, nicht wie wir lieben, die wir auf beiden Seiten die Schranken der Liebe zu überschreiten pflegen. Denn entweder lieben wir niemanden, oder wenn wir etwa jemanden lieben, so lieben wir dem Wohlgefallen Gottes zuwider und handeln so in beiden Fällen gegen das göttliche Gesetz. Wenn es mißlich ist, das zu sagen, so ist es noch mißlicher, daß es geschieht.

       3.

      Und wie lieben wir dann dem Wohlgefallen Gottes zuwider? fragt man. — Wenn wir Christus, wie er Hunger leidet, nicht beachten, dagegen übersehen, Kindern, Freunden und Verwandten mehr als nötig verabreichen. Brauche ich mehr davon zu sagen? Wenn jeder sein Gewissen erforscht, wird er auf vielerlei derartige Handlungen stoßen. Aber jener heilige Mann war nicht so; er verstand es sowohl zu lieben, als auch zu lieben, wie es recht ist und wie es sich ziemt; er übertraf alle im Lieben und überschritt doch nicht die Grenzen der Liebe. Sieh, wie beides überschwenglich in ihm glüht, Furcht Gottes und Sehnsucht nach den Römern. Sein beständiges Beten, mit dem er nicht aussetzte, auch wenn er nicht erhört wurde, war ein Beweis seiner heißen Liebe; sein Bleiben trotz all seiner Liebe, gehorsam dem Winke Gottes, ein Beweis seiner überaus großen Frömmigkeit. Ein andermal, als er dreimal den Herrn um etwas gebeten und es nicht nur nicht empfangen hatte, sondern sogar das Gegenteil, sagte er doch großen Dank dafür, daß er nicht war erhört worden. So war sein Auge in allen Dingen auf Gott gerichtet. Hier jedoch empfing er zwar, aber nicht wann er es haben wollte, sondern später, und er murrte nicht darob. Das sage ich, damit wir nicht mißmutig werden, wenn wir gar nicht Erhörung finden oder erst später. Sind wir ja doch nicht besser als Paulus, der für beides Dank sagt, und das mit Fug und Recht. Nachdem er sich nämlich einmal der alles leitenden Hand übergeben und sich ihrer Fügung unterworfen hatte, wie der Ton dem Töpfer, folgte er Gottes Führung, wohin immer es gehen mochte. Er hat gesagt, daß er sich sehne, die Römer zu sehen, und spricht nun auch den Grund seines Verlangens aus. Welcher ist dies?

      V. 11: „Damit ich euch etwas geistige Gabe mitteile zu eurer Stärkung.“

      Nicht ohne Zweck, wie heutzutage viele unnötige und zwecklose Reisen machen, wollte er reisen, sondern notwendiger und sehr dringlicher Dinge halber. Ganz ausdrücklich will er aber das nicht sagen, sondern nur andeutungsweise. Er sagt nämlich nicht: Damit ich euch lehre, damit ich euch unterweise, damit ich das noch Fehlende vervollständige, sondern: „Damit ich euch etwas mitteile.“ Er will damit andeuten, daß er ihnen nicht sein Eigenes geben, sondern das mitteilen werde, was er empfangen habe. Und hier wählt er noch einen einschränkenden Ausdruck, indem er spricht: „etwas“. Etwas Weniges, heißt das, und nach dem geringen Maß meiner Kraft. Und was ist denn dieses Wenige, das du nun mitteilen willst? Das ist, spricht er, „zu eurer Stärkung“.

      Also auch das ist Gnade, nicht zu wanken, sondern festzustehen. Wenn du jedoch von „Gnade“ hörst, so meine nicht, daß damit der Lohn der freien Willensentschließung aufgegeben werde. Denn den Ausdruck „Gnade“ gebraucht Paulus nicht, um die Tat der freien Willensentschließung zu mißachten, sondern um dem Stolz auf die eigene Tat einen Riegel vorzuschieben. Werde darum auch nicht kleinmütig, wenn Paulus sie eine Gnadengabe nennt. Denn aus übergroßer Dankbarkeit pflegt er auch die guten Werke „Gnadengaben“ zu nennen, weil uns dazu denn doch auch ein gut Teil Anregung von oben kommt. Durch die Worte: „zu eurer Stärkung“ deutet er versteckt an, daß sie einer starken Zurechtrichtung bedürfen. Was er nämlich sagen will, ist das: Seit langer Zeit schon hatte ich das Verlangen und den Wunsch, euch zu sehen aus keinem anderen Grunde, als um euch fest zu machen, zu stärken und in der Furcht Gottes zu kräftigen, damit ihr nicht immerfort hin und her schwanket. Aber so sagte er es nicht; denn er hätte sie damit zu hart angefaßt. Er gibt es ihnen darum durch eine andere gelindere Wendung zu verstehen; indem er nämlich sagt: „zu eurer Stärkung“ deutet er darauf hin. Weil aber auch das noch schwer erträglich war, mildert er es durch einen Zusatz. Damit sie nämlich nicht sagen könnten: Was? schwanken wir denn, lassen wir uns denn hin und her treiben und bedürfen wir denn deines Zuspruches, um fest zu stehen? nimmt er einen solchen Einwand vorweg, indem er sagt:

      V. 12: „Das ist, um in eurer Mitte uns mitsammen zu ermuntern durch unsern wechselseitigen Glauben, den euren und den meinen.“

      Wie wenn er sagen wollte: Argwöhnt nicht, als sagte ich das, um gegen euch eine Anklage zu erheben. Nicht so war jenes Wort gemeint; sondern was wollte ich sagen? Ihr habt viele Drangsale auszustehen gehabt von euren Verfolgern; es verlangte mich darum, euch zu sehen, um euch zu trösten, vielmehr nicht bloß um euch zu trösten, sondern um auch selbst Trost zu schöpfen.

       4.

      Sieh da die Weisheit des Lehrers! Er sagt: Zu eurer Stärkung; er weiß, daß dieses Wort von den Schülern hart und lästig empfunden wird und sagt: „um euch zu ermuntern“. Aber auch das klingt noch etwas hart,