Diese legen auf Gesetzesstufe die qualitativen formellen und materiellen Anforderungen an die Gestaltung der laufenden Buchführung fest.24 In der deutschen Fachliteratur werden die Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung als Oberbegriff betrachtet. Dieser umfasst zwei Bestandteile, welche die Grundsätze der Dokumentation (entsprechend den GoB nach OR 957a II) und der Rechenschaft (Rechnungslegung nach OR 958c) umfassen.25
Minderheiten und Einzelrechte auf erweiterte Rechnungslegung
Bei juristischen Personen können qualifizierte Minderheiten, in besonderen Fällen auch einzelne Gesellschafter, höhere Anforderungen an die Rechnungslegung stellen.
2.3 Buchführungspflicht
2.3.1 Überblick
Unter dem bisherigen Recht war die Buchführung (nicht aber die Rechnungslegung) durch einheitliche, allerdings knappe und unscharfe Gesetzesbestimmungen geregelt. Diese waren deshalb bei der Anwendung in der Praxis auszulegen. Wie dies zu erfolgen hat, gibt der Gesetzgeber in ZGB 1 vor. So ist bei der Klärung der Rechtsnormen und beim Füllen von Gesetzeslücken auch die »bewährte Lehre« und die bisherige Rechtsprechung zu beachten.
Fundierte Erläuterungen der Gesetzesbestimmungen zum Buchführungsrecht durch die Lehre, auf welche sich jeweils auch die Rechtsprechung abstützt, geben in der Schweiz die wissenschaftlichen, nach den Gesetzesartikeln (aOR 957-963) aufgebauten heute noch relevanten Kommentare von K. Käfer (Bern 1982) und E. Bosshard (Zürich 1984). Die aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften 1991 wurden im Basler Kommentar zum Gesellschaftsrecht (OR 530-1186) dargelegt.26
Mit dem Rechnungslegungsrecht 2011 wurden die bisherigen gesetzlichen Grundlagen umfassend erweitert. Dadurch ist eine Fülle von neuen Fragen für die Umsetzung des revidierten Buchführungs- und Rechnungslegungsrechts entstanden. Diese Aufgabe haben in knapper Form der Handkommentar zum schweizerischen Privatrecht27 und sehr gründlich, unter ausführlichen Verweisen auf national und international anerkannte Standards (Swiss GAAP FER, IFRS) sowie vergleichbarer ausländischer Normen, der veb.ch Praxiskommentar (D.Pfaff./St. Ganz/Th. Stenz./F. Zihler) übernommen.
2.3.2 Allgemein gültige Vorschriften zur Buchführung
Die den Grundsätze ordnungsmässiger Buchführung entsprechenden allgemein gültigen Vorschriften sind anwendbar für:28 Einzelunternehmen (OR 945 und HREGV 36 ff.) und Personengesellschaften (OR 552 ff., OR 594 ff., KAG 99), die im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von mindestens CHF 500‘000 erzielt haben und die juristische Personen. Die juristischen Personen sind Aktiengesellschaften, Kommandit-Aktiengesellschaft, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, Vereine, die sich ins Handelsregister eintragen lassen müssen, d. h., welche ein kaufmännisches Gewerbe betreiben oder revisionspflichtig sind (ZGB 61 ff.), oder Stiftungen, die im Handelsregister eintragungspflichtig sind (ZGB 81 II).
Die umfassende Buchführung verlangt das System der Doppik.29 Nur die doppelte Buchhaltung, welche sich dadurch kennzeichnet, dass jede Buchungstatsache mit demselben Betrag, einmal im SOLL (+) und einmal im HABEN (–) der entsprechenden Konten eingetragen wird, kann den Grundsätzen ordnungsmässiger Buchführung und den qualitativen Anforderungen an den Jahresabschluss (OR 959-960e) entsprechen. Auch das Buchungsdatum und ein Kurztext zur Buchung sind in der Praxis üblich (
Abb. 2: Kaufmännische Buchführung
Nachdem die einfache Buchhaltung nur noch für einen beschränkten Kreis von buchführungspflichtigen Unternehmen ausdrücklich zulässig ist, ergibt sich gegenüber dem bisherigen Recht, welches die Pflicht zur doppelten Buchhaltung offengelassen hat, eine klare Regelung.30
Zusätzlich bestehen weitergehende Anforderungen an Buchführung und Rechnungslegung von grösseren Unternehmen (OR 961). Diese umfassen:
• die Pflicht zur Erstellung einer Geldflussrechnung,
• die Pflicht, einen Lagebericht zu verfassen,
• zusätzliche Angaben im Anhang (OR 961a) über die Fälligkeit der verzinslichen kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten und über die Honorare der Revisionsstelle.
Der Kreis der grösseren Unternehmen wird jedoch nicht ausschliesslich nach Grössenkriterien festgelegt. Grundsätzlich knüpft das Rechnungslegungsrecht an die Art der gesetzlichen Revisionspflicht an, welche in OR 727 I festgelegt ist und für die Jahresrechnung und ggf. die Konzernrechnung eine ordentliche Revision verlangt.31
Bei den börsenkotierten Publikumsgesellschaften richten sich die Informationspflichten nach den Bestimmungen des Kotierungsreglements. In Sonderfällen gelangen diese auch für Gesellschaften zur Anwendung, welche die Grössenkriterien nach den in OR 727 I Ziff. 2 aufgeführten Schwellenwerten 20 Mio. CHF (Bilanzsumme), 40 Mio. CHF (Ertrag) oder 250 Mitarbeitende nicht erreichen. Die zusätzlichen Anforderungen sind für börsenkotierte Gesellschaften erheblich strenger als jene von OR 961. Die Börsenkotierung setzt die Anwendung eines anerkannten Standards der Rechnungslegung gemäss der Verordnung über die anerkannten Standards der Rechnungslegung (VASR) voraus. Überdies muss ein besonderer Vergütungsbericht vorgelegt werden (VegüV 13-16).
Auch Einzelabschlüsse von börsenkotierten Gesellschaften sind nach einem anerkannten Standard zu erstellen nach dem Konzept der True and Fair View. Wegen der damit verbundenen steuerrechtlichen Probleme wird auch ein Einzelabschluss nach OR erstellt (Dual Reporting), welcher handelsrechtlich massgebend ist und der Generalversammlung zur Genehmigung vorgelegt wird.32
Bei den börsenkotierten Gesellschaften handelt es sich jedoch bis auf seltene Ausnahmen um konsolidierungspflichtige Konzerne. Diese können den Einzelabschluss der Obergesellschaft – anders als den Konzernabschluss – nach OR erstellen. Weil es sich bei dieser in der Regel um eine reine Holdinggesellschaft ohne eigene operative Tätigkeit handelt, weist der Holding-Einzelabschluss für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gruppe nur eine sehr beschränkte Aussagekraft aus. Er wird deshalb in der Finanzanalyse hin und wieder, allerdings zu Unrecht, wenig beachtet.
2.3.3 Erleichterungen von der umfassenden Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht
Als grundlegende Erleichterung ist mit OR 957 II zur Entlastung der KMU für bestimmte Rechtsformen eine eingeschränkte Buchführung eingeführt worden und zwar eine einfache Buchhaltung, bestehend aus einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung mit Vermögensausweis.
Die Erleichterung für Mikrounternehmen durch Verzicht auf die zeitliche Abgrenzung beim Grundsatz der Periodisierung hat in der Praxis wegen der bescheidenen Zahl von betroffenen Gesellschaften nur geringe Auswirkungen, zumal die sachlichen Abgrenzungen vorzunehmen sind. Ebenfalls von geringer praktischer Bedeutung ist die Erleichterung, auf den Anhang zu verzichten, wenn die entsprechenden Angaben in der Bilanz und Erfolgsrechnung ausgewiesen werden (OR 959 III).
2.5 Die Einnahmenüberschussrechnung