Ein eingebildeter Brückenbauer
Hadrian entfernte nun aber nicht nur die Donaubrücke Traians, sondern er beseitigte auch, wenn man den Quellen trauen darf, deren Architekten Apollodoros. Unter Traian hatte der Syrer noch eine große Karriere gemacht, baute in Rom das Maßstäbe setzende Traians-Forum. Seine Erfolge scheinen ihm aber zu Kopf gestiegen zu sein. Noch zu Regierungszeiten Traians diskutierte er mit dem Kaiser ein Bauprojekt. Als Hadrian sich in dieses Fachgespräch einmischte, beschied ihn der Architekt, von solchen Dingen habe er keine Ahnung, er solle sich lieber um seine Kürbisse kümmern – dies war eine Anspielung auf ein Gemälde, das der kunstsinnige Hadrian gerade in Arbeit hatte und auf das er sehr stolz war. Als Kaiser unternahm Hadrian einen weiteren Versuch, sich vor dem großen Apollodoros als Experte für Architektur zu profilieren. Er legte ihm den von ihm selbst entworfenen Plan für den Bau eines Tempels vor und fragte (wahrscheinlich mit gespielter Bescheidenheit) nach, ob er gut gelungen sei. Nicht nur, dass die Expertise des Syrers vernichtend ausfiel – er machte sich am Ende auch noch lustig über den dilettierenden Kaiser. Die Götterfiguren, so teilte er dem konsternierten Kaiser mit, seien für den Innenraum des Tempels zu groß: »Wenn nämlich die Göttinnen aufstehen und herausgehen wollen, werden sie dazu nicht in der Lage sein.« So etwas konnte sich der Kaiser nicht gefallen lassen. Nach Cassius Dio wurde Apollodoros zunächst in die Verbannung geschickt und später hingerichtet. Dass er auch wegen der Apollodoros-Affäre dessen Donaubrücke demolierte, ist allerdings nicht mehr als eine völlig unbewiesene Hypothese – schließlich war Hadrian ein zivilisierter Kaiser.
Brücken erschließen das Reich
Ohnehin zählte es eher zu den Gewohnheiten der Römer, Brücken zu bauen als zu zerstören. Sie waren ein wichtiges Instrument zur infrastrukturellen Erschließung des Imperiums. So, wie die Römer in allen Provinzen Straßen erbauten, so konstruierten sie dort auch zahllose Brücken. Über 1000 solcher Brücken hat man inzwischen nachweisen können, viele von ihnen sind noch erhalten oder wenigstens in den Fundamenten vorhanden. Über römische Brücken zu fahren, war in der Regel eine komfortable Angelegenheit. In der Mitte waren sie mit einer Fahrbahn ausgestattet. Seitlich gab es jeweils einen Bürgersteig und ein Geländer. Und man verstand es auch, sich mit den Tücken der Strömung zu arrangieren (so, wie es der große Caesar vorgemacht hatte): Die Pfeiler wurden wie der Bug eines Schiffes angelegt, wobei der Bug zur Strömung hin orientiert wurde.
Das Prunkstück
Das prächtigste, heute noch intakte Exemplar einer kaiserzeitlichen Römerbrücke befindet sich im Westen Spaniens bei Alcantara. Eine 45 Meter hohe und 200 Meter lange Steinbrücke überspannt hier den Fluss Tejo, den die Römer Tagus nannten. Ihr Bau fand statt in der Regierungszeit Traians – und dass sie heute noch in voller Schönheit zu bewundern ist, sie also auch nicht von Traians Nachfolger Hadrian zerstört wurde, kann als definitiver Beweis dafür gelten, dass Hadrian nun wirklich nichts gegen Brücken als solche hatte.
KANALBAU
Xerxes
Persischer Großkönig 486–465 v. Chr.
Pionierleistung: Bau des Kanals auf der griechischen Halbinsel Athos
Wer heute auf der nordgriechischen Chalkidike die Halbinsel Athos besucht, interessiert sich in erster Linie für die imposanten Klosteranlagen aus byzantinischer Zeit. Doch es lohnt sich hier auch die Spurensuche nach einem ehrgeizigen Projekt aus der Antike: dem Kanal, den der persische Großkönig Xerxes im Jahre 480 v. Chr. durch den schmalen Isthmos legte, der die Halbinsel mit dem Festland verband. Die Arbeit an dem Unternehmen war so aufwendig, dass manche Historiker die antiken Berichte über den Bau dieses Kanals für unwahr gehalten haben. Aber die Forschungen der Archäologen haben längst Klarheit gebracht. Heute ist der Kanal wieder verschüttet. Doch dem aufmerksamen Beobachter werden nicht die künstlichen Erdhügel und die Substruktionen der Mauern entgehen. Und in jedem Frühjahr kündet die Vegetation vom Werk des Xerxes: Dann zeigt sich deutlich ein Streifen grüner Pflanzen, die an dieser Stelle üppiger als in der Umgebung wachsen, weil das Erdreich noch viel lockerer ist.
Eine missglückte Flottenoperation
492 v. Chr.: Der persische General Mardonios zieht mit einer Flotte durch die nördliche Ägäis. Das Ziel der Expedition ist es, die Autorität der Perser über die abtrünnigen thrakischen Stämme wiederherzustellen. Wegen mangelnder Seetüchtigkeit fahren die Schiffe wie üblich an der Küste entlang. Sie kommen von Osten, von der Insel Thasos, wollen nun die Halbinsel Athos passieren. Da bricht von Norden her ein gewaltiger Sturm herein. Die Flotte des Mardonios wird gegen die Felsenklippen des Athos geworfen. 300 Schiffe gehen verloren, über 20 000 Menschen kommen ums Leben. »Das Meer am Athos«, gibt der griechische Historiker Herodot das zeitgenössische Empfinden wieder, »ist gefüllt mit Ungeheuern, von denen viele Menschen ergriffen und in die Tiefe gezogen wurden. Einige wurden gegen die Felsen geschleudert, andere konnten nicht schwimmen und ertranken, wieder andere erfroren. So übel erging es der Flotte.«
Ein Perserkönig zieht seine Lehren
480 v. Chr.: Der persische Großkönig Xerxes fährt mit einer gigantischen Flotte an der Nordküste der Ägäis entlang. Das militärische Ziel ist diesmal viel weiter gefasst als zwölf Jahre zuvor: Es geht um die Unterwerfung von ganz Griechenland. Und Xerxes hat Vorsorge getroffen, dass sich die Katastrophe des Mardonios nicht wiederholen wird. Seit drei Jahren arbeiten Bautrupps an einem Kanal durch den Isthmos des Athos. Damit würde man die gefährliche Seeroute um die Halbinsel vermeiden können. Zwei Vertrauensleute des Xerxes, die Perser Bubares und Artacheies, führen die Aufsicht. Mit Peitschenhieben werden, wie es heißt, die zur Arbeit herangezogenen Soldaten zur Eile angetrieben. Man kommt ganz ohne technische Hilfsmittel aus, alles wird von menschlicher Energie geleistet. Bei der Stadt Sane wird eine schnurgerade Linie gezogen. Ein Teil der Arbeiter schachtet den Graben aus. Andere reichen den Schutt nach oben, wo er von Soldaten, die auf Stufen stehen, in Empfang genommen wird. Als Xerxes mit seiner Flotte ankommt, ist der Durchstich vollendet: Die Halbinsel Athos ist jetzt die Insel Athos. Der weitere Zug der Perser nach Griechenland war gesichert.
Der Kanal des Xerxes
Die moderne Archäologie hat die Dimensionen des Xerxes-Kanals rekonstruieren können: Er war etwa 2200 Meter lang und hatte eine Wassertiefe zwischen 1,5 und 2 Metern. Die maximale Tiefe des Einschnitts bis zum Meeresspiegel betrug 15,7 Meter. Der Kanal war so breit, dass zwei große Ruderschiffe problemlos aneinander vorbeifahren konnten. Herodot war allerdings nicht bereit, den Kanal in den Rang einer Meisterleistung zu erheben. »Wenn ich es mir so recht überlege«, führt er aus, »ließ Xerxes diesen Kanal nur aus reiner Geltungssucht bauen, um damit seine Macht zu demonstrieren und sich ein Denkmal zu hinterlassen. Ohne große Mühe und Anstrengung hätte er doch auch die Schiffe über Land ziehen können. Stattdessen aber ließ er einen so breiten Kanal bauen, dass zwei Dreiruderer nebeneinander ihre Ruder benutzen konnten.« Die Kritik der Griechen wird den Perserkönig wenig berührt haben. Er war es gewohnt, mit dem Ruf zu leben, ein hybrider, frevelhafter Herrscher zu sein. Das war die Sicht der Dinge, die sich die Griechen offiziell angewöhnt hatten. Zu Beginn der Griechenland-Expedition hatte bei den Dardanellen ein Sturm die Schiffsbrücke zerstört, mit der das persische Landheer übersetzen sollte. Daraufhin habe, kolportierte die griechische Gerüchteküche, Xerxes zur Strafe das Meer auspeitschen lassen. Der persische König, so urteilte der antike Historiker Iustin resümierend, »tat im Vertrauen auf seine Macht so, als wäre er der Beherrscher der Natur: Er ebnete Berge ein, füllte Täler auf, legte Brücken über das Meer