Militärarchitekten der Dritten Legion hatten den Auftrag erhalten, von einem Quellgebiet eine Wasserleitung über 21 Kilometer zur Hafenstadt Saldae zu legen. Wieder einmal stand ein Berg im Wege, und man war gezwungen, einen Tunnel zu bauen. Die Verantwortlichen hatten aber offenbar nicht das Kaliber eines Eupalinos, und vom Siloah-Tunnel hatten sie wahrscheinlich auch noch nichts gehört. Als man den Versuch unternahm, den Berg im Gegenortverfahren zu durchbohren, trieben die Arbeiter zwar eifrig Stollen in den Felsen, dies jedoch in völlig verschiedenen Richtungen, und das, obwohl die exakte Linienführung mit Pfählen über den Berg abgesteckt worden war.
Nonius Datus rettet die Ehre Roms
Sollte der Name »Saldae« zum Synonym für das Versagen römischer Technik werden? Zum Glück gab es noch Nonius Datus, pensionierter Landvermesser der römischen Armee. Er hatte das Saldae-Projekt einst geplant und war danach nach Lambaesis, dem Stützpunkt der Dritten Legion, zurückgekehrt – im Vertrauen darauf, dass die Ausführung des Projekts auch in seiner Abwesenheit keine Probleme bereiten dürfte. Doch dann erfuhr er von dem Desaster und eilte an den Ort des Geschehens zurück. Hier rettete der Krisenmanager Nonius Datus den Ruf der römischen Technik und brachte die Arbeiten am Tunnel, der eine Länge von 482 Metern hatte, doch noch zu einem guten Ende.
Die Inschrift des Nonius Datus
Als echter Römer begnügte sich Nonius Datus nicht damit, eine bedeutende Leistung vollbracht zu haben. Es kam ihm auch darauf an, alle Welt wissen zu lassen, was er getan hatte. Und so dokumentierte er auf einer weitschweifigen Inschrift in Lambaesis sein heroisches Rettungswerk. Jetzt konnte jeder nachlesen, wie es genau gewesen war. Nonius verschwieg nicht einmal, dass er auf dem Weg nach Saldae von Räubern überfallen worden war, dass man ihm Verwundungen zugefügt und ihn ausgeraubt hatte. Doch davon ließ er sich natürlich nicht beeindrucken. »Ich habe«, teilt er auf der Inschrift mit, »die Arbeiten genau zugeteilt, damit jeder wusste, welche Streckenlänge des Vortriebs er zu bearbeiten hatte.« Aber Nonius Datus war sich auch darüber im Klaren, dass es für die Arbeiter kein Vergnügen war, sich in den dunklen Berg hineinzubohren. Also verwandelte er sich in einen Motivationskünstler und veranstaltete einen Wettbewerb. Die Soldaten sollten das Ganze folglich sportlich sehen und versuchen, zwar sauber, aber doch möglichst schnell das Werk zu vollenden. Tatsächlich trafen sich die beiden Gruppen so ziemlich in der Mitte des Berges. »Und so kam man«, wie der Ingenieur auf der Inschrift stolz konstatiert, »zum Durchstich des Berges. Ich also«, fügt er dann hinzu, nun zu dem kommend, was er eigentlich mitteilen wollte, »der ich als erster das Niveau ermittelt, die Richtung gewiesen und die Arbeiten hatte machen lassen nach dem Plan, den ich dem Prokurator Petronius Celer gegeben hatte, habe den Bau zu Ende gebracht.« Das musste noch gesagt werden, denn, wie es auf der Inschrift abschließend heißt, hat, »als der Bau vollendet war und das Wasser floss, der Prokurator Varius Clemens die Anlage feierlich eingeweiht«. Die Politiker, sollte das wohl heißen, lassen sich erst blicken, wenn es gilt, die Lorbeeren zu ernten – da musste doch der Anteil des Ingenieurs ins rechte Licht gerückt werden. Über all dem Stress bei den Arbeiten am Tunnel ist Nonius Datus dann auch noch krank geworden. Ein Gönner, der Prokurator Porcius Vetustinus, lud ihn daraufhin zu sich ein, um ein paar Monate auszuspannen – ein Umstand, den zu verschweigen dem eitlen Ingenieur so schwergefallen ist, dass er den entsprechenden Brief des Vetustinus auch noch gleich auf seiner monumentalen Inschrift mit verewigen ließ.
Römische Straßentunnel
Mehr Meriten haben sich die Römer beim Bau von Straßentunneln erworben. Davon gibt es allerdings vergleichsweise wenige und auch nur in Italien. Das mag damit zusammenhängen, dass die technischen Anforderungen noch größer waren als bei den Wassertunneln. Schließlich wollte der Fahrer eines Ochsenwagens, der sich langsam durch einen Tunnel bewegte, erstens auch etwas sehen, und zweitens wollte er während der Fahrt nicht ersticken. Also standen die Ingenieure vor dem Problem, für ausreichende Beleuchtung und Belüftung zu sorgen. Bei kurzen Tunneln war das noch kein besonders großes Problem. Relativ komfortabel konnten die römischen Reisenden beispielsweise einen Tunnel am Furlo-Pass bei dem heutigen Pesaro auf der antiken Via Flaminia passieren. Erbaut wurde er 77 n. Chr. unter dem Kaiser Vespasian, mit einer Länge von gerade einmal 38 Metern bei einer Breite von 5,40 Metern und einer Höhe von knapp 6 Metern. Noch heute wird der Autoverkehr durch diesen Tunnel geführt (dessen antike Provenienz den mit der Qualität italienischer Tunnel vertrauten Autofahrern allerdings kaum auffallen dürfte).
Die Leiden eines Philosophen
Ungemütlicher konnte es jedoch bei längeren Tunneln werden, so wie bei der gegen Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. entstandenen Crypta Neapolitana, einem Tunnel von 705 Metern Länge und einer regelmäßigen Breite von 4,60 Metern. Den Eingang des Tunnels kann man heute noch in Neapel bewundern (zwischen den Stadtteilen Piedigrotta und Fuorigrotta), und regelmäßig scharen sich hier Touristen – allerdings um sich ein antikes Grabmal anzuschauen, das sich hier befindet und fälschlicherweise als das Grab des großen römischen Dichters Vergil ausgegeben wird. Wenn man dem Philosophen und Politiker Seneca Glauben schenken will (der sich nebenher Verdienste um die antike Erdbebenforschung erworben hat), war die Fahrt durch diesen Tunnel die reinste Tortur: »Nichts ist länger als dieser Kerker, nichts trüber als diese Fackeln, die uns nicht durch die Dunkelheit, sondern nur eben jene Fackeln selbst sehen lassen. Und selbst wenn dieser Ort Licht hätte, würde es der Staub schlucken … Zwei lästige Dinge, die einander entgegengesetzt sind, haben wir gleichzeitig ertragen: auf demselben Weg und am selben Tag haben wir uns mit Schlamm und mit Staub herumgequält.«
Die erste Fahrt Senecas durch den Tunnel von Neapel wird vermutlich auch seine letzte gewesen sein. Danach dürfte er, wenn er von Baiae nach Neapel reiste, den Schiffsweg bevorzugt haben, obwohl er dabei regelmäßig seekrank wurde. Aber er wäre auch kein Stoiker gewesen, hätte er nicht dem neapolitanischen Abenteuer etwas Positives abgewonnen: »Die Dunkelheit hat mir etwas gegeben, worüber ich nachdenken musste: Ich habe einen starken seelischen Eindruck gespürt und ohne Furcht eine Veränderung, die die ungewohnte Lage und ihre Hässlichkeit hervorgerufen hatten.«
BRÜCKENBAU
Dareios I.
Persischer Großkönig 522–486 v. Chr.
Pionierleistung: Bau einer Schiffsbrücke über den Bosporus
Neueste Forschungen haben ergeben, dass der Papst kein Brückenbauer sein muss. Offiziell wird der Oberhirte der katholischen Kirche mit dem lateinischen Wort Pontifex bezeichnet. Das ist insofern ganz korrekt, weil Pontifex nichts anderes bedeutet als »Priester«. Auch im antiken Rom hieß der Priester Pontifex. Schon römische Gelehrte machten sich Gedanken über die Etymologie dieses Wortes. Der Antiquar Varro dachte im 1. Jahrhundert v. Chr. an eine Zusammensetzung aus dem Substantiv pons »Brücke« und dem Verb facere »tun«, herstellen, bauen. Die modernen Sprachforscher sind sich aber inzwischen einig: pons bedeutet in diesem Kontext eben nicht »Brücke«, sondern »Weg«. Also ist der Pontifex der Weghersteller oder Wegbereiter. Wie in Rom aus einem Wegbereiter ein Priester werden konnte, weiß man allerdings immer noch nicht. Der Papst ist jedenfalls als Brückenbauer aus dem Schneider.
Die Meister des Brückenbaus
Dafür sind die antiken Römer tatsächlich ein Volk der Brückenbauer gewesen. Von ihnen stammen die imposanten, zum Teil heute noch erhaltenen Steinbrücken in allen