Görremann beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder ein. Er drehte sich um. Der Türsteher des ‘Magic’ sah in seine Richtung, während er das Walkie-Talkie an den Mund nahm und mit jemandem sprach.
Dann ging Görremann über die Straße. Mit Hilfe seines elektronischen Schlüssels öffneten sich bereits die Türen des Dienst-Chevrolets, den man ihm zur Verfügung gestellt hatte.
Görremann hatte die Straße gerade zur Hälfte überquert, da raste plötzlich ein Wagen heran. Ein Van mit getönten Scheiben und ohne Nummernschilder. Der Motor heulte auf. Ehe Görremann richtig begriffen hatte, was geschah, erfasste ihn der Kuhfänger des Van. Görremann wurde durch die Luft geschleudert und landete dann in eigenartig verrenkter Haltung auf dem Asphalt. Der Van hielt. Ein Mann stieg aus der Beifahrertür und trat an den am Boden liegenden Kommissar heran. In der Hand hielt der Mann eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer. Lächelnd blickte er auf Görremann herab.
Aber er brauchte die Waffe nicht.
Der ist tot, dachte er. Dann steckte er die Waffe ein und machte auf dem Absatz kehrt und stieg in den Van. Der Fahrer ließ ihn sofort davonbrausen. Mit quietschenden Reifen fuhr der Van um die nächste Ecke.
4
Rudi und ich trafen morgens pünktlich in der Zentrale des Bundeskriminalamts in Berlin ein. Trotzdem begegnete uns Dorothea Schneidermann, die Sekretärin des Chefs, mit einem Blick, der so ernst war, dass man hätte vermuten können, dass wir uns verspätet hatten. Ganz instinktiv sah ich deshalb auf die Uhr an meinem Handgelenk. Amüsiert bemerkte ich, dass mein Kollege Rudi Meier offensichtlich derselbe Gedanke gekommen war.
„Herr Hoch erwartet Sie bereits”, sagte Dorothea.
„Bleibt nichtmal Zeit genug, um Guten Morgen zu sagen?”, fragte ich zurück.
Das Lächeln blieb verhalten. „Heute nicht, Herr Kubinke. Sie sollten keine Sekunde mehr vergeuden.” Und damit wies sie in Richtung der Bürotür von Herrn Kriminaldirektor Jonathan Hoch, unserem Chef.
„Können Sie uns wenigstens schonmal sagen, wohin für uns die Reise diesmal geht?”, mischte sich jetzt Rudi ein.
„Bitte!”, sagte Dorothea Schneidermann erneut. Sie wirkte deutlich angespannter als sonst und das lag mit Sicherheit daran, dass Kriminaldirektor Hoch ihr auf seine gewohnt eindringliche Art und Weise ganz eindeutige Anweisungen gegeben hatte. Und die Wichtigste davon lautete offensichtlich, dass sie dafür zu sorgen hatte, dass wir uns unverzüglich in seinem Büro einfanden.
Rudi versuchte es trotzdem noch einmal. Irgendwie hatte er wohl nicht begriffen, wie ernst Dorothea Schneidermann meinte, was sie gesagt hatte. Mir war es aufgefallen. Schließlich kannte ich sie inzwischen schon gut genug, um das beurteilen zu können.
„Sagen Sie uns einfach, wo Sie die Hotels gebucht haben”, verlangte Rudi. „Denn das haben Sie doch sicher schon, wenn die Sache so dringend ist.”
„Das habe ich nicht”, stellte Dorothea Schneidermann klar. „Aber falls Sie im Rahmen Ihrer Ermittlungen ein Hotel oder einen Flug brauchen, dann sagen Sie mir einfach Bescheid und ich erledige das wie üblich.”
„Gut, aber...”
„Sie werden davon noch Gebrauch machen. Und zwar nicht zu knapp!”
In diesem Augenblick ging die Tür des Büros auf und Kriminaldirektor Hoch stand uns gegenüber. Die Hände waren in den weiten Taschen seiner Flanellhose vergraben, die Hemdsärmel aufgekrempelt. Seine Krawatte war gelockert und hing ihm wie ein Strick um den Hals.
So kannten wir Kriminaldirektor Hoch: Morgens war er der erste im Büro und abends war er der letzte, der es verließ.
Allerdings sah ich dann etwas, was mich stutzen ließ - und Rudi ebenfalls.
Kriminaldirektor Hoch unterdrückte offensichtlich ein Gähnen.
Diesen Tag musste man im Kalender wohl rot anstreichen, denn normalerweise vermittelte unser Chef eigentlich immer den Eindruck, dass seine persönlichen Energiereserven unerschöpflich waren.
„Schön, dass Sie endlich da sind”, sagte er. „Kommen Sie herein, ich habe heute Morgen schon unzählige Telefonate führen müssen. Aber es ist nunmal so, dass dann die meisten Gesprächspartner tatsächlich auch ein paar Minuten Zeit für einen haben.”
Rudi und ich wechselten einen kurzen und leicht ratlosen Blick, während unser Chef sich umdrehte und gleichzeitig mit einer energisch wirkenden Handbewegung dafür sorgte, dass wir ihm auch tatsächlich folgten, so wie er es verlangt hatte.
5
„Setzen Sie sich”, bot Kriminaldirektor Hoch an und wir kamen dem gerne nach. „Heute Morgen ist ein Fall an uns übergeben worden, der vielleicht in seiner vollen Tragweite erst etwas zu spät von den Kollegen erkannt worden ist.” Nun erst nahm Herr Hoch hinter seinem Schreibtisch Platz. „Die Gespräche, die ich heute Morgen führen musste, hatten allesamt etwas mit der Sache zu tun. Da mussten noch ein paar Kompetenzgrenzen genau abgesteckt werden.”
Die Tatsache, dass Kriminaldirektor Hoch entgegen seiner sonstigen, eher direkten Art noch nicht auf den Fall selbst zu sprechen gekommen war, sprach dafür, dass es sich dabei um etwas Außergewöhnliches handeln musste. Etwas, das selbst für einen so erfahrenen