Sie läuft darauf hinaus, den Messerangriff durch einen gezielten Schuss zu beenden.
Sieben Meter.
Ich war längst näher an ihr dran.
Viel näher.
„Ihr seid keine Menschen!”, rief sie. „Ihr seid in Wahrheit Reptiloide! Ihr seht nur aus wie Menschen! Ihr tarnt euch. Aber ihr seid Reptiloide, die seit Jahrtausenden die Erde heimsuchen und und uns alle beherrschen!”
„Ich bin Harry Kubinke von der Kripo”, wiederholte ich. „Kein Reptiloide. Ich schwörs.”
Sie starrte mich an.
„Du?”
„Die Messer weg, sofort.”
„Du bist der einzige echte Mensch hier!”
„Dann kannst du mir ja vertrauen”, sagte ich. „Also die Messer fallenlassen!”
„Du bist ein guter Mensch!”
„Die Messer weg!”
„Der einzige echte Mensch hier!”
„Ich bring dich in Sicherheit”, sagte ich. „Aber nur, wenn du vorher die Messer ablegst!”
Sie schien unschlüssig zu sein, was sie als nächstes tun sollte.
Immerhin.
Sie überlegte.
Das war mehr, als zu hoffen gewagt hatte. Die Hände mit den Messern sanken etwas nach unten.
Ein gutes Zeichen, dachte ich.
Ich glaubte, dass ich sie erreicht hatte. Dass ich irgendwie zu ihr vorgedrungen war und sie noch zum Guten beeinflussen konnte.
Ein Irrtum, wie sich leider herausstellen sollte.
Sie machte einen Ausfallschritt zur Seite.
Da stand eine junge Verkäuferin. Vermutlich noch in der Ausbildung, so jung, wie sie aussah.
Sie war die ganze Zeit schon wie erstarrt. Der pure Schrecken hatte sie gelähmt und trotz des Zeichens, das ich ihr gemacht hatte, war nicht mehr als zwei Schritt zur Seite gewichen.
Die irre Messerstecherin hatte ihr blitzschnell eine ihrer Klingen durch den Hals gezogen. Blut spritzte bis zu mir hinüber. Die Verkäuferin hielt sich den Hals, aber das Blut strömte ihr durch die Finger.
Ich schoss und traf die irre Messerfrau im Kopf. Sie ruderte mit den Armen, so als wollte sie noch viele unsichtbare Gegner - getarnte Reptiloide vermutlich - abstechen und fiel dann wie ein gefällter Baum mit einem dumpfen Geräusch zu Boden.
Reglos blieb sie liegen.
Ihre Körperhaltung war eigenartig verrenkt.
Die Augen starr.
2
„Es macht Ihnen niemand einen Vorwurf”, sagte mein Chef, Kriminaldirektor Hoch, als ich zusammen mit meinem Kollegen Rudi Meier dort saß und wir über den Vorfall sprachen. Das war Tage später. Und es lagen inzwischen neue Erkenntnisse zu der Sache vor.
„Ich mache mir selbst einen Vorwurf”, sagte ich.
„Die Frau hatte laut Gerichtsmedizin Designer-Drogen genommen. Die genaue chemisch-korrekte Bezeichnung erspare ich Ihnen.. Es handelt sich letztlich um ein starkes Psychopharmakum, das Halluzinationen und Wahnzustände auslösen kann. Genau das ist hier passiert.”
„Ich dachte, dass ich sie retten könnte”, sagte ich.
„So jemand ist unberechenbar”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Sie haben Ihr Bestes getan.”
„Das war leider nicht gut genug.”
„Man kann nicht jeden retten.”
„Ich weiß.”
„Wie gesagt, es macht Ihnen jemand einen Vorwurf.”
„Ich hätte sofort schießen sollen”, sagte ich. „Dann würde wenigstens die Verkäuferin noch leben. Aber ich habe gedacht, dass ich die Situation ohne Blutvergießen beenden kann.”
„Du konntest nicht wissen, was mit der Frau genau los ist”, mischte sich mein Kollege Rudi Meier ein. „Sowas kann jedem von uns passieren.”
„Das mag sein”, sagte ich. „Aber das macht es nicht besser.”
3
Eine regennasse Nacht in Hannover. BKA-Ermittler Kriminalhauptkommissar Theo Görremann verließ das ‘Magic’, eine Nobeldisco, die einst als Umschlagplatz für Kokain und Designer-Drogen galt. Görremann schlug den Kragen seines Mantels hoch. Sein Wagen stand auf der anderen Straßenseite vor einer Snack Bar, die rund um die Uhr geöffnet hatte.
Görremann fühlte das Vibrieren seines Mobiltelefons und nahm das Gerät aus der tiefen Manteltasche.
Auf diesen Anruf schien er gewartet zu haben. „Ich bin gleich bei dir”, sagte er in gedämpftem Tonfall. „Ja, ich habe mit ihm gesprochen... Wir reden später darüber, hörst du? Ich habe da etwas herausgefunden, was kaum zu glauben ist und ehrlich gesagt denke ich auch, dass man das erstmal überprüfen