Inzwischen hatte ich eine klare Abneigung für jegliche Form von herkömmlicher Erziehung entwickelt. Ich war schlecht in Mathematik und allen Naturwissenschaften. Zu den Männern, die mich unterrichteten, hatte ich keine Beziehung, und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass sie Verständnis für meine Schwierigkeiten aufbrachten. Ich absolvierte reihenweise Prüfungen und Vorstellungsgespräche, aber eine renommierte Privatschule nach der anderen lehnte mich ab, von Rugby, Repton, Clifton bis zu vielen anderen.
Also standen meine Eltern wieder vor dem Problem, mich zumindest solange an irgendeiner Schule unterzubringen, bis ich über das schulpflichtige Alter hinaus war. Sie lösten es wie viele geduldige Altvordere vor ihnen, indem sie mich an eines jener großzügigen Institute schickten, an denen gescheiterte Existenzen zwar auch nicht akzeptiert, aber zumindest aufgenommen werden, um dort bis zum Erreichen des Mannesalters einen gewissen geschützten Raum zu finden.
Die besagte Institution befand sich in Dorset. Dort hatte man sich besonders auf Sport verlegt, und ich spielte gezwungenermaßen und nicht besonders gut Rugby, aber ich ertrug das mit stoischer Ruhe, um an den Abenden meinem Interesse für Design und Farben nachzugehen. Kunst wurde damals nicht als angemessene Beschäftigung für einen anständigen Sohn einer ordentlichen englischen Familie betrachtet, aber es war das einzige in meiner kleinen Welt, wofür ich mich begeisterte. Und es war auch das einzige, worin ich wirklich gut war.
Währenddessen war in Liverpool Epstein senior, damals wie heute ein stolzer Bürger und Vater, brieflich wie mündlich damit beschäftigt, auf irgendeine Weise doch noch eine gute Schule für seinen Filius zu finden, bevor es zu spät war.
Es gelang ihm schließlich, und im Herbst 1948, kurz nach meinem vierzehnten Geburtstag, riefen mich meine Eltern und mein Bruder in Dorset an und sagten mir, dass ich auf das Wrekin College in Shropshire kommen sollte, eine bekannte Privatschule, die in dem Ruf stand, leitende Geschäftsleute und erfolgreiche Führungspersönlichkeiten in verschiedensten Gebieten hervorgebracht zu haben, wenngleich sie nicht unbedingt auf einer Stufe mit Eton oder Harrow stand.
Aber die Vorstellung spartanischer Strenge verlockte mich recht wenig, und so erwiderte ich nichts weiter als „oh“, als man mir die frohe Kunde überbrachte. Ende des Jahres schrieb ich voll düsterem Pessimismus: „Und jetzt geht es ans verhasste Wrekin. Ich gehe nur, weil meine Eltern das so wollen … es ist sehr schade, weil das letzte Jahr für mich sehr gut gelaufen ist. Viele neue Ideen. Etwas mehr Beliebtheit.“
Wenig später schrieb ich, worüber ich rückblickend beinahe ein wenig lächeln muss: „Vor meinem ersten Tag am Wrekin verbrachten wir einen Tag in Sheffield, der Heimatstadt meiner Mutter. Ich hatte erwartet, dass wir ins Grand gehen würden, aber leider war das nicht der Fall.“
Das Grand ist ein großes, teures Hotel – das größte in Sheffield. Es ist schon seltsam, dass ich sogar schon damals meine Enttäuschung darüber äußerte, dass wir nicht in einer noblen Unterkunft abstiegen. Heute geht es mir immer noch ähnlich, wenn auch in einem größeren und wesentlich teurerem Rahmen – ich gebe mich nicht gern mit etwas anderem als dem Besten zufrieden, und vielleicht ist es diese Neigung zu Superlativen, die mich als Geschäftsmann antreibt und mich immer wieder dazu drängt, etwas Neues in Angriff zu nehmen.
Also ging ich nun eine Weile aufs Wrekin. Ich mochte die Schule genauso wenig wie sie mich, und in meinen Zeugnissen stand: „Könnte bessere Leistungen zeigen“ oder „hat sich in diesem Semester nicht genügend angestrengt“, und ich vermute, das stimmte auch. Außer in zwei Bereichen: Ich war ein guter Maler und ein ganz ordentlicher Amateurschauspieler. Ich trat in den typischen Schul-Einaktern auf und stellte fest, dass es mir Spaß machte, auf der Bühne zu stehen.
In Kunst war ich Klassenbester, und das machte mich froh, denn obwohl ich mir hatte eingestehen müssen, dass ich in einer ganzen Reihe von Fächern versagt hatte, wollte ich doch zumindest irgendwo ganz oben stehen. Und aufgrund meines Talents mit Zeichenstift und Papier schrieb ich mit sechzehn, kurz bevor die nächsten Prüfungen anstanden, nach Hause und bat darum, die Schule verlassen zu dürfen, um Modedesigner zu werden.
Das führte zu heftigen Verstimmungen. Die Lehrer am Wrekin waren natürlich der Meinung, dass es selbstmörderisch sei, die Schullaufbahn ohne irgendeine Art von Abschluss zu beenden, und ihrer Meinung nach war so etwas wie Modedesign auch nichts für Männer.
Mein Vater sah das genauso, und außerdem fürchtete er, dass ein solcher Job nicht genug Geld abwerfen würde. Vor allem aber hatte er Angst, ich könne arbeitslos werden. Und so wurde ich kein Designer.
Nun wusste ich gute Modelle von schlechten zu unterscheiden, konnte Kleider entwerfen und zeichnen und wollte überhaupt nichts lieber, als Modeschöpfer zu werden, aber wie so viele Unternehmersöhne entschied auch ich mich für den unlogischen, aber geraden Weg und stieg ins Familiengeschäft ein, das mich überhaupt nicht interessierte. Ich erwartete auch nicht, dort besonders erfolgreich zu sein.
Aber … wenn man sieben Schulen hinter sich hat und es auf allen schrecklich war, wenn man von einer verwiesen wurde und für das einzige, wofür man wirklich brennt, nur Ablehnung erfahren hat, dann ist man leicht bereit, auf alles Mögliche einzugehen. Und so erschien ich am 10. September 1950 im Alter von knapp sechzehn, dünn, mit lockigem Haar, rosigen Wangen und allenfalls halbgebildet im familieneigenen Möbelgeschäft im Liverpooler Stadtteil Walton.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.