Lord und Lady Harlech waren beide ausgesprochen nette Engländer, aber wie es oft so ist, erwiesen sich die Gäste und Freunde der Gastgeber als nicht annähernd so angenehm wie diese selbst, und die Beatles fanden die ganze Veranstaltung grässlich – die Leute, die Atmosphäre und die Haltung, die man ihnen gegenüber an den Tag legte. Seit diesem Tag haben sie jede Einladung dieser Art abgelehnt. Inzwischen wissen sie schließlich genau, wie diese Veranstaltungen ablaufen.
Das verhält sich nämlich so: Zwar werden die Beatles natürlich zunächst einmal eingeladen, um zu sehen und gesehen zu werden, zu hören und gehört zu werden und um anderen Spaß zu bereiten, aber auch selbst welchen zu haben. Es dauert aber nicht lange, und sie werden zu Autogramm-Robotern degradiert und müssen hinnehmen, dass man auf ihre Kosten alle möglichen Späße macht, Beleidigungen äußert oder Forderungen stellt, wobei sich oft gerade jene Briten, die sich für bedeutende Mitglieder der Gesellschaft halten und sich einer herausragenden Bildung und Erziehung rühmen, als ausgesprochen schwierig und unangenehm erweisen.
Bei dem Empfang in der Botschaft wurde Ringo eine Haarsträhne abgeschnitten, und ein rotgesichtiger junger Brite forderte John ohne Umschweife auf: „Unterschreib das mal.“ Als John – meiner Ansicht nach völlig berechtigt – „Nein“ sagte, musste er sich anhören: „Du unterschreibst das jetzt gefälligst, ob dir das passt oder nicht.“
„Oh“, sagte John nur, verließ den Empfang und fuhr ziemlich erzürnt ins Hotel zurück. Ringo, Paul, George und ich blieben noch ein wenig länger, aßen ein paar Häppchen vom Buffet, drängten uns durch die Menschen und gingen schließlich, als der Schreibkrampf der drei so schlimm wurde, dass sie keinen Stift mehr halten konnten. Lord und Lady Harlech bedauerten das sehr und sagten das auch der britischen Presse, die dieses Ereignis auf alle Titelseiten hob.
Gut, so hatten wir uns also vielleicht bei der Britischen Botschaft unbeliebt gemacht, aber zur gleichen Zeit gewannen wir Millionen neuer Freunde durch die wilde Hysterie der amerikanischen Radiosender. Ich war überwältigt von der auf Hochdruck arbeitenden Werbemaschinerie der Amerikaner, und von den Kniffen, die sie nutzen, um an neue Nachrichten, Interviews und Mitschnitte heranzukommen.
Dabei kann ich nicht sagen, dass ich diese Mechanismen bewunderte – sie stellten eher eine Art Urgewalt dar, die einfach vorhanden und auf ihre eigene Art auch recht faszinierend war. Seit dieser Reise gab es verschiedene Versuche, Interviews auf Langspielplatten zu pressen – illegale Produkte, gegen die unsere Anwälte vehement vorgehen – und es war spannend zu sehen, dass selbst unser Roadmanager, die Transportkräfte und alle anderen, die irgendetwas mit den Beatles zu tun hatten, von den Radiomoderatoren umlagert wurden und schließlich in Interviews ihre Ansichten zum Besten gaben. Das ist offenbar eine typische Spielart der Beatlemania, dass es die eigene Person enorm aufwertet, wenn man einen wie auch immer gearteten Kontakt zu jemandem hat, der die Beatles kennt. Einer meiner Büroangestellten sagte mir, sein Vater sei um ein Autogramm gebeten worden, und zwar nicht um eines der Beatles, sondern um sein eigenes, als der Vater eines Mannes, der mit den Beatles zu tun hat. Anstrengend, keine Frage, aber in dem ungewöhnlichen Kontext der Beatles inzwischen ganz normal.
Amerika erteilte den Beatles eine Lektion: Wenn sie es irgendwie vermeiden können, werden sie sich nicht wieder derart ausnutzen lassen, und wenn es denn doch nicht anders geht, dann versuchen sie zumindest, solche Promogeschichten möglichst schnell hinter sich zu bringen. Auf dieser ersten Amerika-Tournee schoben die DJs – die Volkshelden der Radiowellen – sie von einem Mikrofon zum anderen.
Damals waren die Beatles und die Roadmanager leicht dafür zu gewinnen, auf eine simple Bitte hin ohne Vertrag oder dergleichen alles Mögliche ins Mikrofon zu sprechen. Paul sagte: „Hört Radiosendung 1-2-3, die ist das Größte“, und John sagte „Hört Radiosendung 4-5-6, die ist das Heißeste“, und Malcolm Evans, der Roadmanager, machte es genauso. Bei vier starken, temperamentvollen Persönlichkeiten wie den Beatles und den aufgeschlossenen jungen Männern, die sie umgaben, war es so nicht einfach, ein Gefühl dafür zu vermitteln, dass sie letztlich für kommerzielle Unternehmen warben: zum einen ohne jegliche finanzielle Gegenleistung, zum anderen auch ohne Planung und Berücksichtigung der Konsequenzen.
Die DJs hatten natürlich eine großartige Zeit, aber nach ein paar Tagen musste ich ein Machtwort sprechen. Die Beatles hörten auf meine Warnung, und inzwischen weigern sie sich von sich aus, Werbung für irgendwen zu machen oder ein Produkt gegenüber einem anderen hervorzuheben, ob es sich nun um einen kommerziellen Radiosender handelt oder um einen Luftballon. Es ist außergewöhnlich, dass die Beatles so lange auf diese Maschen hereinfielen, aber schließlich spielt das Werben und Verkaufen in Amerika eine enorm große Rolle, und damals war der Widerstand der Gruppe dagegen noch nicht sehr ausgeprägt. Das hat sich grundsätzlich geändert, und das ist auch sehr gut so, denn inzwischen will die ganze Welt den Beatles ständig irgendetwas verkaufen, und die Produkte sind nicht immer die besten.
Wenn man sich der Aufgabe verschrieben hat, das Leben von Pop-Künstlern zu organisieren und ihre Karrieren zu planen, dann liegt eines der Probleme darin, das Interesse aufrecht zu erhalten, wenn die Musiker selbst nicht im Lande sind oder gerade nicht persönlich im Fernsehen oder im Radio erscheinen können. Es ist nicht so einfach, die Plattenverkäufe weiter anzukurbeln, wenn es keine persönlichen Auftritte gibt. Als die Beatles aus Amerika wieder abreisten, war ich mir nicht sicher, ob die Aufmerksamkeit, die wir geweckt hatten, weiter anhalten würde – auch wenn die DJs mir das versprachen und sagten, die Beatles seien schlicht so gut, dass sie ihre Platten natürlich trotzdem spielen und bewerben würden.
Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Als „Can’t Buy Me Love“ in den USA erschien, kam der Titel sofort auf Platz 1 und überflügelte dabei fünf andere Beatles-Songs, die bis dahin die vorderen Positionen belegt hatten. Eine einzige Band auf den ersten sechs Chartplätzen! Als wir die USA bei unserem zweiten Besuch diesmal von der anderen Seite aufrollten und in San Francisco ankamen, wussten wir, dass die Beatles eine Sensation geworden waren. Das war gleichzeitig auch eine Herausforderung und Verantwortung, die ein wenig beängstigend war. Wie wir erfuhren, plante man uns zu Ehren eine Konfettikanonade, und die Beatles – allesamt eher zurückhaltende Menschen, die sich eine stille Bescheidenheit erhalten haben – fragten sich, ob das für sie das Richtige war.
Wir beschlossen, uns immerhin auf eine Cabriofahrt durch diese wunderschöne Stadt einzulassen, denn schließlich war das hier alles Showbusiness und gehörte dazu.
Wenn wir heute auf all die Geschehnisse seit November 1962 zurückblicken, dann sind es die Ereignisse auf der ersten Amerika-Tournee, die alles andere in den Schatten stellen. Seitdem hat es zwar sehr viele andere wichtige Augenblicke gegeben, wie vor allem die Premiere des ersten Beatles-Films in Anwesenheit von Prinzessin Margaret im Juli 1964 in London, und auch die Tour durch Australien und Asien war hinsichtlich der Menschenmassen noch wilder und überwältigender als der Empfang in Amerika. Aber dennoch haben die USA etwas an sich, das alle anderen Länder in praktisch jeder Hinsicht übertrifft.
Wir wussten, in Amerika würde es sich entscheiden, ob die Beatles zu Weltstars aufsteigen würden oder nicht.
Wie sich herausstellen sollte, taten sie es.
Als ich zehn war, flog ich vom Liverpool College. Meine Eltern fanden das zwar ganz und gar nicht witzig, aber ich selbst machte mir in diesem Alter überhaupt keine Sorgen, denn das Liverpool College war ja nicht die einzige Schule auf der Welt, und ganz bestimmt war es auch nicht die beste.
Der Grund für meinen Rauswurf lautete „Unaufmerksamkeit und fortgesetztes Nichterreichen des Klassenziels“. Meine Eltern wurden in die Schule bestellt, und dann zählte ihnen der Schulleiter, wie solche Leute es ja gern tun, meine Verfehlungen auf, als seien es Schwerverbrechen.
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