Da sie seine Mitbewohner und Nachbarn als Teil seines Problems ansahen, hatte das Blackhill-Team Syd noch vor Ende des Sommers aus der Wohngemeinschaft in der Cromwell Road herausgeholt. Barrett und Lindsay waren daraufhin vorübergehend zusammen mit Rick und Juliette in eine Wohnung auf dem Richmond Hill gezogen, die Andrew King gehörte. Gleichzeitig kursierten verstörende Gerüchte, denen zufolge Syds Hauskatze in der Cromwell Road zurückgeblieben war. Jemand hatte ihr angeblich LSD verabreicht, woraufhin das arme Tier verendet war. Die Wohnung auf dem Richmond Hill lag im zweiten Stock, von wo aus man einen Ausblick über die Themse hatte, und sollte ein vernünftigeres Ambiente bieten. Das dringlichste Problem war trotz allem aber immer noch, eine neue Hit-Single zu produzieren, obwohl es Syd an der Hingabe seiner Band und seines Managements mangelte.
„Syd fing an, tiefe Enttäuschung darüber zu empfinden, was mit Pink Floyd passierte“, erzählt Anthony Stern. „Zu jener Zeit besuchte er mich immer wieder in meiner Wohnung, die ich in den Norfolk Mansions in Battersea hatte und er als eine Art Unterschlupf ansah. Wenn man in Cambridge aufgewachsen war, wollte man nie etwas tun, was zuvor schon wer gemacht hatte. Syd war von Haus aus revolutionär und kreativ – er verstand nur das Konzept kommerziellen Denkens nicht.“
Anstatt eine neue Hit-Single zu schreiben, verbrachte Syd viele Stunden zusammen mit Anthony, um sich über Ideen für einen Film – Arbeitstitel: „The Rose-Tinted Monocle“ – auszutauschen. Das Duo war auf ein Buch des amerikanischen Autors und Erfinders Buckminster Fuller gestoßen und begeisterte sich besonders für eine Stelle, an der von sogenannten „inhärent regenerativen konstellaren Energie-Assoziations-Ereignissen“ die Rede war. „Dies war die Grundlage für den Film“, erklärt Stern. „Die Energie-Assoziations-Ereignisse sollten als Episoden fungieren. Syd und mir schwebte ein Film vor, der keiner linearen Struktur folgte, sondern aus unterschiedlichen Fragmenten bestand, die holistisch betrachtet wieder ein Ganzes ergaben – fast so wie etwas, das man betrachtete, damit es einem beim Meditieren behilflich war.“
Obwohl Barrett den Film niemals fertigstellen sollte, würde Sterne viele der Ideen, die ursprünglich für „The Rose-Tinted Monocle“ erdacht worden waren, für einen eigenen Film verwenden, den er später Pink Floyd anbot. In der Zwischenzeit, abseits des im Entstehen begriffenen Filmprojekts, wurde Syd immer noch ermutigt, doch etwas mehr wie ein Popstar zu denken. Syds neuer Songs, „Apples and Oranges“, war zeitgleich zur US-Tour veröffentlicht worden und sollte Pink Floyd rechtzeitig vor Weihnachten zurück in die UK-Charts befördern. Hatte Syd zuvor noch von Unterwäsche klauenden Transvestiten und „besessenen Puppen“ gesungen, handelte diese Nummer von einem etwas profaneren Erlebnis, und zwar von einem Mädchen, das er beim Shopping in Richmond gesehen hatte. Manche behaupten, dass es sich bei ihr um Lindsay Corner handelte. Es war ein typischer, lebhafter Psychedelic-Song, dem es aber am hypnotischen Charme von „Arnold Layne“ oder „See Emily Play“ fehlte, weshalb die Single auch kein großer Chart-Erfolg wurde. Zwar war es Syd, der als das Genie hinter Pink Floyd wahrgenommen wurde, doch inzwischen erscheint einem die von Richard Wright geschriebene B-Seite „Paintbox“ als die bessere der beiden Nummern.
„Nach ‚See Emily Play‘ baute sich dieser übliche Musikbusiness-Druck auf. Wo bleibt der nächste Hit?“, erzählt Andrew King. „Syd schien der wahrscheinlichste Kandidat zu sein, wenn es darum ging, eine neue Hit-Single zu schreiben, weshalb er es auch war, den wir dazu drängten. Ich hielt ‚Apples and Oranges‘ nicht für so schlecht, aber ich vermute, dass wir uns damals dachten: ‚Ach, herrje … aber wenn das das Beste ist, was sie fabrizieren können …‘“ Produzent Norman Smith gestand: „Ich war derjenige, der diesen Song ausgesucht hat. Er war der beste unter vielen schlechten.“ Als er zum Misserfolg des Songs angesprochen wurde, antwortete Barrett ungewöhnlich direkt: „Das ist mir schnurzegal“, sagte er schulterzuckend. „Alles, was wir tun können, ist Platten zu machen, die uns gefallen. Die Kids fahren auf die Beatles und Mick Jagger nicht wegen ihrer Musik ab, sondern weil sie immer genau das machen, was sie auch machen wollen. Und zum Teufel mit dem Rest!“
„Wir übten viel Druck auf Syd aus“, räumt Peter Jenner ein. „Aber andererseits standen auch wir wiederum unter einigem finanziellen Druck, was alles noch verschlimmerte.“ Blackhill war inzwischen mit Geld aus dem Deal zwischen Pink Floyd und EMI aus der Edbrooke Street in ein konventionelles Büro in der Alexander Street in Westbourne Grove gezogen. Und doch bezahlte die Firma die Band und die Crew mittlerweile nach dem Prinzip: „Wer zuerst kommt, malt zuerst“. Die Schecks platzten regelmäßig, was dazu führte, dass die Angestellten ihre schon am Wochenanfang abholten, um sie als Erste einlösen zu können.
„Wir heuerten einen Buchhalter an, der uns all diese Fragen stellte“, sagt Jenner. „Etwa ‚Kann ich eure Bücher durchsehen?‘ Wir fragten nur: ‚Bücher?‘ Oder er erkundigte sich, ob wir die Sozialversicherung bezahlt hätten, woraufhin wir nur erwiderten: ‚Was für eine Sozialversicherung?‘“
Auch das Live-Geschäft kam für Pink Floyd langsam zum Erliegen. Es war nicht mehr so leicht, die Band zu verkaufen. Wir hatten keinen neuen Hit, weshalb wir nicht in den Pop-Clubs auftreten konnten. Und die Blues-Clubs wollten uns auch nicht zurück. Somit konnten wir nur noch an Colleges spielen. Davon gab es aber nicht sonderlich viele und die, die es gab, hatten wir schon alle abgeklappert.“
Ein desillusionierter Peter Wynne-Willson kündigte am Ende der Tour mit Hendrix seinen Job als Beleuchtungstechniker der Gruppe. Es war angesichts der finanziellen Unsicherheiten rund um Blackhill vielsagend, dass sein Nachfolger John Marsh sich mit einem niedrigeren Gehalt zufriedengeben musste. Instinktiv tat sich Wynne-Willson mit Syd zusammen, dessen Stellung innerhalb der Band von Tag zu Tag wackliger wurde. Als sich das Jahr 1967 zu Ende neigte, schienen sich die Naivität und der blinde Optimismus, die zwölf Monate zuvor noch geherrscht hatten, in Luft aufzulösen. „1967 hatte sich der Zeitgeist verändert“, behauptet Wynne-Willson. „Und er orientierte sich nicht länger an diesen heimeligen Hippie-Dingen.“
Begleitend zum sogenannten „Summer of Love“ hatte News of the World eine Wochenends-Reportage über den UFO-Club veröffentlicht, in der man ihn als „Hippie-Lasterhöhle“ verunglimpft hatte. Die Polizei, die bisher beide Augen zugedrückt hatte, informierte Mr. Gannon, dass er mit einer Razzia zu rechnen hätte und ihm seine Lizenz entzogen werden würde, wenn er am kommenden Freitag aufsperren würde. Joe Boyd verlegte die Veranstaltung daraufhin ins Roundhouse, aber Zusammenstöße mit ortsansässigen Skinheads sowie die übertrieben hohe Miete forderten ihren Tribut, weshalb der UFO-Club schlussendlich im Oktober 1967 zugesperrt wurde. Gleichzeitig lief seine ehemalige Hausband rund um ihren Star-Sänger Gefahr, auseinanderzufallen.
Am 22. Dezember traten Pink Floyd gemeinsam mit The Jimi Hendrix Experience, The Who und The Move bei einer Show mit dem Titel „Christmas on Earth Continued“ im Kensington Olympia auf. In der gewaltigen Location fanden sich die Bands umgeben von neun Meter hohen Beleuchtungsmasten, Attraktionen im Stile eines Jahrmarktes und Boutiquen. Allerdings war Syd kaum in der Lage aufzutreten. Nachdem er von Jenner, King und June Child auf die Bühne geleitet worden war, stand er einfach nur mit hängenden Armen da. Zwar hatte ihm jemand seine Gitarre umgehängt, doch war sie angeblich gar nicht mit dem Verstärker verbunden. Nick Mason schrieb später: „Wir hatten versucht, die Probleme zu ignorieren, aber die Zeit des Verleugnens war vorüber. Wir waren an einer Zerreißprobe angelangt.“
„Alles passierte so schnell“, sagt Peter Jenner. „Innerhalb weniger Monate hatte sich Syd von einem sorglosen Studenten, der von seinem Stipendium lebte und hie und da mal rauchte, in jemanden verwandelt, der von all diesen Menschen umgeben war, die seine besten Freunde sein wollten und sich darauf verließen, dass er einen Gig spielte, ein Interview gab, eine Hit-Single schrieb, das Geld hereinströmen ließ … und ihnen den Sinn des Lebens verriet.“
Als er von einem Interviewer für ein Pop-Magazin nach seinen Gedanken gefragt wurde, arbeitete Syd bereits an einer neuen Strategie: „Alles, was ich weiß, ist, dass ich beginne, weniger nachzudenken“, sagte er. „Es wird langsam besser.“
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