Während Barrett sich jeden Morgen zur Camberwell begab, studierte Gale am Royal College of Art Film und arbeitete nebenher bei Better Books, einem Laden in der Charing Cross Road und zu jener Zeit die erste Anlaufstelle für Beat-Literatur und -Magazine. Nachts trafen sich die beiden wieder in ihrem „dreckigen, kleinen Zimmer“, wie Gale es zu nennen pflegte. Ein Besucher erinnert sich: „Obwohl keine der Wohnungen, in denen wir damals hausten, irgendeine Art von häuslichem Komfort vorzuweisen hatte, war ihre die einzige, in der es tatsächlich Kakerlaken gab.“
Inzwischen war auch Richard Wright, der sich eine kurze Auszeit gegönnt hatte, um sich auf sein Studium zu konzentrieren, wieder zurück als Keyboarder der Leonard’s Lodgers. Außerdem feierte er seinen eigenen musikalischen Durchbruch, nachdem er einen seiner Songs, „You’re the Reason Why“, an das Liverpooler Gesangstrio Adam, Mike and Tim für eine stattliche Summe von 75 Pfund hatte verkaufen können.
Doch war der Posten des Leadsängers nach wie vor vakant. Juliette Gale hatte inzwischen das Poly verlassen, um an die Universität in Brighton zu wechseln. Barrett und Klose teilten sich den Gesang, doch bald schon wurde ihnen klar, dass sie einen ordentlichen Frontmann für sich gewinnen mussten, weshalb Syd sich an Geoff Mottlow wandte, der aber gerade erst selbst einen Hit mit den Boston Crabs gehabt hatte und ihnen absagte. Klose schlug vor, sich an einen anderen Cambridger zu wenden. Chris Dennis hatte in lokalen Bands wie den Redcaps gesungen und arbeitete nun als Techniker bei der Royal Air Force. Außerdem konnte er von sich behaupten, in der ersten elektrisch verstärkten Band Maltas, den Zodiacs, gespielt zu haben, während er auf der Mittelmeerinsel stationiert gewesen war. Er war ein wenig älter als seine mittellosen Bandkollegen aus dem Studentenmilieu und besaß außerdem eine PA-Anlage von Vox. „Es war offenkundig, dass ich es war, der sich ihnen anschloss“, sagt Dennis heute.
„Sie wollten sich strikt auf Blues beschränken – Slim Harpo, Lightnin’ Hopkins, Howlin’ Wolf. Das war ein Sound, der damals in Großbritannien de facto unbekannt war. Ich stand aber, nachdem ich die Rolling Stones im Rex Ballroom in Cambridge gesehen hatte, viel mehr auf Rhythm and Blues. Das war viel eher mein Ding.“
Dennis nahm an den Proben in Mike Leonards Haus teil und blieb für sechs Monate bei der Band, mit der er in dieser Zeit ungefähr ein Dutzend Gigs spielte, darunter etwa auch als Vorgruppe von Jeff Becks Band, The Tridents. „Bei vielen Bands fällt einem auf, dass es in der Gruppe jemanden gibt, der nur deshalb dabei sein darf, weil er mit den anderen befreundet ist – und zuerst dachte ich, dass dies auf Syd zutreffen würde. Er sang ein paar Nummern, zum Beispiel ‚No Money Down‘ von Chuck Berry, jedoch fehlte es ihm an Präsenz. Roger war der Anführer. Er war es auch, der mir sagte, was ich singen und welche Songs ich lernen sollte.“
Später sollte die Band behaupten, dass Dennis’ witzelnde Art, sich auf der Bühne zu artikulieren, zunehmend problematisch geworden sei. So habe er sich etwa selbst Abwandlungen der Songtitel, darunter auch „Smokestack Lightning“ von Howlin’ Wolf, einfallen lassen. Dennis sieht die Sache anders: „Sie hatten nicht gerade einen sonderlich ausgeprägten Sinn für Humor“, insistiert er. „Aber tatsächlich sind viele dieser alten Blues-Songs sehr witzig. Sie bestanden darauf, dass ich mir keine neuen Songtitel mehr einfallen lassen und dem Publikum nur die Originaltitel ansagen sollte. Ich meinte darauf: ‚Warum? Sie kennen die Songs ohnehin nicht.‘ Um ehrlich zu sein, ich denke nicht, dass das damalige Publikum bereit war für stampfenden Blues mit wunderlichen Texten.“
Es war auch während Chris Dennis’ Zeit bei der Band, dass sie sich Bandnamen zulegten, die Variationen ihres späteren Namens darstellten. Syd kombinierte dazu die beiden Namen zweier Blues-Musiker aus North Carolina, Pink Anderson und Floyd Council. Er hatte bereits seine beiden Katzen, Pink und Floyd, nach ihnen benannt. 1965 und Anfang 1966 firmierte die Gruppe nun unter Namen wie The Pink Floyd Blues Band, The Pink Floyd Sound und The Tea Set, auch T-Set geschrieben. Obwohl Chris Dennis felsenfest behauptet: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir uns jemals The T-Set genannt hätten. Jedoch weiß ich noch, dass Syd zu einer Probe erschien und uns mitteilte, dass er sich einen Namen ausgedacht hätte – Pink Floyd. Zuerst gefiel mir der Name nicht. Später gewöhnte ich mich daran. Doch am Anfang erschien er mir einfach nicht passend.“
Es wird weithin angenommen, dass der erste Gig, den die Band unter irgendeiner Variation des Pink-Floyd-Namens bestritt, im Count Down in Palace Gate, Kensington, im Februar 1965 stattgefunden hat. Die Band absolvierte drei jeweils 90 Minuten lange Sets und erhielt dafür einen Hungerlohn von gerade einmal 15 Pfund. Um das Mysterium rund um den Namen der Gruppe noch nebulöser zu machen, behauptete ein Freund Syds von der Kunstschule in Cambridge, Richard Jacobs, dass Syd sich den Namen bereits 1963 ausgedacht hätte. „Ich weiß noch ganz genau, dass er in den Gemeinschaftsraum kam und mir erklärte, dass ihm ein Name für die Band, die er gründen wolle, eingefallen sei: Pink Floyd. Er verkündete mir das, als hätte er während der Mittagspause eine Art Epiphanie gehabt.“ 1967 hatte sich die Geschichte aber dahingehend verändert, dass Syd leichtgläubigen Interviewern weismachte, ihm wäre der Name von einer vorbeifliegenden Untertasse während einer Meditationssitzung an einer alten heiligen Stätte ins Hirn übertragen worden.
Und erneut standen der Band einschneidende Veränderungen bevor. Waters, der unglücklich über die parodistischen Titel war, die Chris Dennis sich für die Blues-Standards in ihrem Repertoire einfallen ließ, bestand darauf, dass Klose ihn feuern sollte. Noch bevor es dazu kam, teilte der Sänger der Band mit, dass die Luftstreitkräfte ihn nach Bahrain schicken würden. „Ich wäre ohnehin nicht mehr viel länger bei ihnen geblieben“, behauptet er. „Als ich aus Bahrain zurückkam, sah ich eine LP von Pink Floyd in den Läden stehen. Als ich sie mir reinzog, sprach sie mich überhaupt nicht an. Die Art Musik, die Syd später spielte, überraschte mich total.“
Nach Dennis’ Abschied fand sich Barrett bald schon widerwillig in der Rolle des Frontmanns wieder. Durch einen Kontakt von Richard Wright ergatterte die Band einen kostenlosen Termin in einem Aufnahmestudio in West Hampstead, um ein Demo aufzunehmen. Neben Slim Harpos „I’m A King Bee“ bannte die Gruppe die Barrett-Kompositionen „Butterfly“ und „Double O Bo“ (eine kaum verhüllte Hommage an Bo Diddley) und „Lucy Leave“ auf Tonband, wobei letzterer Song mit seinem schwerfälligen Stones-Groove nur wenig Aufschluss darüber gab, welch ausgefeilte Wortspiele und extravagante Musikalität die Zukunft noch bringen würde.
Allerdings war auch die musikalische Konkurrenz ziemlich respekteinflößend. „Ich weiß noch, wie ich The Who bei Top of the Pops sah, als sie ‚My Generation‘ spielten, und mir dachte: Ja, genau! Das ist es, was ich auch machen will“, erinnert sich Mason. „Das muss 1964 gewesen sein, aber ich hätte mir nicht zu träumen gewagt, dass dies mit dem, was wir machten, möglich sein würde.“ Chris Dennis sollte nicht der Einzige bleiben, auch Bob Klose verließ im Sommer 1965 die Band. „Bob war ein weitaus besserer Musiker als wir anderen“, erzählte Richard Wright. „Allerdings hatte er Prüfungsstress, weshalb er der Meinung war, sich intensiver seinen Pflichten zuzuwenden, wohingegen der Rest von uns nicht ganz so gewissenhaft bei der Sache war.“
„Bobs Eltern sagten jene fatalen Worte zu ihm: ‚Zuerst deine Prüfungen und dann kannst du spielen‘“, berichtet Libby Gausden.
„Ich fühlte mich verloren und musste die Lage wieder in den Griff bekommen“, sagt Klose heute. „Syd hatte gerade damit begonnen, seine eigenen Songs zu schreiben. Damals dachte man sich noch: ‚Ach, Syd hat also einen Song geschrieben.‘ Erst später war ich in der Lage, die Originalität dahinter zu erkennen. Roger breitete diese fantastischen Konzepte vor uns aus – und später setzte er sie tatsächlich um. Der Umfang seiner visionären Vorstellungskraft war tatsächlich außergewöhnlich. Aber die Musik, die wir gespielt hatten, hatte sich daran orientiert, dass ich ein recht beschlagener Gitarrist war und ständig über das Griffbrett flitzte. Syds Songwriting ermöglichte es ihnen nun, die R&B-Covers aufzugeben und sich in eine ganz individuelle Richtung zu entwickeln.“
„Es