Da er damals kein eigenes Keyboard besaß, hing Wrights Rolle jeweils davon ab, ob die Location, in der die Band auftreten sollte, über ein eigenes Klavier verfügte. In der Regel fanden ihre Auftritte im Rahmen von Geburtstagspartys oder anderer privater Anlässe statt. Nachdem Sheilagh Noble die Band verlassen hatte, stieg Wrights Freundin Juliette Gale, die damals ebenso am Poly studierte, als gelegentliche Sängerin ein. „Juliette war nett und sang hervorragend“, erinnert sich Clive Metcalfe. „Sie war eine gute Blues-Sängerin und sang Sachen wie etwa ‚Summertime‘. Rick Wright war ein unglaublich stiller Typ. Ich denke nicht, dass wir ihn je wirklich kennenlernten.“
Noch bevor das Jahr vorüber war, heuerte die Band einen Manager und gelegentlichen Songwriter an. Es handelte sich dabei um ihren Mitstudenten Ken Chapman, der der Band seine Eigenkompositionen aufdrängte, damit sie sie in ihr Repertoire aus R&B-Nummern einbaute. Waters erinnert sich daran, dass einer seiner Songs der Melodie von Beethovens Für Elise folgte. Chapman verschaffte der Band darüber hinaus auch ein Vorspielen bei Gerry Bron, der damals als Musikverleger tätig war und später Bronze Records aus der Taufe heben sollte. „Er hielt die Songs für ziemlich gut, meinte aber, dass wir die Band vergessen sollten“, erinnert sich Nick Mason. „Wenn wir damals auf irgendwen gehört hätten, der über ein bisschen Musikgeschmack verfügte, hätten wir auf der Stelle das Handtuch werfen müssen. Allerdings waren wir so auf uns bezogen, dass wir einfach weitermachten.“
Im Verlauf des folgenden Jahres gab es etliche Namensänderungen. Angeblich trug die Formation Namen wie The Megadeaths und The Screaming Abdabs (später zu The Abdabs verkürzt). Für ein Interview, das The Abdabs einer Studentenzeitschrift gaben, wurde die Band fotografiert, wie sie linkisch neben einem Laternenpfosten in der Great Titchfield Street posierte. Waters, der Rock als „Beat ohne Ausdruck“ verunglimpfte, trug seine schwarze Lederjacke, die an Dylan erinnerte, sowie einen verächtlichen Gesichtsausdruck.
„Es war nicht einfach für mich mit Roger“, gesteht Clive Metcalfe. „Nick Mason war sehr umgänglich, aber Roger war irgendwie übel drauf und ich stellte für ihn ein leichtes Ziel dar. Ich war am Land aufgewachsen und entstammte einem eher behüteten Umfeld. Roger war Dummköpfen gegenüber nicht sehr tolerant und ich fürchte, dass es nicht schwierig für ihn war, mich wie einen Dummkopf wirken zu lassen.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir bewusst war, dass ich so bedrohlich wirkte“, erklärte Waters später. „Obwohl ich mir vorstellen kann, dass ich aus einem Gefühl der Unsicherheit heraus versucht haben könnte, dieses Image zu kultivieren. Als junger Mann hatte ich so große Angst vor allem, dass ich ein wenig aggressiv wurde.“
Parallel zu seinem Architekturstudium nahm Wright Privatstunden in Musiktheorie und Komposition an der Eric Gilder School of Music. Als er begriff, dass die Architektur nicht seine Berufung war, ging er am Ende des ersten Studienjahrs von Bord (manche berichten, er wäre über die Planke geschickt worden). „Ich schmiss vor lauter Langeweile das Handtuch“, erörterte er später einmal. „Also reiste ich zum Beispiel nach Griechenland. Im Anschluss daran begab ich mich wieder nachhause, um mir ein wenig Kohle als Innenarchitekt und privater Dekorateur zu verdienen. Aber ich war sehr unglücklich damit, weshalb ich mich für ein Musikstudium entschied.“ Wright schrieb sich irgendwann tatsächlich am Royal College of Music in London ein. Währenddessen versuchten Waters und Mason, sich in ihrem Studium zurechtzufinden. Vor allem Waters war nicht weniger frustriert von seinen Lehrern am Poly, als er es schon an der County gewesen war, wobei er in erster Linie Probleme mit dem Dozenten für Architekturgeschichte hatte. „Es muss schrecklich gewesen sein, mich zu unterrichten“, gab er später zu. „Ich war sehr aufsässig. Es war wieder wie zu Schulzeiten und ich hatte gehofft, das alles hinter mir gelassen zu haben.“
Und doch gab es auch zwei Dozenten, denen Waters keine Verachtung entgegenbrachte. Der eine – sein Jahrgangsstufenleiter – ermutigte ihn, seine Gitarre in den Unterricht mitzubringen, und erlaubte ihm, sie in der Klasse zu spielen. Der andere war der Architekt Mike Leonard, der Teilzeit am Polytechnic und am Hornsey College of Art unterrichtete. Er war ein fähiger Pianist und interessierte sich – obwohl 15 Jahre älter als seine Studenten – für die avantgardistischeren Bereiche der Musik. Außerdem weckte es Waters’ Neugier, dass Leonard mit Beleuchtungseffekten experimentierte: Nicht nur entwarf und baute er Vorrichtungen aus Glas und Akrylglas, sondern brachte außerdem auch mit Öl beschmierte Dias zum Einsatz.
Leonards Haus, Stanhope Gardens 39, in Highgate, war groß genug, um einen Proberaum beherbergen zu können. Außerdem brauchte er Untermieter, um die Hypothek abstottern zu können. Mason und Waters waren schließlich die ersten, die einzogen.
Die Ankunft von Gitarrist Bob Klose – David Gilmours Freund aus Kindertagen – kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Klose hatte regelmäßig in einer Band in Cambridge– Blues Anonymous – gespielt und sich zu einem hochgeschätzten Gitarristen entwickelt. Jedoch führte sein Auftauchen auch dazu, dass Clive Metcalfe und Keith Noble wieder damit begannen, als Duo zu arbeiten. „Bob war einer jener Gitarristen, die meiner Meinung nach ein wenig zu vorwitzig wurden“, erklärt Metcalfe. „Mit mir und Keith in der Band funktionierte der Sound der Band einfach nicht.“ Im selben Jahr schrieben Metcalfe und Noble „A Summer Song“, das in den USA zu einem Top-40-Hit für Chad and Jeremy werden sollte. Klose zog in Leonards Haus und stieg als Gitarrist ein, was dazu führte, dass Waters an den Bass wechselte.
Bob Klose war natürlich nicht der einzige, den es von Cambridge in die britische Hauptstadt verschlug. Nachdem er sich an der Camberwell School of Art eingeschrieben hatte, zog auch Syd in Michael Leonards Haus, wo er sich ein Schlafzimmer mit seinem alten Schulfreund Roger Waters teilte. Richard Wright und Juliette Gale sollten bald folgen, während Nick Mason zurück in das Haus seiner Eltern in Hampstead – mitsamt dem Swimmingpool – zog. Für seine Bandkollegen aus Cambridge war der erste Besuch im Domizil ihres Schlagzeugers eine mittlere Überraschung. „Die Band hatte ja kaum genug Geld, um sich das Benzin für die Fahrt zu ihm leisten zu können“, erinnert sich Libby Gausden. „Als wir bei Nick ankamen, wurden wir herzlich willkommen geheißen – und zwar von der Art Leute, von der man sich das gar nicht erwarten würde. Da standen wir in unseren schwarzen Klamotten und hielten uns für Beatniks. Ich weiß noch, dass Nick ein sehr gutes Schlagzeug besaß und Geld für Verstärker hatte. Seine Eltern freuten sich für ihn, dass er in einer Band spielen konnte. Auf uns aus Cambridge wirkte es so, als hätten Londoner einfach nur Geld.“ Mike Leonards Haus war voller exotischer Musikinstrumente, Ritterrüstungen, Beatnik-Bücher und Jazz-Platten. Außerdem lebten da auch noch seine beiden Katzen Tunji und McGhee. Dieses Ambiente entsprach Syds Vorliebe für Bizarres. Während Leonard im ersten Stock wohnte und arbeitete, probten Barrett, Mason, Waters und Klose im Erdgeschoss. „Der Lärm war phänomenal“, sollte Leonard 1991 berichten. „Die Nachbarn schickten uns die Polizei und Vertreter der Stadt vorbei. Dann erhielten wir einen Brief, in dem stand, dass jemandes Gesundheit unter der Belästigung gelitten hätte.“
Unbeirrt setzte die Band, die sich mittlerweile The Spectrum Five nannte, ihr Treiben fort, während Barrett und Waters Leonard fasziniert mit den Prototypen seiner Beleuchtungsapparate halfen. Die Band steuerte auch die Musik für Mikes Experimente im Rahmen des Sound and Light Workshops am Hornsey College of Art bei. Mike beteiligte sich wiederum gelegentlich an den Proben und sprang als Organist ein. Doch abgesehen von ein paar Auftritten mit der Band in einem örtlichen Pub hatte er kein Bedürfnis, ein Popstar zu werden. „Ich war ein wenig zu alt und hatte nicht das richtige Image“, meinte er. Stattdessen beschränkte er sich darauf, die Band zu ermutigen, während er über Barretts Streiche staunte und mehr schlecht als recht versuchte, ein sonntägliches Mittagessen zuzubereiten: „Da landete schon mal ein ungekochter Kohlkopf auf deinem Teller.“ Die Band nannte sich zu Ehren ihres Vermieters sogar kurzfristig Leonard’s Lodgers. In der Zwischenzeit war es Barrett zu viel geworden, sich ein Zimmer mit Waters zu teilen, weshalb er mit einem Freund aus Cambridge, David Gale, ein möbliertes Zimmer in der Tottenham Street