Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783745214710
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einziges, weitgehend nebelverhangenes Chaos, in dem sich noch lange keine festen Formen und Umrisse abzeichneten.

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      Den Rest der Nacht kauerte er am Portal des Tempels. Trotz der enormen Erschöpfung aufgrund der Strapazen der letzten Zeit wäre es ihm unmöglich gewesen, auch nur einen einzigen Augenblick Schlaf zu finden. Zu bedrängend waren die Gedanken, die ihn beschäftigten. Bohrende Fragen verlangten nach Antworten. Nun, da sein Überleben zumindest für den Moment gesichert war, meldeten sich all die inneren Stimmen zurück, die zuvor durch die Umstände vorübergehend zum Schweigen gebracht worden waren.

      Vor seinem inneren Auge sah er die rudernden Frostkrieger auf ihrem Rückweg in den Norden und die in einem Eisblock eingefassten Klingen seines Vaters. Wie sollte er Morygors Herrschaft je beenden, wenn ihm nicht einmal mehr jene Waffen zur Verfügung standen, die dazu geschaffen worden waren, diese Aufgabe zu erfüllen? Wie sollte er dem Vermächtnis gerecht werden, das ihm zuteil geworden war, ohne dass er sich danach gedrängt oder es sich ausgesucht hatte? Ein Vermächtnis, das aus einer besonderen Begabung und dem schicksalhaften Zeitpunkt seiner Geburt bestand – und zwei besonderen Schwertern, die sich nun in der Hand seines ärgsten Feindes befanden.

      Schließlich dämmerte der Morgen. Eine warme Brise wehte durch die Bäume, und inzwischen gab es fast nirgends noch Eis oder Schnee. Der durch Magie bedingte kurze Winter, der auf völlig widernatürliche Weise dieses Land heimgesucht hatte, schien den für diese Jahreszeit in dieser Gegend normalen Verhältnissen zu weichen. Kein kalter Hauch eines Frostgottes sorgte noch dafür, dass der Boden gefror oder sich ein Panzer aus Eis um die Bäume legte.

      Überall tropfte es von den Baumkronen und ebenso vom Dach des Tempels der Alten Götter. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen durch die vom magischen Zwischenwinter teilweise entlaubten Baumkronen, deren zuvor gefrorene Blätter auf dem aufgeweichten, immer morastiger werdenden Boden lagen.

      Gorian machte sich auf den Weg. Er entschied, dass sein nächstes Ziel Segantia war, die große Handelsstadt am Estrigger Ufer. Vielleicht die erste Etappe auf dem Weg zur Ordensburg, vielleicht aber auch einfach nur ein Ort, an dem er sich ausruhen und entscheiden konnte, wie es weitergehen solle. Zurück in Richtung Thisilische Bucht zu gehen, erschien ihm kaum ratsam, schließlich musste er damit rechnen, überall noch auf versprengte Einheiten der Frostkrieger zu stoßen. Selbst wenn sie sich auf dem vorläufigen Rückzug befanden, waren sie gefährlich.

      Gorians Füße versanken bis zu den Knöcheln im Morast. Überall zwischen den Bäumen in unmittelbarer Nähe der Lichtung lagen die leblosen, ihrer Existenzkraft beraubten Frostkrieger. Ein bestialischer Gestank verbreitete sich, ein Pesthauch der Verwesung und des Verfalls, der bei den Untoten bisher durch Magie aufgehalten worden war und sich dafür nun umso heftiger bemerkbar machte.

      Zwischenzeitlich hatte Gorian das Gefühl, kaum Luft zu bekommen, so drückend hing dieser Leichengestank über dem Land. Es dauerte Stunden, bis sich Gorian so weit entfernt hatte, dass er nicht mehr zu riechen war.

      Er traf wieder auf die alte Straße nach Segantia und folgte ihr. Dutzende von Eiskrähen hockten auf den Bäumen zu beiden Seiten der halb von Sträuchern und Moosen überwachsenen Strecke. Sie krächzten durcheinander und schienen sich darüber zu wundern, welch fremder Wille sie in dieses Land geführt hatte, in dem sie ihrer Natur nach niemals hätten zu Hause sein können. Herrenlos und verwirrt waren sie, aber im Moment kaum eine Bedrohung. Manchmal stoben sie davon, um sich einige Schritt entfernt erneut auf Ästen niederzulassen.

      Am frühen Abend musste Gorian einer Gruppe von Frostkriegern ausweichen und schlug sich in die Büsche, um sich zu verbergen. Die Frostkrieger marschierten schweigend dahin und wirkten keineswegs so entkräftet wie jene, die den Geschehnissen beim Tempel der Alten Götter beigewohnt hatten.

      Sie bemerkten Gorian nicht. Aber nach dieser Begegnung hielt dieser sich etwas abseits der alten Straße und schlug sich querfeldein durch die Büsche. Ihm kam der Gedanke, dass er die Lage vielleicht falsch eingeschätzt und Frogyrr die Eroberung Thisiliens durch die Frostkrieger viel weiter vorangetrieben hatte, als er es bisher geahnt hatte. Er konnte ja nicht wissen, wie viele und wo überall Schiffe der orxanischen Untoten angelandet waren und wie groß das Gebiet war, das sie unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Es war sogar denkbar, dass Frogyrr nicht der Einzige unter den Eisgöttern war, den Morygor nach Thisilien gesandt hatte.

      Und selbst wenn diese Eiskrieger nun als herrenlose Untote durch die Lande irrten, war sicherlich nicht mit ihnen zu spaßen.

      In dem Waldgebiet, durch das er kam, entdeckte Gorian Fußspuren, die nur von Orxaniern stammen konnten. Er hatte diese Spuren schon früher immer gut zu erkennen gewusst, wenn der Boden nach einem Frühjahrsregen aufgeweicht war und Gaerth oder einer der anderen Orxanier auf dem Hof seines Vaters welche hinterlassen hatte.

      Aber diese Spuren stammten ganz gewiss nicht von freien Orxaniern, die vor den Horden des Herrn der Frostfeste ins Heilige Reich geflohen waren und im Herzogtum Thisilien eine neue Heimat gefunden hatten. In dieser Gegend gab es keine Höfe, auf denen sie sich verdingen konnten.

      Es musste sich um untote Frostkrieger handeln. Offenbar waren sie in noch größerer Zahl ausgeschwärmt, um ihn zu fangen, als er bisher geahnt hatte. Und nun irrten diese Untoten durch die thisilischen Wälder, versuchten vielleicht zurück zur Küste zu gelangen, um noch eines der Ruderschiffe zurück in den Norden zu erwischen. Aber vielleicht ahnten manche von ihnen auch, dass sie sich nun allein durchschlagen mussten, da Frogyrr sie nicht mehr anführen konnte und es ihrem Herrn und Meister Morygor wahrscheinlich vollkommen gleichgültig war, was aus ihnen wurde.

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      In der nächsten Nacht kampierte Gorian an einem Bach, und als er von dem kühlen klaren Wasser trank, musste er unwillkürlich an Beliak und dessen besondere Beziehung zu den Wassergeistern denken. Wie sehr wünschte er sich doch, dass der Adh einfach aus der Erde herauswachsen würde, um ihm erneut mit Rat und Tat beizustehen. Aber sehr wahrscheinlich musste er sich von der Hoffnung, Beliak irgendwann einmal wiederzusehen, verabschieden. Der untote Langzahnlöwe, mit dem zusammen er in die Tiefe des Untererdreichs gestürzte war, war gewiss auch dort ein grausamer, überlegener Gegner. Beliak hatte sich für Gorian geopfert und vermutlich dort unten in diesem Reich der Tiefe, in das Gorian ihm nicht folgen konnte, ein furchtbares Ende gefunden.

      Allein schon um seinetwillen durfte Gorian seinen Plan nicht aufgeben. Er lauschte den Geräuschen des Waldes, während er gegen einen knorrigen Baumstamm lehnte und etwas Schlaf zu finden versuchte. Er hatte einige der Beeren entdeckt, die er zusammen mit Beliak verzehrt hatte, und aß diese. Ein bitterer Geschmack blieb dabei in seinem Mund zurück.

      Er verzichtete auf ein Feuer. Sein Vater hatte ihm zwar gezeigt, wie man auch unter einfachsten Bedingungen und mit nur geringfügiger Anwendung von Magie und dem Wissen über die Brennbarkeit bestimmter Pilze Feuer machen konnte, aber Gorian fürchtete, damit seine Feinde anzulocken.

      Möglich, dass die herumvagabundierenden Reste jener Frostkrieger-Horde, die nach Thisilien gekommen war, um ihn zu töten, ihren Auftrag längst vergessen hatten. Vielleicht verfluchten sie inzwischen sogar denjenigen, der sie befehligt hatte und sie nun ihrem Schicksal überließ. Aber nach allem, was er von seinem Vater und anderen über Morygors Kreaturen erfahren hatte, zeichneten sie sich vor allem dadurch aus, dass sie den Willen ihres Herrn bedingungslos und bis in die letzte Konsequenz umzusetzen versuchten, ohne Rücksicht