Alkohol senkt die Hemmschwellen und erhöht bei gewaltbereiten Gestalten den dringenden Wunsch, davon auch Gebrauch zu machen; die meisten der braunen Männchen, die Flüchtlinge, Asylbewerber und Menschen mit nichtweißer Hautfarbe verbal oder physisch attackieren, gefährden, verletzen und im schlimmsten Fall um ihr Leben bringen, haben sich das, was sie »Mut« nennen, weil sie keinen haben, zuvor systematisch und gezielt angesoffen. Sollten die promillegesättigten Hetzer, Schläger und Brandstifter nach vollbrachter Straftat erwischt und verhaftet werden, reden sie sich mit juristischer Hilfe auf verminderte Schuldfähigkeit heraus.
Das Gegenteil ist richtig; wer sich absichtlich abfüllt, um Gemeinheiten oder Verbrechen zu begehen und hinterher alkoholbedingt von nichts gewusst haben will, sollte – zack! – noch einen Strafzuschlag obendrauf bekommen, und die Höllen eines kalten Entzugs möge man ihm auf keinen Fall ersparen. Rassisten, ob sie eine politisch gemeinte Glatze auf dem dicken Hals oder feinen Zwirn tragen, sind hinterhältig und feige, und die Strategie des »Ich schütte mich zu, dann kann mir keiner« muss und kann man unterlaufen.
Wenn ein seit Ewigkeiten mit Stadionverbot geächteter Sonnenbanknazi wie »SS-Siggi«, der für »Die Rechte« in Dortmund den Mann der Politik simuliert, mit dem BVB zu werben versucht – »Vom Stadion direkt ins Rathaus« –, bekommt er das juristisch und bei Strafandrohung untersagt und muss die entsprechenden Plakate auf eigene Kosten wieder abreißen oder entfernen lassen. Manchen Antifas ist das zu wenig und viel zu lasch, aber auf längere Sicht ist der Ausschluss vom sozialen menschlichen Leben eine wirksame Waffe.
Dies alles runkelte mir durch die Rübe, als mir die Bedienung in einem Dortmunder Fußballlokal ein AKW auf den schwarz-gelben Bierdeckel stellte; AKW ist die Abkürzung für AlKoholfreies Weizenbier und für Rassisten viel zu schade.
Schon oder erst?
Die Regionalzeitung titelt: »Räuber sprengten 2017 schon 50 Geldautomaten in NRW«.
Immerhin einmal eine Nachricht und kein rein personalisiertes Wiedergekäue von Trump, Merkel, Schulz et cetera-egal als Ersatz für politische Analyse, kein Tratschbreitgelatsche von Plastic People wie Silbereisen / Fischer, Bushido, Schöne- und Katzenberger alias Böhmermann, sondern eine Nachricht: 2017 in NRW bislang 50 Geldautomaten gesprengt.
Der einzige Makel war die Verwendung des Wortes »schon«, das selbstverständlich »erst« heißen muss. Möglicherweise klappt es ja beim nächsten Mal. Aber das Hotzenplotzwort »Räuber« ist wirklich schön. Danke.
Eine Welt in Wahn und Waffen
»Das ist eine Waffe.« Die uniformierte Frau am Flughafen Edinburgh sagte das selbstverständlich auf englisch: »This is a weapon.« Unsinn blieb es dennoch; sie sprach von dem kleinen Zigarrenschneider beziehungsweise Cutter, den ich, wie auch Streichhölzer, ein zwei kubanische Zigarren, Notizbuch, Stifte und ein paar Kastanien in meiner Umhängetasche stets mit mir führe.
Das kleine Schweizer Taschenmesser hatte ich – Was blieb mir übrig ? – in der Reisetasche verstaut; man hatte mir schon einmal ein ganz winziges Exemplar, ein Mitbringsel für einen achtjährigen Jungen, wegkonfisziert oder, nennen wir es beim Namen, gezogen, gezockt, gestohlen, geklaut, und selbst eine Nagelfeile aus Holz oder eine Hornhautraspel waren schwere, lebensgefährliche Waffen in einer rettungslos verrückt geworden Welt, in der es als ernst zu nehmendes Katastrophenszenario und nicht als paranoide Wahnidee gilt, dass man einen Piloten zu Tode maniküren oder pediküren könnte, aber wahrscheinlich sind Katastrophenszenarien und paranoide Wahnideen ohnehin zu 100 Prozent identisch. Mit Kinky Friedman gesprochen: »Militärische Intelligenz ist ein Widerspruch in sich selbst.«
Meine wahren Waffen – Notizbuch und Stift – blieben als solche unerkannt, unbeanstandet und unangetastet, aber der Zigarrenschneider hatte offenbar den Nimbus und Hochgefährlichkeitsrang von Plastiksprengstoff erreicht. Noch niemals hatte ich an einem Flughafen ein Mitnahmeproblem mit dem kleinen, nützlichen Gegenstand gehabt und trug das auch, innerlich zwar relativ fassungslos, äußerlich aber sehr gefasst vor, doch die Uniformierte blieb dabei: »This is a weapon.«
Schade, dass ich eine Frau vor mir habe, dachte ich; einem Mann hätte ich in geflissentlicher Tücke beipflichten können: »Ja Sir, Sie haben vollkommen Recht. Ich könnte beispielsweise gerade Sie dazu ermuntern, Ihren Penis in die Öffnung des Zigarrenschneiders zu zwängen und das entsprechend mickrige, allenfalls pinkeltaugliche Teil dann abknapsen. Das wäre vielleicht nicht schade drum und keine Träne wert, aber doch eine ziemlich blutige Angelegenheit, und wer soll dann die Wäsche waschen und den Boden sauberwischen? Es wird wohl wieder an mir hängenbleiben. Einmal Zivildienstleistender, immer Zivildienstleistender.«
Also überließ ich der Uniformierten seufzend – Michael Crichton hätte gesagt: »Guiterrez zuckte die Achseln« – den Cutter, den sie entweder selbst gut brauchen konnte oder, wahrscheinlicher, als fanatische Nichtraucherin angeekelt und mit spitzen Fingern in eine Tonne werfen würde.
Man kann, wenn man zu etwas Richtigem nicht imstande ist, alles simulieren: Liebe, Anteilnahme, Sorge, Sicherheit und Arbeit. Ich ziehe eine gute, ehrliche Arbeit vor, und so hörte ich nach meiner Rückkehr eines meiner liebsten Lieder, den »Workingman’s Blues #2« von Bob Dylan, in dem es heißt:
»My cruel weapons have been put on the shelf
Come sit down on my knee
You are dearer to me than myself
As you yourself can see...«
Handreichung zu Pogrom und Mord
»Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücken führen, einen Stein um den Hals hängen, ihn hinabstoßen und sagen: Ich taufe dich auf den Namen Abrahams.« Martin Luther, Tischreden (Nr. 1795)
Das monatlich veritableren Presseerzeugnissen beigegebene evangelische Magazin chrismon unterhält auch einen »chrismonshop«, in dem man telefonisch oder digital Waren für den Erlösungsbedarf erwerben kann: Kerzen, die »Wortlicht« genannt werden, weil sie auf der Oberfläche mit christlicher Losung aufwarten: »Ich stehe in unmittelbarem Kontakt zu Gott«, heißt es in so ur- wie unchristlicher Hybris, eine weitere Durchhalteparole lautet »Ich bin wertvoll, genau so, wie ich bin«; wenn die Binse stimmt, wozu muss man sie dann in eine Kerzenrinde ritzen? »Ich übernehme Verantwortung für mich und meine Mitmenschen«, pfadfindert ein weiterer der vielen guten Vorsätze, mit denen der Weg zur Hölle gepflastert ist, und abgerundet wird das matt und lasch funzelnde Lichtangebot der Christenheit mit dem blusenoffenen Bekenntnis »Ich bin innerlich frei und nur der Liebe verpflichtet«; »innerlich« ist hier der Scheitelpunkt, von dem alles weitere abhängt.
Wortschmonzetten im Jargon der Innerlichkeit gibt es im »chrismonshop« auch ganz klassisch auf Papier gedruckt, und da wird geluthert nach und mit allen Kräften: Erwerbbar sind u.a. »Schlag nach bei Luther – Texte für den Alltag«, herausgegeben von der zuverlässig grundangel-evangelischen Margot Käßmann, »Bilder von Luther – Annäherungen an den Reformator«, mit Texten von Malu Dreyer, Harald Martenstein u.a.; bei »Annäherung« auf dem Buchtitel muss ich immer an das noch zu schreibende Welt- und Menschheitsverständigungsbuch »Knallt sie ab, die Schweine! Versuch einer Annnäherung« denken. »Luthers Paradiesgarten« wird ebenso vorgestellt wie »Luthers Küchengeheimnisse« gelüftet werden; einen Luther-Titel allerdings kann man im »chrismonshop« nicht bekommen: Luthers Schrift »Von den Juden und ihren Lügen« in der gültigen, vom Autor selbst erweiterten zweiten Ausgabe von 1543.
Dieses Buch, in dem Luther sich völlig offen als schäumender, rasender und vollends überzeugter Antisemit zeigt, ist seit knapp 500 Jahren alles andere als ein Geheimnis; gelesen