René Goscinny sei mit uns!
Eine Beschwörung des Geistes
Am 5. November 1977 starb in Paris einer der zurecht gerühmtesten Söhne seiner Stadt: René Goscinny, der Schöpfer und Texter von »Asterix«, des »Kleinen Nick«, von »Isnogud«, »Lucky Luke« und anderem Groß- und Hauptpersonal der gehobenen Unterhaltungsliteratur. Goscinny, den man nicht um des Reimes willen ein Genie nennen muss, wurde nur 51 Jahre alt. Sein Witz und seine Brillanz fehlen dauerhaft (wer »nachhaltig« sagt, kriegt leider Haue), und gerade nach dem Erscheinen des »Asterix«-Bandes N° 36, »Der Papyrus des Cäsar« (Text: Jean-Yves Ferri, Zeichnungen: Didier Conrad), vermisse ich den Esprit Goscinnys, dieses waschechten Parisers, der als Sohn jüdischer Einwanderer und feinstofflicher Meister der Dialoge und Sottisen wie kein Zweiter geeignet wäre, seine Helden Asterix, Obelix, Miraculix und Lucky Luke, also eine perfekt abgestimmte Mischung aus List, Stärke, Zauberkunst und Entschlossenheit, gegen die stinkende Beulenpest des IS ins Rennen zu schicken.
Was sind das – neben viel Ekelhafterem – für erbärmlich verlogene Lutscher: Paris eine Ausgeburt der Sünde nennen und selbst davon träumen, mit 72 Huris pro Nase des Johannes im Bordell »Chez Allah« abzuhängen, was man sich mit dem wahllosen Abschlachten unbewaffneter, wehrloser und an Glaubenskriegen jedweder Nullbirnencouleur unbeteiligter Menschen dann ja auch redlich verdient hat! Der Prophet Mohammed, dem man nachsagt, Tiere so geliebt zu haben, dass er sich einen Ärmel vom Gewand abtrennte, auf dem eine Katze schlief, die er nicht stören wollte, käme dafür als Fünfter in den Bund der Gerechten, und für das kulinarische Unwohl der Mörder, die es bei sich selbst nicht belassen können, wäre auch gesorgt: »Reseda, bring Wein und Mohammettwurst, aber nicht von dem Zeug für Tour- und Terroristen!«, würde ein freundlicher Wirt sagen, während ein chronisch unrasierter Ayatollah sich eingestehen müsste: »Sie sind alle so widerwärtig dumm, und ich bin ihr Chef. (Schluchz)!«
Lucky Luke würde nicht nur weiterhin den Daily Star mit dem rauchenden Colt in der Hand beschützen – »Die Pressefreiheit ist unantastbar!« –, sondern auch für die körperliche und seelische Unversehrtheit jedes mutigen Journalisten und Reporters in der Tradition von Hergés »Tim« einstehen, und ein gut beschwipst »Latürnich!« und »Die spinnen, die Islamisten!« ausrufender Obelix könnte eine Lappen-um-den-Kopf-Wickel-Kopfbedeckungssammlung en gros und de luxe anlegen. Dass die Mörder und ihre Auftraggeber vom IS bis herunter zum strenggläubischen Betbruder keinen Spaß verstehen, heißt ja nicht, dass man sich nicht treffsicher über sie lustig machen soll; das Gegenteil ist der Fall. Wer mit dieser tief humanen Behandlungsweise nicht einverstanden ist, will es nicht anders und muss sich eben polizeilich oder militärisch erschießen lassen; so what? Ein herzliches »Tschüssikowski, Bart- und Arschgesichter!« möge – ja, fromm können wir auch – ihren Weg in den Eigenabgrund begleiten.
Leviathan und Leviten
Satire ist eine Waffe, auch gegen den Antisemitismus
Diejenigen Deutschen, deren »Ehre« sich als »Treue« buchstabiert, sind in einem tatsächlich zuverlässig treu: in ihrem Ressentiment und ihrem Hass auf alles Andere, Abweichende und ihnen Fremde oder fremd Erscheinende. Im Jahr 2015 waren es zunächst die Bewohner Griechenlands, die »uns das Blut absaugen«, dann die Flüchtlinge aus Afrika oder dem Nahen Osten, die »uns« stören, »unsere Kapazitäten sprengen«, und, Platz einnehmend, zum »Volk ohne Leerstandsraum« machen.
Eine Gruppe kann sich des Hasses seitens dieser Deutschen in Permanenz gewiss sein: Juden. »Der ewige Jude« war im Nationalsozialismus ein zu Massenmord und Vernichtung anstiftender und aufstachelnder Kampfbegriff, den der Publizist Henryk M. Broder im Jahr 1986 mit einem Buch konterte, das bis heute zur Pflichtlektüre gehört: »Der ewige Antisemit«.
Geändert hat die kluge, scharfe Streitschrift nichts, der Antisemitismus ist virulent wie immer schon, auch wenn er mittlerweile häufiger geschminkt als ungeschminkt daherkommt. Für ihren Antisemitismus bedürfen deutsche Antisemiten keiner muslimischer Einwanderer; den lassen sie sich nicht nehmen, denn ihre »Ehre« heißt, siehe oben, eben »Treue«, und in diesen Phantomdisziplinen beanspruchen sie die Meisterposition.
Dass in muslimisch geprägten Gesellschaften Antisemitismus als gemeinsamer Nenner ihrer Mitglieder gepredigt und gepflegt wird, ist unbestreitbar, und wenn es sonst keine Gründe gäbe, radikale Islamisten zu bekämpfen, wäre ihr Antisemitismus allein Grund genug. Doch soll man nicht die Balken im Auge anderer betrachten, um dann selbst fein raus zu sein, sondern sein Augenmerk auf die Eigengrütze richten.
»In Österreich«, schrieb ein österreichischer Autor, »sind sogar die Bäume antisemitisch«, und wenn deutsche AfD-Hetzer und Pegida-Aufmarschierer und ihnen nahestehende Medienexistenzen von muslimischen Zuwanderern verlangen, sich den hiesigen Gepflogenheiten gefälligst anzupassen, kann man ihnen nur antworten, dass viele islamische Einwanderer an den Antisemitismus von AfD und Pegida doch längst perfekt angepasst sind.
Nachdem am 7. Januar 2015 in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris zwölf Menschen ermordet wurden, ging das Gratisbekenntnis »Je suis Charlie« in Serie. Bild propagierte es, und in den Fenstern der Hamburger Hirnvergeudungsfabrik Gruner & Jahr hing es im Dutzend. Kurz nach dem Mordanschlag auf Charlie Hebdo wurde in Paris auch ein jüdischer Supermarkt überfallen; vier Menschen wurden zunächst als Geiseln genommen und dann ermordet, weil sie Juden waren.
Die Sache ist nicht neu; als palästinensische Mörder 1972 die israelische Olympiamannschaft überfielen, umbrachten, wen sie kriegen konnten und später in einem von ihnen entführten Flugzeug zuallererst wissen wollten, wer von den Passagieren Jude sei, betrieben sie Selektion in der Tradition der SS.
Wenn nach dem 139fachen Mord am 13. November 2015 einem Mitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland nichts anderes einfällt, als die Attentate in vollem Ernst als »Anschlag auf den Islam« umzucodieren, zu interpretieren und zu werten, scheint mir diese licht- und empathielose, weinerliche Selbstbesessenheit viel eher ein ahndungswürdiges Delikt zu sein als ein bisschen kleinkriminelles Klauen oder Drogenverticken. Zumindest zu einem lebenslangen Schweigegelübde sollte man notorische »Die wahren Opfer sind immer noch wir!«-Schreihälse deutlich ermuntern.
Es ist immer hohe Zeit, gegen den Antisemitismus jedweder Couleur mit etwas forcierterem Humor zu Werke und den Antisemiten mit Brains an ihre Lederbirnen zu gehen. »They ain’t making Jews like Jesus any more, they don’t hold the other cheek the way they did before«, sang der jüdisch-texanische Country-Songwriter Kinky Friedman schon Anfang der 1970er Jahre.
Ich beantrage hiermit, Friedmans Humor und Esprit verpflichtet, Titelschutz für zwei deutschsprachige, auch kulinarisch orientierte Satirezeitschriften mit den Titeln Leviathan und Leviten und Das finden Sie wohl auch noch itzig, was? mit Eckart Itzigmann als spiritus rector; dies allein schon um zu erfahren, wer nach einer antisemitischen Attacke auf die Redaktionen mit den Parolen »Je suis Levi«, »Heute sind wir alle itzig« oder »Bin ich nicht furchtbar itzig?« aufwarten oder mit mir in einen alten Bob Marley-Song einstimmen würde: »Itizgman vibration, ah ah positive...«
Bier, Rassismus, AKW
Auf einem Bierdeckel kann man nicht nur wie Friedrich Merz eine Steuergesetzgebung notieren oder, wie ein begnadeter Fussballspieler, eine ganze gegnerische Mannschaft austanzen; man kann einen Bierdeckel auch bedrucken, zum Beispiel mit den schwarz auf gelb geprinteten Buchstaben »Kein Bier für Rassisten! Fußball. Bier. Weltoffenheit.«
Meine erste Reaktion auf diese Initiative der Fan-Abteilung des BVB 09 war ein inneres, skeptisches Lachen: Ja klar, und davon verschwinden die Rassisten dann, so simpel ist das. Einfach kein Bier mehr an sie ausschenken, und schon sind sie geläutert und quasi nicht mehr vorhanden.
Das ist aber zu kurz gedacht; der Alkoholentzug