– Weiterhin wird Atommüll produziert, ohne dass man sichere Lagerstätten dafür hat. Teilweise bleibt dieser Müll 250.000 Jahre lang radioaktiv. In der ganzen Welt gibt es mehr als 1800 Tonnen Plutonium. Dieses Element ist so giftig, dass bereits eine Millionstel Unze davon für einen Menschen tödlich sein kann. Bloß acht Kilogramm davon genügen, um eine Bombe daraus herzustellen, die dieselbe Zerstörungskraft wie die von Hiroshima hat.
– Wir haben riesige Mengen Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt, und zwar dreimal so viel, wie die natürlichen Kreisläufe normalerweise absorbieren können. Dadurch wurde ein gefährlicher Kreislauf globaler Erwärmung und Destabilisierung des Klimas in Gang gesetzt. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass dies die stärkste Veränderung des Erdklimas seit dem Beginn des Eozäns vor etwa 55 Millionen Jahren ist (Lovelock 2008). Gleichzeitig haben wir durch die Zerstörung der Wälder und der maritimen Ökosysteme die Fähigkeit der Erde, Kohlendioxid aus der Luft zu binden, ernsthaft vermindert. Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre ist nun höher als jemals zuvor in den letzten 160.000 Jahren, und die weltweite Durchschnittstemperatur ist bereits um 5 Grad Celsius angestiegen. Bei den derzeitigen Emissionsraten wird sich der CO2-Gehalt in den nächsten fünfzig Jahren verdoppeln, und die globale Durchschnittstemperatur wird um weitere 2 bis 5 Grad Celsius ansteigen. (IPPC, Intergovernmental Panel on Climate Change). As Folge davon wird das Wetter chaotischer werden, und Verwüstungen durch Stürme werden zunehmen. Die Zahl der Menschen, die von wetterbedingten Katastrophen betroffen waren, stieg von 100 Millionen im Zeitraum von 1981 bis 1985 auf 250 Millionen im Zeitraum von 2001 bis 2005 (Worldwatch 2007).
Die Probleme der Tragfähigkeit stellen eine besondere Herausforderung aufgrund ihrer langfristig andauernden Auswirkungen dar. Selbst wenn wir die Produktion giftiger Chemikalien morgen einstellen würden, selbst wenn wir alle Atomanlagen sofort abschalten würden, selbst wenn wir aufhören würden, Treibhausgase wie Methan und CO2 zu emittieren, blieben die schädlichen Folgen Jahrhunderte und Jahrtausende lang bestehen, im Fall des Atommülls sogar hunderte Millionen Jahre lang. Doch die Produktion vieler dieser Substanzen wächst weiterhin, in manchen Fällen sogar beschleunigt. James Lovelock (2008) bemerkt sogar, dass einige der Veränderungen, die wir verursacht haben, irreversibel zu werden drohen. Wenn wir zum Beispiel die Treibhausgase nicht bald reduzieren, könnten wir einen Umschlagpunkt erreichen, vom dem ab sich das Klima für unseren Planeten dauerhaft erwärmen könnte.
Manchmal mögen wir die Zusammenhänge zwischen den Problemen der Tragfähigkeit, der Erschöpfung von Ressourcen, der Armut und Ungleichheit nicht unmittelbar sehen. Insbesondere kann es schwierig sein, die Zusammengehörigkeit von ökologischen und sozialen Dimensionen der Krise zu erfassen. Teilweise ist dies darauf zurückzuführen, dass die Massenmedien die Themen oftmals so darstellen, als ob eine Art Konkurrenz zwischen menschlichen Bedürfnissen und dem Schutz der Ökologie bestünde. Sollen wir zum Beispiel einen alten Wald erhalten oder ihn abholzen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen? Sollen wir einen Fluss, in dessen natürlichen Verlauf bislang nicht eingegriffen wurde, schützen, oder ein Bergwerk bauen, um eine schlechte Wirtschaftslage zu verbessern? Sollen wir Chemikalien und Gentechnik einsetzen, um die Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen? Sollen wir einen neuen Staudamm bauen, um Energie für die industrielle Entwicklung bereitzustellen?
Fast immer jedoch, wenn wir einen Schritt zurücktreten und einen weiteren Blickwinkel zulassen, stellt sich diese Vorstellung, dass wir entweder die Armut bekämpfen oder die Ökosysteme schützen können, keineswegs aber beides zugleich, als eine Lüge heraus, die gebetsmühlenartig von jenen wiederholt wird, die die Erde und den ärmsten, verwundbarsten Teil der Menschheit zugleich ausbeuten. Um dies deutlicher zu sehen, wollen wir die sechs wesentlichen Charakteristika unserer derzeitigen Welt(un-)ordnung, wie sie vom Kapitalismus des industriellen Wachstums geschaffen wird, näher untersuchen:
– Die Verschreibung an ein grenzenloses Wachstum
– Ein verzerrtes Verständnis von Entwicklung
– Wachsende Unterwerfung unter die Herrschaft der Konzerne
– Verschuldung und Spekulation als die Hauptquellen des Profits
– Die Tendenz, Wissen zu monopolisieren und eine weltweite Einheitskultur durchzusetzen
– Der Rückgriff auf Macht im Sinne von Beherrschung, wozu militärische Macht und Gewalt gehören.
Krebsartiges Wachstum
„In gewissem Sinne ist der gemeinsame Glaube ans Wachstum gerechtfertigt, weil Wachstum ein wesentliches Charakteristikum des Lebens ist […]. Was an den heutigen Anschauungen über wirtschaftliches und technologisches Wachstum jedoch falsch ist, das ist das Fehlen jeglicher Qualifizierung. Allgemein wird angenommen, alles Wachstum sei gut, ohne zu erkennen, dass es in einer endlichen Umwelt ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Wachstum und Niedergang geben muss. Während einige Dinge wachsen, müssen andere abnehmen, damit ihre Bestandteile wieder freigesetzt und neu verwendet werden können. Der größte Teil des wirtschaftlichen Denkens unserer Zeit beruht auf der Idee des undifferenzierten Wachstums. Auf den Gedanken, dass Wachstum hinderlich, ungesund oder krankhaft sein kann, kommt man gar nicht. Wir brauchen daher dringend eine Differenzierung und Qualifizierung des Wachstumsbegriffs.“ (Capra 2004, 233–234)
Heute ist Wachstum gleichbedeutend mit wirtschaftlicher Gesundheit geworden. Wenn das Wachstum stagniert oder, schlimmer noch, wenn die Wirtschaft „schrumpft“, dann befinden wir uns in der Rezession, und darauf folgen mit Sicherheit Arbeitslosigkeit und andere soziale Missstände. Nur wenige von uns stellen die alte Weisheit infrage, die die Notwendigkeit einer sich immer weiter ausdehnenden Ökonomie behauptet.
Doch wirtschaftliches Wachstum im herkömmlichen Sinn bedeutet den Verbrauch von mehr natürlichen Ressourcen und die Produktion von mehr gefährlichen Nebenprodukten wie chemische und nukleare Abfälle. Dabei unterliegen, wie wir bereits gesehen haben, viele wesentliche Rohstoffe für eine wachsende Wirtschaft einem rasch fortschreitenden Prozess der Erschöpfung. Obwohl einige „Optimisten“ davon ausgehen, dass man hierfür synthetische Ersatzstoffe finden wird, gibt es wenige oder kaum Anzeichen dafür, dass diese Hoffnung begründet wäre.
Die Crux dieser Angelegenheit besteht darin, dass der Planet, auf dem wir leben, endlich ist. Es gibt nur eine bestimmte Menge an sauberer Luft, trinkbarem Wasser und fruchtbarem Boden. Auch die Menge an verfügbarer Energie ist begrenzt (sie wird durch die Sonne erneuert, aber in einem festgelegten Maß). Da alle Ökonomien und alle Menschen Anspruch auf diese begrenzten wesentlichen Voraussetzungen erheben, liegt es klar zutage, dass es Grenzen des Wachstums gibt.
Warum aber beharren die meisten Wirtschaftswissenschaftler weiterhin darauf, dass ein grenzenloses, undifferenziertes Wachstum der Wirtschaft sowohl nötig als auch gut sei? Teilweise ist dieser Glaube auf eine Verwechslung von Wachstum und Entwicklung zurückzuführen. Herman Daly stellt klar: „Wachsen heißt an Größe zunehmen durch Einverleibung oder Hinzufügung von Material, während entwickeln meint, die Möglichkeiten zu erweitern oder zu verwirklichen, in einen reichhaltigeren, großartigeren, besseren Zustand zu bringen.“ (1996, 2) Unsere Wirtschaft muss in diesem qualitativen Sinne, aber nicht unbedingt quantitativ wachsen. Tatsächlich „entwickelt sich unser Planet im Lauf der Zeit, ohne zu wachsen. Unsere Wirtschaft, ein Subsystem dieser endlichen, nicht-wachsenden Erde, muss ein ähnliches Entwicklungsmuster übernehmen“ (1996, 2).
In früherer Zeit, als die Menschen eine relativ kleine Population auf der Erde darstellten und unsere Techniken relativ einfach waren, waren wir oftmals in der Lage, so zu handeln, als sei die Erde ein grenzenloses Rohmateriallager. Es ist wahr: Das Römische Reich, die Bewohner der Osterinsel, die Zivilisation der Maya im Tieflanddschungel und andere Kulturen richteten für die lokalen Ökosysteme schwere Schäden an und verursachten damit oftmals den Zusammenbruch ihrer eigenen Gesellschaften. Doch die Gesundheit des umfassenden globalen Ökosystems war niemals ernsthaft bedroht, und die lokalen Ökosysteme