Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition). Ed Sanders. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ed Sanders
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783862870998
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      Das hatte er allerdings, und zwar im selben Augenblick, wo er den Hörer auflegte und die Gastgeberin zu sich hinunter auf die weiche Pelzmatratze zog, um mit ihr eine schnelle Manteltaschenfummelnummer zu schieben. Der Versuch misslang allerdings und hätte um ein Haar mit seinem Rausschmiss geendet.

      Von Ciones Schlupfwinkel im Village wusste niemand, nicht einmal sein Buchhalter. Auch seine Frau würde nie herauskriegen, dass er ihre abgelegten Bettlaken aus dem Müll gerettet und in seine Lasterhöhle geschafft hatte. Er bildete sich ein, dass hier der Roman aller Romane entstehen würde — obwohl sich in der Kloschüssel Spinnweben ausbreiteten und im Kühlschrank sechs Monate alte Milch vergammelte.

      »Magst du etwas Tee?«, fragte er sie.

      »Oh ja, gern. Du meinst doch Gras, oder?«

      »Ähem — nein. Ich hab leider nur Earl Grey und English Breakfast.«

      »Ach so. Nein, dann lieber nicht.« Sie stand in der Tür zum Schlafzimmer. Cione räkelte sich auf dem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, den Gürtel neckisch halb geöffnet.

      Sie ging hinüber in die Küche und zählte die Schnapsflaschen, die sich auf einem metallenen Servierwagen stapelten. Jedenfalls ist das eine ganze Menge, stellte sie bei sich fest, als sie die vielen verstaubten Flaschen musterte, von denen schon manche halb leer waren:

Smirnoff Red Creme de Cacao Wild Turkey
Smirnoff Blue Kahlua Gordons Gin
Seagram’s 7 ein Six-Pack Budweiser Old 1889
Stolichnaya Sloe Gin Jack Daniels
Cherry Heering Heaven Hill Metaxa
Creme de Menthe Four Roses Banana Cordial
Three Feathers Remy Martin

      plus vier vertrocknete, schimmelgraue Zitronen, ein verhutzeltes Limonenstück und ein altes Handtuch aus dem Chelsea Hotel, steif und braun von vielen, schon lange vergessenen rituellen Waschungen.

       * * *

      Er schnitt ihr einfach das Wort ab, als sie hartnäckig und beinahe amphetamanisch wieder und wieder die Ereignisse durchkaute, die sich in der Furie Hall abgespielt hatten. Sie war Zeugin gewesen, ganz vorn in der ersten Reihe. Mitten im Satz fiel er ihr ins Wort und fing an, von seinem Essay zu faseln, und wie lange er darüber gesessen hatte, und dass er sich jetzt ganz mächtig ranhalten müsse, denn die Konferenz war schon in zwei Wochen.

      Pffffft! machte es, als er den Reißverschluss an ihrem Rücken aufmachte, und seine Knöchel spürten die Hitze ihrer Haut, als seine Finger tiefer glitten. Das wäre ja mindestens ein Drittelsonett, schoss es ihm durch den Kopf, aber er wagte nicht, nach seinem Notizbuch zu greifen, das auf dem Nachttisch lag.

      Stattdessen fragte er jetzt beiläufig: »Kannst du eigentlich tippen?« Er streckte sich nach ihr aus, seine Hand strich ihr leicht über die Brust und fuhr dann den Arm entlang, streichelte die langen, blassen Finger, die — wie er hoffte — seine unleserliches Gekritzel bald in Form hämmern würden.

      Plötzlich setzte sie sich auf und warf mit einem Ruck ihr loses Haar über die Schulter. Ohne ein Wort stand sie auf, zog ihr Kleid an und verließ das Apartment.

      Eine volle Stunde lag Cione auf der Seite und starrte gegen die Wand. Er kaute auf der Litze vom Kopfkissenbezug herum und schlug endlich mit der Faust in die Kissen: »Warum zum Teufel macht’s denn keine mit mir?!«

       JOHNNY THE FOOT

      Er kannte die Gerüchte. Er akzeptierte die Gerüchte. Er verinnerlichte die Gerüchte. Welche Gerüchte? Die Gerüchte vom dreckigen Beatnik. In skarabäisch-schmuddeligen Bruchbuden zu hausen — was für ein Kick! Amerika ist ein einziges Computergehirn, tobten die Gedichte. Die Mongoloiden des großen Molochs stakten ihre Flöße durch Kloaken von Reklamezetteln, Zensurverordnungen und Kommunistenhetze. Sie wetzten ihre Schnäbel an den glasigen Augen der Sterbenden und kreisten wie plündernde Geier über dem Sumpf. Und wozu, bitte schön war Waschen überhaupt gut? Etwa um die empfindlichen Nasen von diesen Heinis zu schonen, die sowieso nur bis in Riechweite kamen und dich dann doch fertigmachten?

      Mit anderen Worten: die Grenzen existieren immer noch. Wag dich ja nicht in unser Revier! Und wenn du’s schon tust, dann mach mit beinekickender Leidenschaft mit, sonst kannst du gleich wieder abhauen. Aber vergiss nicht — unser Revier ist die Zukunft!

      Und sie schlenderten am Provincetown-Theatre vorbei, suchten nach dem Geist von John Reed oder warteten darauf, e. e. cummings bei seinem täglichen Spaziergang über die Sixth Avenue flitzen zu sehen. Sie lungerten in Bistros herum und sahen sich an, wie Poeten mit überschnappenden Stimmen ihre Gedichte zum Besten gaben. Erst schrien sie noch um Hilfe im allgemeinen Zerfall, aber allmählich richteten sie sich häuslich darin ein und genossen Kicks, Dreck und Erregung aus voller Brust. Oder hörten sich in einer schummrigen Jazzgalerie die Songs von Sonny Rollins an und beteten, dass er ihnen den Weltschmerz aus der dunklen Seele fetzen möge.

      Yeah, ihr goldenen Prärien, Nebraska hatte seinen vielversprechendsten Künstler verloren, als Johnny seine Skizzen in einen Koffer knallte und in Richtung Greyhound-Busstation verschwand. Und was hatte der Washington Square Park damit zu tun? Ihn machte ein überwältigtes junges Säugetier zu seinem Revier, das sich seine Begeisterung von der Seele schreiben musste und sich Hals über Kopf in ein Paradies von zerstörerischem Solipsismus, Sex, Hasch, Schnaps und selig lächelndem Buddhismus stürzte. Allein die Möglichkeit, in dieser grellen Stadt monatelang unbemerkt herumzulaufen, erschien Johnny unübertrefflich. »Je est un autre. Je est un autre«, flüsterte er leise, während er auf einer Bank saß und seine Skizzen entwarf.

      Und erst die Möglichkeiten, sich mit den anderen Flüchtlingen im Park anzufreunden — ahhh, was für ein Hit! Du konntest so ausgeflippt sein, wie du nur wolltest, und warst trotzdem eins mit den anderen Parklingen, und die einzigen, die hier dumme Fragen stellten, waren die Bullen.

      Die ganze Energie entstand aus der verzweifelten Suche nach irgendwelchen Hinweisen, dass das Universum doch mehr ist als eine wildgewordene Müllkippe. Im Buchladen an der Achten Straße erstand Johnny obskure, matrizenkopierte Zeitschriften und fing gleich draußen auf der Straße, noch im Gehen damit an, die ersten Informationen zu verschlingen. Das einzige Problem war die Transformation, jenes Prinzip aus der Mathematik, welches besagt, dass bei der Umwandlung von einem System zu einem anderen ein gewisser Ausgleich stattfinden muss. Johnny wünschte nämlich seine Transformation sehnlichst herbei. In den heiligen Versen, wie auch in der Sprache, die er auf der Straße oder in Bistros aufschnappte, suchte er nach Symbolen der Transformation, den Worten der Bop Kabbala, wie ein Barde es einmal ausgedrückt hatte. Außerdem hatte er beschlossen, ein