Im Gegensatz zu den zwölf alten Göttern stehen die zwölf neuen Götter, welche die Römer über den Umweg der Etrusker und Griechen in ihre Kultur aufgenommen haben. Im Wesentlichen sind sie den griechischen gleichgesetzt und überlagerten mit der Zeit manche der alten Gottheiten. An der Spitze steht Iupiter in verschiedensten Formen, als Victor spendet er den Sieg und als Stator ermuntert er den Krieger zur Standhaftigkeit. In seinem Tempel am Kapitol wurde er als Optimus Maximus verehrt. Er war es, der die Beschlüsse der Gemeinde lenkte und sein Wohlgefallen oder seinen Groll durch Blitz und Donner kundtat. Als Iupiter Latiaris einte er die Stämme der Latiner und hatte am 956 m hohen Monte Cavo im Albanergebirge ein Heiligtum als sakralen Mittelpunkt der Latiner.
Ihm zur Seite steht Iuno als Inbegriff des Weiblichen, sie gebietet über die Sphäre der Frauen, als Iuno pronuba beschützt sie die Heiligkeit der Ehe, als Iuno lucina ist sie die Göttin der Geburt. Als Iuno regina wurde sie mit Iupiter am Kapitol verehrt, wo sie einen eigenen Tempel als Iuno monetas (Mahnerin) hatte. Ihre Tiere waren Gans und Pfau und der Monat Juni war ihr geweiht.
Minerva ergänzte die Göttertrias als Göttin der Künste, der Kunstfertigkeit und der Wissenschaften und wurde mit dem Fest des Quinquatrus (19–23. März) von den Lehrern, Künstlern und Handwerkern geehrt.
Der griechischen Hestia entsprach die römische Vesta als Göttin des Herdfeuers, die im Vestatempel auf dem Forum verehrt wurde. Ihr Rundtempel mit 20 Säulen war eine Nachahmung der alten italischen Rundhütten, in dem das ewige Feuer brannte, das von sechs vestalischen Jungfrauen beschützt wurde, die in einem dem Tempel benachbarten Haus wohnten. Ihr Dienst dauerte 30 Jahre, aber auch danach bleiben viele von ihnen in dieser hohen Stellung. Sie mussten keusch und jungfräulich leben, verstieß eine gegen dieses Gebot, so wurde sie lebendig eingemauert. Ließ eine Vestalin das Feuer ausgehen, so wurde sie vom pontifex maximus zu Tode gegeißelt. Begegnete ein Verbrecher einer Vestalin am Weg zur Hinrichtung, so war er begnadigt. Ihr hoher Rang ließ selbst Senatoren auf der Straße zur Seite treten und die römischen Herrscher hinterlegten ihre Testamente im Tempel der Vesta.
Als 496 v. Chr. in Rom eine Hungersnot herrschte, wurde der Kult der Ceres, der Göttin des Ackerbaues (griech. Demeter) neu eingeführt und ihr mit Liber (Dionysos) und Libera (Persephone) ein Tempel gestiftet. Sie wurde besonders von den Plebeiern verehrt, deren Ädilen ihre Festspiele (cerealia) vom 12. bis zum 19. April ausrichteten.
Der Gott der Soldaten und des Militärs war der Kriegsgott Mars. Als Mars gradivus war er „der zum Kampf Schreitende“, ursprünglich war er aber als Mavors der altlatinische Gott des Ackerbaues und des Frühlings, weshalb ihm der Monat März geweiht ist. Am 1. März hielten die zwölf aus vornehmen Familien stammenden Marspriester ihre Feiern ab und am Land gingen die Bauern in seinem Namen mit Stier, Schwein und Schafbock über die Felder, ehe sie die Tiere dem Gott opferten. Nach dem Zusammenschluss der Römer mit den Sabinern wurde neben ihm auch der sabinische Kriegsgott Quirinus verehrt.
Der Gott des Handels war Merkur, der seinen Tempel beim Circus Maximus hatte, der zugleich auch die Getreidebörse von Rom und der Sitz des Gremiums der Kaufleute (mercuriales) war.
Venus ist die Mutter des Aeneas und gilt damit als die Stammmutter der Iulier, die sie als Generix verehrten. Sie ist die Göttin der Liebe und der Schönheit und für die Bauern auch die Göttin des Gartens.
Neptun war der Gott des Wassers und entsprach dem griechischen Poseidon und unter dem von den Etruskern entlehnten Vulcanus verbirgt sich der griechische Gott des Feuers und der Schmiedekunst Hephaistos. Apollo galt anfangs nur als Heilgott (Paean), erst später wurde er auch zum Gott der Künste, der Weissagung, der Verbannten und Vertriebenen. In der Kaiserzeit legte er sich den Beinamen Sol als Sonnengott zu. Seine Schwester war Diana, die als Göttin der Jagd der griechischen Artemis entsprach.
Zusätzlich zu diesen Göttern wurden im römischen Haushalt auch die Laren, Penaten und Manen verehrt. Die Laren waren als Lares familiares die Schutzgötter des Hauses und die verklärten Geister der Verstorben, die über das Haus wachten. Verließ eine römische Familie ihr Haus, so bleiben die Laren zurück.
Die Schutzgötter der Hausbewohner waren die Penaten, die über deren Gesundheit und Wohlstand wachten und deren Namen sich von den Vorräten (penus) ableiten lässt. Die Penaten gehörten zur Sippe und wanderten mit den Familien mit, auch der römische Staat, den man sich als große Sippe vorstellte, hatte seine Penaten.
Wichtig im Leben der Römer war die Verehrung der Manen, der Seelen der Toten. Man ehrte sie und versuchte sie durch ein jährliches Fest, den feralia am 21. Februar, gnädig zu stimmen. An diesem Tag waren alle Tempel geschlossen, Heiraten verboten, und die Beamten durften keine Amtskleidung tragen. Die Manen finden sich oft auf römischen Grabsteinen unter dem Kürzel DM (dis manibus – den Totengöttern) erwähnt.
Die Priesterschaft
Ursprünglich waren die priesterlichen Aufgaben8 ein Teil des Königtums, als diese Aufgaben aber immer umfangreicher wurden, richtete man Priesterkollegien für die Pflege des öffentlichen Kultes ein, wobei die oberste Kultusbehörde das collegium pontificium war, an dessen Spitze der pontifex maximus stand. Der pontifex (Brückenbauer) wird einerseits vom Brückenbau abgeleitet, der den Flussgott Tiber unterwarf, eine andere Deutung lässt ihn als „Wegebahner“ zwischen der irdischen und der göttlichen Sphäre erscheinen9. Die lebenslang bestellten Oberpriester vollzogen die sakralen Handlungen, verkündeten Neu- und Vollmond, bestimmten den Zeitpunkt für Gerichtsverhandlungen und Festtage und führten die annales maximi, die Aufzeichnungen der Ereignisse des Jahres. Ihr Amtslokal war die ehemalige Königsburg (regia) auf dem Forum, das sagenhafte Haus König Numas.
Ihnen zur Seite stand das collegium augurum, zuständig für die Erforschung des Willens der Götter durch Wetterbeobachtung, Vogelflug, Eingeweideschau und der Beobachtung der Fresslust der Hühner.
Dazu kam das Priesterkollegium der 20 Fetialen, die das Völkerecht zu hüten hatten und eine wichtige Rolle bei Kriegserklärungen und Friedenschlüssen spielten. Die viri sacrorum, zuerst zwei, dann zehn und seit Sulla (134–78 v. Chr.) 15 Männer, befragten in Zeiten der Not die von ihnen streng und geheim gehüteten Sybillinischen Bücher, die König Tarquinius Superbus der Legende nach dem Orakel der Sybille von Cumae abgekauft hatte und die Orakelsprüche enthielten. Nach ihrer Vernichtung durch einen Brand des Jupitertempels auf dem Kapitol 83 v. Chr. wurden sie aus Abschriften teilweise wiederhergestellt und bis 405 n. Chr. noch genutzt. Zur Priesterschaft gehörten auch die Vestalinnen.
Kultvereine waren neben den Einzelpriestern und Kollegien ebenfalls zuständig für die religiöse Organisation der Römer. In Vereinigungen (sodalitates), die stadtrömische Einrichtungen waren, wurden alte Kulte und Riten gepflegt, für welche die Staatspriester sich als nicht zuständig erachteten. Die fratres arvales (Arvalbrüder) vollzogen den Kult der Göttin Dea Dia. Den luperci (von lupus, Wolf) oblagen der religiöse Schutz der Herden vor Wölfen und Fruchtbarkeitsrituale. Die Salii (Salier) huldigten mit archaischen Tänzen und Gesängen kriegerischen Göttern. Die Titii (Titier) scheinen sabinischen Ursprungs gewesen zu sein und über sie ist kaum etwas bekannt. In der Kaiserzeit wurde der Herrscherkult durch die augustales vollzogen.
Der römische Bürger hatte vor allem religiöse Kontakte mit den Priestern der Tempel und im Opferdienst. Davon gab es drei maiores, den flamen dialis, den Eigenpriester Iupiters, den flamen quirinalis für die Anrufung des Romulus und den flamen martialis für Mars, dazu kamen zwölf minores für die niederen Gottheiten. Der ranghöchste flamen dialis war bestimmten Regeln unterworfen, er musste Patrizier sein, durfte keine Nacht außerhalb Roms verbringen, kein Pferd besteigen, kein bewaffnetes Heer zu Gesicht bekommen, an Festtagen niemanden arbeiten sehen und keinen Ring oder Knoten tragen.
Kultstätten und Kulthandlungen
Die ältesten Kultstätten der Römer waren Grotten, heilige Haine und das fanum, ein von Priestern geweihter Bezirk mit oder ohne Gebäude. Man verrichtete ursprünglich den Gottesdienst auf der sacella, einem eingefriedeten Bezirk mit einem aus Rasenziegeln aufgeschichteten Altar.