Karl der Dicke wird in der historischen Bewertung als der schwächste der drei Söhne Ludwigs des Deutschen angesehen. Als »Dicker« (crassus) wird er erst seit dem 12. Jh. bezeichnet, was seine mangelnde Tatkraft ausdrücken sollte. Er erhielt aus der Erbmasse der Herrschaft seines Vaters nur einen relativ kleinen Teil, nämlich Alemannien (u. a. der größte Teil des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg und die Ost-Schweiz), aber durch einen »biologischen Zufall« erreichte er in wenigen Jahren und für wenige Jahre (885–887) die Herrschaft über das gesamte Frankenreich – so wie es unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen bis 840 der Fall war. Durch die frühen Tode seiner Brüder Karlmann und Ludwig der Jüngeren sowie seines westfränkischen Vetters Ludwig des Stammlers und dessen Sohns Ludwig wurde er nacheinander König von Italien, Kaiser, König von ganz Ostfranken und König von Wesfranken.
Diese Jahre 882 bis 885 wurden von Auseinandersetzungen mit den Normannen geprägt, wobei man versuchte, diese in das System des Frankenreichs einzugliedern und sie zu loyalen Gliedern zu machen. Dies scheiterte jedoch 885. In der Folge unternahmen die Normannen sogar einen Einfall Seine aufwärts bis Paris.
Da Ks. Karl III. keine legitimen Nachkommen hatte, versuchte er zuerst, seinen Sohn aus einem Konkubinat bzw. einer Friedelehe zu legitimieren, was aber scheiterte. Zwei folgende Adoptionen blieben erbrechtlich ebenso ohne Wirkung.
Im Jahr 887 kam die Krankheit, unter der Karl III. gelitten hatte, verstärkt zum Ausbruch, so dass er gegen Ende dieses Jahres schon regierungsunfähig gewesen sein dürfte. Durch die im November 887 in Frankfurt/Main erfolgte Wahl und Krönung Arnulfs von Kärnten zum König galt Karl III. als abgesetzt, starb aber bereits kurze Zeit später Anfang 888.
KAISER ARNULF VON KÄRNTEN
(887–899)
Ks. Arnulf wurde um 850 geboren (Datum und Ort unbekannt). Seine Eltern waren Kg. Karlmann und Liutswind (siehe oben). Für ihn sind drei Friedelehen und eine Ehefrau, die Konradinerin ODA (Ute) († nach 903), sowie vier Kinder bezeugt, darunter Kg. LUDWIG DAS KIND (siehe unten).
Als eine einflussreiche Gruppe ostfränkischer Adeliger wegen Regierungsunfähigkeit Ks. Karl III. abgesetzt hatte, verblieb man aber beim karolingischen Reichsgedanken. Da von den Söhnen Ludwigs des Deutschen keiner einen legitimen Nachkommen hinterlassen hatte, wählte man den ältesten illegitimen Spross einer der Ludwigssöhne: Das war Arnulf, der Sohn Kg. Karlmanns. Als dieser im Jahr 876 König wurde, machte er Arnulf zum Präfekten der östlichen Grenzmarken, woher dann dessen Beiname »von Kärnten« kam.
Nach seiner Wahl zum König waren seine bevorzugten Aufenthaltsorte Regensburg und Frankfurt/Main. Auch setzte er seine Herrschaftsrechte nach und nach in Sachsen und Lotharingien durch. Die normannische Gefahr stand anfänglich auch für Arnulf im Zentrum seiner Politik. Nach einer Niederlage im Juni 891 konnten die Ostfranken Mitte Oktober 891 in Dyle bei Löwen die Normannen vollständig besiegen. Dieser Sieg brachte die endgültige Wende. Abgesehen von einem Vorstoß Anfang 892 nach Prüm beendeten die Normannen ihre Invasionen auf dem europäischen Festland und wandten sich in der Folge England zu.
Bereits 890 hatte der Papst Arnulf aufgefordert, nach Rom zu ziehen. 894 war es dann so weit, nicht zuletzt auch um seine Herrschaft in Italien zu sichern. Zwei Jahre später unternahm Arnulf einen weiteren Italienzug, um in Rom die Kaiserkrone zu empfangen. Zwischenzeitlich hatte Papst Formosus bereits Herzog Guido/Wido von Spoleto und dessen Sohn Lambert zu Kaisern gekrönt (siehe S. 38), aber der Papst war mit diesen unzufrieden.
Ende Februar 896 wurde daher Arnulf in Rom zum Kaiser gekrönt. Für 66 Jahre – bis zur Krönung Ks. Ottos I. d. Großen (siehe S. 48) – war es die letzte Kaiserkrönung eines ostfränkischen Königs. Von Italien kehrte Arnulf als kranker Mann zurück, es gelang ihm 897 noch, die Nachfolge seines Sohnes Ludwig im Ostfrankenreich durchzusetzen. Danach verschlimmerte sich seine Krankheit, und er wurde praktisch regierungsunfähig. Im Juni 899 erfolgte ein schwerer Schlaganfall, der ihn lähmte, Ende dieses Jahres starb er.
Die Geschichtsschreiber des 10. Jh. bewerteten die Regierungszeit Arnulfs weitgehend negativ. Aber wenigstens in seiner wichtigsten Residenzstadt Regensburg, wo Arnulf auch begraben wurde, blieb sein Gedächtnis lebendig. Bis ins Spätmittelalter fanden an seinem Todestag Armenspeisungen im Kloster St. Emmeran statt.
KÖNIG LUDWIG (IV.) DAS KIND
(900–911)
Kg. Ludwig (IV.) wurde im Herbst 893 in (Alt-)Ötting geboren (Datum unbekannt). Seine Eltern waren Ks. Arnulf und dessen Frau Oda (siehe oben). Er blieb unverheiratet und kinderlos.
Die Historiographie wertet es als erstaunliche Tatsache, dass relativ rasch nach dem Tod Ks. Arnulfs dessen siebenjähriger Sohn Ludwig – daher der Beiname »das Kind« – zum König erhoben und gekrönt wurde. Es war dies die erste Königskrönung im Bereich des Ostfrankenreichs. Ansonsten wurden die fränkischen Könige nur (auf das Schild bzw. den Thron) »erhoben«. Gekrönt worden waren bis dahin nur die Kaiser.
Diesen Vorgang, nämlich die Erhebung eines siebenjährigen legitimen Nachkommens zum König und nicht der Rückgriff auf die westfränkische Verwandtschaft, beweist, welch hohes Maß an Zusammengehörigkeitsgefühl und Eigenbewusstsein das Ostfrankenreich bereits entwickelt hatte. Der junge König konnte natürlich nicht selbst regieren, aber mit unsicherer Kinderhand hat er unter Urkunden den Vollziehungsstrich in das Königsmonogramm gezogen. In Wirklichkeit regierte ein Regentschaftsrat. Trotz alledem hat sich der unmündige König als Klammer der Großen in Nord und Süd erwiesen. Doch gab es in den ersten Jahren des 10. Jh. im Maingebiet heftige Kämpfe zwischen den Adelsfamilien der Babenberger und der Konradiner, um sich einen möglichst günstigen Ausgangspunkt für die Zeit nach Ludwig dem Kind zu sichern. Aus diesen Auseinandersetzungen gingen schließlich die Konradiner siegreich hervor.
Diese zentrifugalen Kräfte im Ostfrankenreich, die immer stärker hervortraten, wurden durch äußere Bedrohung verstärkt. Die Ungarn verwüsteten ab 900 immer wieder den deutschen Südosten. Markgraf Liutpold von Bayern versuchte 907, in einem Feldzug die Ungarngefahr zu bannen. Es endete aber bei Preßburg in einer verheerenden Niederlage, bei der Liutpold auch fiel. Im Sommer 910 versuchte der junge Kg. Ludwig selbst, sich auf dem Lechfeld den Ungarn entgegenzustellen, was erneut in eine schweren Niederlage mündete und sein Königtum aufs äußerte gefährdete.
Ein Jahr später starb der kränkelnde junge Mann. Damit war der ostfränkische Zweig der Karolinger erloschen. Die Tatsache, dass keine zeitgenössische Quelle den Sterbeort und das Grab nennt, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich Kg. Ludwig das Kind nicht in das Bewusstsein seiner Nachwelt eingeprägt hat.
Kaiser Arnulf von Kärnten
DIE ITALIENISCHEN KAISER (891–928)
Der Verfall der karolingischen Macht gegen Ende des 9. Jh. hatte auch Auswirkungen auf die im Jahr 800 wiedererrichtete Institution des weströmischen Kaisertums. Damit zeitlich verbunden war eine der dunkelsten Epochen der Papstgeschichte, beginnend mit der Ermordung von Papst Johannes VIII. im Jahr 882 und endend erst im Lauf des 10. Jh. Das Königreich Italien wurde zum Spielball lokaler Fürsten, während auf dem Papstthron in Rom schwache