Klinische und radiologische Befunde und Diagnostik
Das gesunde periimplantäre Gewebe stellt sich klinisch in Farbe und Textur wie das gesunde parodontale Gewebe dar. Es ist durch fehlende Entzündungszeichen (Rötung, Schwellung, Blutung auf Sondierung und Suppuration) charakterisiert. Im Unterschied zum parodontalen Gewebe zeigt gesundes periimplantäres Gewebe generell eine Tendenz zu höheren Sondierungstiefen, die implantatsystemspezifisch variieren können.
Die periimplantären Infektionen sind selten von einer Schmerzsymptomatik begleitet. Die Beschwerdefreiheit stellt daher kein Ausschlusskriterium für das Vorliegen einer periimplantären Mukositis oder einer Periimplantitis dar11. Eine Schmerz- und/oder Schwellungssymptomatik an Implantaten kann aber ein Hinweis auf eine fortschreitende Periimplantitis oder eine Implantatdeosseointegration liefern16.
Die klinische Diagnostik periimplantärer Entzündungen umfasst die visuelle Kontrolle, die periimplantäre Sondierung und die digitale Palpation. Die Blutung auf Sondierung (BOP: bleeding on probing) ist der Schlüsselparameter in der Diagnostik periimplantärer Entzündungen2,17. Klinische Untersuchungen zeigen, dass es, im Unterschied zum gesunden periimplantären Gewebe, einen direkten Zusammenhang zwischen den positiven BOP-Werten und den Diagnosen periimplantäre Mukositis (median, Patientenlevel: 24,4 %; Implantatlevel: 33 %) und Periimplantitis (median, Patientenlevel: 24,4 %; Implantatlevel: 33 %) gibt18. Bei Periimplantitis kann zusätzlich eine putride Exsudation auf Provokation (Sondierung oder Palpation) beobachtet werden (Abb. 2). In klinischen Untersuchungen wird bei 16,7 bis 28,7 % der untersuchten Implantate sowie bei 30,1 bis 54,4 % der Patienten eine Suppuration beobachtet18–20. Die Suppuration ist ausschließlich für Periimplantitis charakteristisch. Das Fehlen einer Suppuration schließt die Diagnose Periimplantitis jedoch nicht aus18,19. Zur weiteren Diagnostik und zur Verlaufskontrolle wird die Erhebung periimplantärer Sondierungstiefen herangezogen. Der Sondierungsvorgang sollte mit moderater Kraft (< 0,25 N) erfolgen3. Die Interpretation der erhobenen Werte sollte immer unter Berücksichtigung der Referenzwerte, die idealerweise zum Zeitpunkt der Eingliederung der prothetischen Versorgung gemessen wurden, vorgenommen werden21.
Abb. 2a und b a) Spontane Suppuration und b) Blutung auf Sondierung und Suppuration an Implantat in der Region 16.
Eine radiologische Untersuchung ist bei Vorliegen klinischer Entzündungszeichen, d. h. bei positivem BOP, Suppuration und bei der Zunahme der Sondierungstiefen, indiziert3,11. Zur Bewertung des periimplantären Knochenangebots sollte eine radiologische Referenzaufnahme herangezogen werden, die auch hier im Idealfall zum Zeitpunkt der Eingliederung der prothetischen Versorgung und nach dem initialen Knochenremodelling angefertigt wurde21,22. Ein progressiver periimplantärer Knochenabbau grenzt die Periimplantitis von einer periimplantären Mukositis eindeutig ab.
Für die Falldefinition der Periimplantitis bei fehlender klinischer und radiologischer Referenzwerte gelten eine positive Blutung auf Sondierung und/oder Suppuration, eine Sondierungstiefe ≥ 6 mm und ein krestaler periimplantärer Knochenabbau von ≥ 3 mm, gemessen vom koronalen intraossären Implantatanteil4.
Als weitere derzeit verfügbare diagnostische Methoden werden mikrobiologische und immunologische Tests beschrieben. Die mikrobiologischen Testverfahren zielen primär auf die Identifizierung parodontopathogener Markerspezies23. Bei der immunologischen Analyse der periimplantären Sulkusflüssigkeit werden Biomarker24,25 zur Differenzierung des gesunden vom entzündeten Sulkus herangezogen, erlauben jedoch keine Unterscheidung einer periimplantären Mukositis von einer Periimplantitis. Beide Testverfahren haben im Zusammenhang mit periimplantären Entzündungen keine therapeutisch relevante Konsequenz.
Das mikrobielle Profil der Periimplantitis
Die meisten Untersuchungen zur Charakterisierung des mikrobiellen Profils der Periimplantitis sind auf den Vergleich mit dem gesunden periimplantären Gewebe26 oder mit der Parodontitis ausgelegt27–29.
Die submukosale Mikroflora an einem gesunden Implantat unterscheidet sich in ihrer Zusammensetzung nicht von der Mikroflora im gesunden parodontalen Sulkus30. Das mikrobielle Profil an Implantaten mit einer Periimplantitis unterscheidet sich wiederum deutlich von dem an gesundem periimplantärem Gewebe. Die Periimplantitis ist assoziiert mit einer besonders heterogenen, komplexen Mischflora7,31–33, die sich aus parodontopathogenen Mikroorganismen, nicht kultivierbaren asaccharolytischen anaeroben grampositiven und anderen gramnegativen Kokken und opportunistischen Mikroorganismen zusammensetzt27,29.
Die komplexe Mischflora der Periimplantitis wird überwiegend von den anaeroben gramnegativen Bakterienarten dominiert31, die in ähnlicher Form häufig bei Parodontitis zu beobachten ist. Es handelt sich um Bacteroides, Campylobacter, Eubacterium, Fusobacterium und Treponema-Spezies34. Für die Periimplantitis werden allerdings höhere Konzentrationen parodontopathogener Bakterien, wie Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Prevotella intermedia, Porphyromonas gingivalis, Treponema denticola und Tannerella forsythia nachgewiesen30,34–36. Das mikrobielle Profil der Periimplantitis scheint sich, im Unterschied zur Parodontitis, insgesamt aus aggressiveren und resistenteren Mikroorganismen zusammenzusetzen29. In Beobachtungsstudien konnte gezeigt werden, dass die Periimplantitis häufig mit opportunistischen pathogenen Bakterien, wie Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus asoziiert ist31,36, aber auch Pilze (Candida albicans, Candida boidinii, Penicillum spp., Rhadotorula laryngis und Paelicomyces spp.)33,36,37 und Viren (Epstein-Barr-Virus, Humanes Zytomegalievirus)38 konnten in Zusammenhang mit einer Periimplantitis nachgewiesen werden.
Gerade S. aureus wird häufig an den von Mikroorganismen besiedelten Titanimplantaten identifiziert und verursacht Komplikationen an Transplantaten auch außerhalb der Mundhöhle39.
Die denkbare Erklärung für das unterschiedliche mikrobielle Profil der Periimplantitis, verglichen mit der Parodontitis, könnte im Implantatoberflächendesign und in konstruktionsbedingten Mikrospalten am Implantat-Abutment-Interface liegen, die die Invasion der Mikroorganismen und die Formierung des komplexen Biofilms begünstigen40,41.
Die submukosale Mikroflora der Periimplantitis scheint selbst innerhalb des Sulkus und in Abhängigkeit von der Sulkustiefe zu variieren. Demnach gleicht das mikrobielle Profil der Periimplantitis im flachen Sulkus dem der gesunden periimplantären Gewebe. Mit steigender Sondierungstiefe kommt es zu einer Veränderung und zur dysbiotischen Umwandlung des submukosalen Mikrobioms mit einer stärkeren Präsenz parodontopathogener Keime42.
Die Rolle des Biofilms
Der Biofilm ist ein mikrobielles Multi-Spezies-Agglomerat, das in einer sehr gut organisierten extrazellulären polymeren Substanz eingebettet ist. Diese Grundsubstanz besteht vorwiegend aus Polysacchariden, enthält aber auch Proteine und Lipide und ermöglicht den Austausch der genetischen Signale und Informationen zwischen den mikrobiellen Zellen nach einem Mechanismus, der als Quorum sensing bekannt ist43.
Orale Biofilme können an verschiedenen Oberflächen, wie Prothesen, Implantaten, Mukosa, Zähnen und Knochen, haften und werden in vier Stufen gebildet44–46: Pellikelbildung – primäre/frühe Kolonisation – sekundäre Kolonisation/Ko-Aggregation – Reifung. Die frühe Kolonisation und schließlich die Reifung des Biofilms werden multifaktoriell gesteuert. Die Zusammenhänge zwischen der Morphologie der periimplantären Gewebe, der implantatprothetischen Oberfläche, der vielfältigen Zusammensetzung des individuumspezifischen Mikrobioms und der individuumspezifischen Perzeption sind komplex und nicht vollständig geklärt.
Das Problem der biofilmassoziierten Infektionen ist ihr notorisches Resistenzverhalten