Antibiotika in der Zahnmedizin. Michael Hülsmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Hülsmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783868675535
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Paste der Firma Lederle Pharmaceuticals auf den Markt. Das auch heutzutage noch bekannte und klinisch verwendete Ledermix (Riemser, Greifswald) enthält das Tetracyclin Demeclocyclin sowie das Kortikosteroid Triamcinolon und wird als provisorische medikamentöse Einlage bis zum Abschluss der endgültigen Behandlung bei Wurzelkanalbehandlungen verwendet.

      Vor- und Nachteile der lokalen Antibiotikatherapie

      Der primäre Vorteil einer lokalen Antibiotikatherapie ist das Erreichen von sehr hohen Wirkstoffkonzentrationen am Zielort. Je nach Gewebe können sie deutlich über Werten liegen, die durch eine systemische Therapie erreicht werden, und insbesondere in schlecht durchbluteten Geweben, wie Knochen oder Gelenken, sowie bei biofilmassoziierten Infektionen, beispielsweise an Oberflächen von Endoprothesen, zum Erreichen einer ausreichend hohen Konzentration notwendig sein.

      Da Bakterien in Biofilmen 100- bis 1.000-fach höhere Konzentrationen an Antibiotika tolerieren können als frei schwimmende, sogenannte planktonische Bakterien16, sind zur Therapie dieser Infektionen höhere lokale Wirkstoffkonzentrationen indiziert. Es ist bekannt, dass die Struktur des Biofilms die Diffusion von polaren und geladenen Antibiotika in den Biofilm reduziert17 und so die Bakterien schützt. Die für Antibiotika angegebenen Hemmkonzentrationen (MHK) werden in vitro an planktonischen Bakterien getestet und geben nicht die Konzentrationen wieder, die für Bakterien notwendig sind, die in Biofilmen geschützt leben. Aus diesen Gründen kann die minimale biofilmeradizierende Konzentration (MBEK) bis zu 10.000-fach höher liegen, als die in der Routinediagnostik bestimmte MHK18,19. Diese Diskrepanz erklärt das häufig beobachtete Therapieversagen bei biofilmassoziierten Erkrankungen.

      Osteonekrosen, Knochensequester und Implantatoberflächen von Endoprothesen oder Osteosyntheseplatten stellen bei bakterieller Besiedlung einen Infektherd mit optimalem Milieu für bakterielles Wachstum dar, da sie durch die schlechte bzw. nicht vorhandene Durchblutung der körpereigenen Immunabwehr und der systemischen Antibiotikatherapie nur schlecht zugänglich sind15,20. Aus diesen Gründen kann die Integration einer Kombinationstherapie aus systemischer und lokaler Antibiotikatherapie in das chirurgische Behandlungskonzept infizierter Endoprothesen oder der Osteomyelitis sinnvoll sein21.

      Die Lokalisation einer Osteomyelitis ist bei der Therapie aufgrund des unterschiedlichen Erregerspektrums zu berücksichtigen. Während als häufigster Erreger der Osteomyelitis langer Röhrenknochen das Bakterium Staphyloccocus aureus zu nennen ist, ist das Erregerspektrum septischer Osteomyelitiden im Mund und Kieferbereich (Abb. 1) deutlich breiter und als aerob-anaerobe Mischinfektion der oralen Flora anzusehen22. Behandlungspfeiler der Therapie chronischer Osteomyelitiden der Kiefer ist die systemische Antibiose, kombiniert mit einer chirurgischen Therapie zur Beseitigung ossärer Nekrosen und Sequester23.

      Abb. 1 Osteomyelitis des Kiefers.

      Die adjuvante Einlage von Gentamicin-PMMA-Ketten bringt nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich. Zum einen wurden Schwankungen der Gentamicinkonzentration im Wundsekret von 14 bis 215 µg/ml gemessen7. Diese liegen zwar noch weit über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) der Erreger, dennoch ist eine verlässliche Planung der lokalen maximalen Wirkstoffkonzentration schwierig. Außerdem können Fremdkörperreaktionen durch sie ausgelöst werden und eine zweite Operation zur Entfernung der eingelegten Ketten ist notwendig24,25. Aus diesem Grund befinden sich biologisch abbaubare Materialien wie Polymere aus Polymilchsäure oder Polyglykolsäure, Hydroxylapatit, Kalziumphosphate, Fibrinkleberimplantate und Kollagenschwämme mit Antibiotikafreigabesystemen in der Entwicklung und klinischen Testung26,27.

      Einsatz lokaler Antibiotika in der oralen Chirurgie

      Im Bereich der oralen Chirurgie kann für Knochendefekte, insbesondere für größere Defekte von über 2 cm, ein hämostyptischer Kollagenschwamm verwendet werden, der das Antibiotikum Gentamicin enthält. Kollagenschwämme mit Gentamicin werden nicht nur in der Oralchirurgie verwendet, sondern kommen beispielsweise auch zur Prävention postoperativer Komplikationen nach medianer Sternotomie oder in der Wirbelsäulenchirurgie zum Einsatz.

      Der Kollagenschwamm wirkt initial stabilisierend auf den Defekt, da Kollagen eine natürliche Matrix für das Wachstum von Zellen und Geweben darstellt. Native Kollagene besitzen jedoch eine geringe mechanische Stabilität und können zudem durch Kollagenasen, die von einigen oralen Bakterien produziert werden28, aufgelöst werden. Im Vergleich zu PMMA-Ketten ist Kollagen vollständig biologisch abbaubar.

      Auch in Bezug auf die Freisetzungskinetik des Gentamicins unterscheiden sich Kollagenschwämme von PMMA-Ketten, die eine langsame Freisetzungskinetik haben. In einer In-vitro-Studie von Sørensen et al. waren nach 1,5 Stunden bereits 95 % des Gentamicins aus dem Kollagenschwamm freigesetzt, während nur 8 % des Gentamicins aus den PMMA-Ketten freigesetzt wurden29.

      Die Vorteile der geringen systemischen Nebenwirkungen sind jedoch auch bei der Anwendung von Gentamicin-Kollagenschwämmen gegeben. In Versuchen zur Evaluation der lokalen und systemischen Konzentrationen nach Einlage eines Gentamicin-Kollagenschwammes in den Oberschenkelknochen von Ratten konnten keine toxischen Konzentrationen in Serum oder Urin festgestellt werden. Nach 7 Tagen wurden jedoch lokal noch relevante Gentamicin-Wirkstoffkonzentrationen gemessen30.

      Beladung von Knochentransplantaten mit Antibiotika

      Da avaskuläre Knochentransplantate zunächst keinen eigenen Gefäßzugang und somit keine eigene Perfusion besitzen, können sich Bakterien dort gut vermehren. Im Jahr 2000 publizierten Winkler et al. eine Studie, in der sie erfolgreich Knochen humanen und bovinen Ursprungs mit Antibiotika beladen konnten31. Die Idee wurde bereits 1947 verfolgt und De Grood mischte zur Therapie der Osteomyelitis Knochenchips mit Penicillin32.

      Die Freisetzung eines Antibiotikums aus hiermit beladenen Knochentransplantaten erfolgt mindestens über 48 Stunden und kann bis zu 21 Tage andauern, wobei die freigesetzte Menge sich je nach Antibiotikum mit der Zeit verringert und nach wenigen Tag stark abfällt33. Bei der Beladung von Spongiosa konnten lokale Konzentrationen von 20.000 mg/l für Vancomycin und 13.000 mg/l für Tobramycin erreicht werden31. Die lokalen Wirkstoffkonzentrationen erreichen deutlich höhere Werte im Vergleich zu Konzentrationen, die von PMMA-Ketten freigesetzt werden34.

      Choukroun et al. haben in einer klinischen Studie 2 ml einer 0,5%igen Metronidazol-Lösung in allogenen Knochen gemischt (Testgruppe) und 94 Sinusbodenelevationen durchgeführt. In der Testgruppe traten im Vergleich zur Kontrollgruppe keine Infektionen auf und der Knochen der Testgruppe zeigte sich signifikant homogener in den radiologischen Kontrollen als in der Kontrollgruppe35.

      Die Beladung von Knochentransplantaten mit Antibiotika ist grundsätzlich intraoperativ möglich. Unverträglichkeiten und Allergien gegen das zu verwendende Antibiotikum sollten in jedem Fall präoperativ ausgeschlossen werden, da ansonsten eine chirurgische Revision zur Entfernung des Antibiotikums notwendig wird. Zudem sollte die Zytotoxizität gegenüber Osteoblasten bedacht werden. Sie hängt von der Auswahl und Konzentration des eingesetzten Antibiotikums ab36. Bedacht werden sollte auch, dass die Evidenz für die Anwendung im Bereich der oralen Chirurgie noch gering ist. Zudem wird der Operateur durch die Zumischung des Antibiotikums zum Knochentransplantat im Rahmen des Arzneimittelgesetzes tätig und eine Anzeigepflicht gegenüber der aufsichtsführenden Behörde besteht37.

      Antiseptika in der oralen Chirurgie

      Antibiotika sind per definitionem von Pilzen oder Bakterien gebildete antimikrobielle Stoffe, während Antiseptika chemisch gebildete Stoffe sind, die zur Desinfektion der Häute und Schleimhäute eingesetzt werden, um Bakterien, Viren oder Mikroorganismen zu reduzieren, die eine Wundinfektion verursachen könnten.

      In der oralen